Litauen: Märtyrer-Bischof Matulionis seliggesprochen

In der litauischen Hauptstadt Vilnius wurde am Sonntag erstmals auf litauischem Boden und erstmals seit der Sowjetära ein katholischer Geistlicher als Märtyrer seliggesprochen.

Die Zeremonie für Teofilo Matulionis (1873-1962) leitet im Auftrag von Papst Franziskus der Präfekt der römischen Heiligsprechungskongregation, Kardinal Angelo Amato. Franziskus würdigte Matulionis beim Mittagsgebet in Rom als „entschiedenen Verteidiger der Kirche und der Menschenwürde“. Der fast 90-jährige Erzbischof sei aus „Hass auf den Glauben“ getötet worden, so der Papst.

Papst Angelusgebet

APA/AFP/GABRIEL BOUYS

Franziskus würdigte Matulionis als „entschiedenen Verteidiger der Kirche und der Menschenwürde“.

Arbeitslager, Internierung und plötzlicher Tod

Matulionis, 1873 im südlitauischen Kudoriskis geboren, 1928 zum Weihbischof im Erzbistum Minsk-Mohilev ernannt und im folgenden Jahr geweiht, wurde 1930 zu zehn Jahren Arbeitslager auf den Solowezki-Inseln im Weißen Meer verurteilt, kam jedoch nach drei Jahren krank und entkräftet frei.

Nach der Besetzung Litauens durch die Rote Armee 1944 lebte er von 1946 bis 1956 in Internierung, anschließend in Hausarrest. Im Februar 1962 erhielt er, obwohl an seiner Amtsausübung gehindert, den Titel eines Erzbischofs; am 20. August desselben Jahres starb er unter ungeklärten Umständen.

Erste Seligsprechung in Litauen

Zur Seligsprechung am Sonntag waren nicht nur zahlreiche Gläubige aus Litauen, sondern auch aus den Nachbarländern und aus der litauischen Emigration gekommen. Die Seligsprechung war eine doppelte Premiere: Es handelte sich um die erste Seligsprechung auf litauischem Boden und die erste Seligsprechung eines Glaubenszeugen der kommunistischen Ära in Litauen.

Der Vorsitzende der Litauischen Bischofskonferenz, Erzbischof Gintaras Grusas von Vilnius, erklärte, die „radikale Entschlossenheit“ von Bischof Matulionis, die „Wahrheit um jeden Preis zu suchen“, sei eine „attraktive Botschaft für die Jugend von heute“.

In diesem Sinn hatte bereits vor der Seligsprechung am 23./24. Juni in Vilnius ein zweitägiges Jugendfestival stattgefunden. Es sei wichtig, dass Matulionis sein Leben lang „Frieden, Vertrauen und Güte“ gezeigt habe, „sogar gegenüber seinen Verfolgern“, sagte der Erzbischof.

Hochrangige Kirchenvertreter unter den Gästen

Zu der Seligsprechungsfeier war u.a. auch die Spitze des Rates der europäischen Bischofskonferenzen CCEE in die litauische Hauptstadt gereist. Europa sei „auch auf dem Blut der Märtyrer errichtet“, hieß es in einer vorab verbreiteten Erklärung von CCEE-Generalsekretär Duarte Da Cunha.

Matulionis erinnere an „die Notwendigkeit, die Religionsfreiheit zu schützen“. Menschen wie er verteidigten die Werte, auf denen Grundlage Europa geformt sei. Zu der CCEE-Delegation gehörten den Angaben zufolge auch der Vorsitzende Kardinal Angelo Bagnasco sowie die Vizepräsidenten Kardinal Vincent Nichols und Erzbischof Stanislaw Gadecki.

Geheimweihe, Lagerhaft und Deportation

Im Lebenslauf von Matulionis spiegelt sich die dramatische Geschichte der katholischen Kirche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in den „westlichen Gouvernements des Russischen Reiches“, wie man in Matulionis Jugendzeit sagte.

Geboren wurde er in Kudoriskis, er studierte Philosophie und Theologie am Priesterseminar der Erzdiözese Mogiljew in St. Petersburg und wurde 1900 zum Priester geweiht. Seine ersten Seelsorgsposten waren im lettischen Bikova und in St. Petersburg, wo er an der berühmten Katharinenkirche am Newskij Prospekt tätig war.

1922 wurde Matulionis - im Rahmen der Kampagne gegen den Generalvikar der Erzdiözese Mogilew, Jan Cieplak - von der bolschewistischen Geheimpolizei „Tscheka“ erstmals verhaftet und blieb drei Jahre im Gefängnis.

Nach seiner geheimen Bischofsweihe am 9. Februar 1929 durch den Geheimbischof Anton Malecki wurde Matulionis noch im selben Jahr neuerlich von den „Organen“ verhaftet. Im Prozess wurde er zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt.

Zunächst war er auf den Solowetskij-Inseln inhaftiert, später in einem Lager in der Landschaft Ingria westlich von St. Petersburg. Die harte Arbeit in der Forstwirtschaft, Hunger, Kälte und Misshandlungen setzten dem Bischof zu, konnten aber seine geistige und geistliche Standfestigkeit nicht erschüttern.

1933 erwirkte die litauische Regierung im Zuge eines Gefangenenaustausches seine Freilassung. Bischof Matulionis war in den Folgejahren Seelsorger des Benediktinerinnenkonvents in Kaunas und besuchte die litauischen Gemeinden in den Vereinigten Staaten. Nach einer Audienz bei Papst Pius XI. am 24. März 1934 kniete er nieder, um den päpstlichen Segen zu empfangen. Doch der Papst hob ihn empor, kniete seinerseits nieder und sagte: „Du bist ein Märtyrer. Du bist derjenige, der den Segen spendet“. Papst Pius XII. ernannte ihn am 9. Jänner 1943 zum Bischof von Kaisiadorys, das damals noch in der Hand der deutschen Besatzer war.

Im Jahr 1946 wurde Matulionis wieder verhaftet, und zwar wegen eines Hirtenbriefes, in dem er die Gläubigen gebeten hatte, für das Wohl der Gesellschaft zu beten. Dies werteten die „Organe“ als einen „antisowjetischen Akt“, insofern ein Gebet für das Wohl der Gesellschaft so gedeutet werden könne, als habe die sowjetische Gesellschaft ein Gebet nötig, als sei sie nicht schon vollkommen.

Bischof Matulionis wurde jegliche Amtsausübung untersagt, er wurde zuerst in einem Moskauer Gefängnis inhaftiert und dann nach Sibirien deportiert.

Erst im April 1956 wurde er entlassen. Das Verbot, sein Bischofsamt auszuüben, blieb bestehen. Er lebte fortan in Litauen im Hausarrest; wenige Monate vor seinem Tod zeichnete ihn Papst Johannes XXIII. mit dem persönlichen Titel eines Erzbischofs aus.

Die sowjetischen Behörden erteilten im keine Ausreisegenehmigung für die Teilnahme an der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sein Tod am 20. August 1962 wird in Litauen auf eine Injektion durch eine KGB-Krankenschwester zurückgeführt.

Nach dem Ende des Kommunismus wurde der Seligsprechungsprozess für Matulionis eingeleitet. Papst Franziskus erkannte am 1. Dezember 2016 das Martyrium des Bischofs an.

religion.ORF.at/KAP