Theologe: Müller-Ablöse Ende von Ratzinger-Ära

Die Ablöse von Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation kam alles andere als überraschend - sie markiert vielmehr einen „konsequenten Schritt“ im Pontifikat Papst Franziskus’, so der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff.

Die Entscheidung sei einmal mehr Ausdruck jenes „entschiedenen Stil-, Politik- und Theologiewechsels“, für den Franziskus steht, schreibt Hoff in einem Gastbeitrag in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ (Onlineausgabe). Ein Zeichen des Politikwechsels sei die Ablöse auch insofern, als mit Luis Francesco Ladaria Ferrer ein „Mann aus der zweiten Reihe“ vorgerückt sei. Die Glaubenskongregation habe damit „an Bedeutung verloren“ - und die Ära Ratzinger sei auch theologisch an ihr Ende gekommen, so Hoff: „Eine Epoche geht zu Ende.“

Ablöse seit längerem abgezeichnet

Der Abschied Müllers kam laut Hoff alles andere als überraschend, er habe sich vielmehr bereits seit längerem abgezeichnet - schließlich gehörte Müller „zu den Verlierern des kirchlichen und theologischen Paradigmenwechsels, den Papst Franziskus mit immer klarerem Profil vollzieht“.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

APA/dpa/Andreas Arnold

Kardinal Müller habe „seinen Kredit verspielt“, analysiert Theologe Hoff

Spätestens seit sich Müller auf die Seite des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst geschlagen habe oder etwa der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion eine Absage erteilte habe, habe er „seinen Kredit verspielt“, so der Salzburger Fundamentaltheologe. Bei all dem habe bei Müller indes „nicht einmal die dogmatische Defensive überzeugend“ gewirkt: „Dafür war sie zu sehr auf das geschlossene Kirchensystem der alten societas perfecta getaktet, die ihre Plausibilitäten aus dem Innenraum der eigenen Tradition bezog.“

Politik der Öffnung, klassische Machtmittel

Darüber hinaus markiere die Personalentscheidung des Papstes aber auch einmal mehr jene „Paradoxien der kirchlichen Öffnung“, die den Papst immer wieder auch innerkirchlichen Gegenwind bescheren: Schließlich treibe Franziskus seine Politik der Öffnung mit den klassischen Machtmitteln voran, mit denen er in seinem Amt ausgestattet ist.

Indem er sich aber dieser Mittel bedient, führe er „das Papstamt an seine Grenzen“. Schließlich dränge die franziskanische Theologie ebenso wie die „theologische Grammatik“ des Zweiten Vatikanischen Konzils auf etwas anderes: Auf ein kirchliches Weltverständnis, welches sich von den „realen Nöten der Menschen“ herausfordern lässt und in dem „Innen- und Außenperspektive der Kirche aufeinander verpflichtet“ sind.

So habe sich der Papst im Jahr des Reformationsgedenkens durch seine Personalentscheidung „als radikaler Reformer“ erwiesen - und die Frage, welche Aufgabe Kardinal Müller künftig übernehmen werde, bleibe angesichts dieses radikalen Politik- und Theologiewechsels letztlich „zweitrangig“, so Hoff.

Müller führte „Affront“ herbei

Nach Einschätzung des Regensburger Theologen Wolfgang Beinert sei Müller schon im Frühjahr 2015 auf ein Zerwürfnis mit Papst Franziskus zugesteuert. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk verwies Beinert am Montag auf ein Interview Müllers mit der französischen Zeitung „La Croix“. Darin habe der Kardinal seine Aufgabe als Leiter der Glaubenskongregation mit den Worten umschrieben, sein Job sei es, dem Pontifikat von Franziskus Struktur und Form zu geben.

Mit diesen Worten habe Müller faktisch zum Ausdruck gebracht, „dass der Papst nicht Papst kann“ und der Präfekt der Glaubenskongregation das Porzellan kitten müsse, „dass der Papst zerbricht“, so Beinert. Das sei ein „Affront“ gegenüber Franziskus gewesen.

Amtszeit nicht verlängert

Am Wochenende hatte der Vatikan bestätigt, dass die am 2. Juli zu Ende gegangen fünfjährige Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation nicht verlängert wird. Nachfolger Müllers als Leiter der ältesten Kurienbehörde ist der bisherige Sekretär der Glaubenskongregation, der spanische Kurienerzbischof und Jesuit Luis Francisco Ladaria Ferrer.

Monsignor Luis Francisco Ladaria Ferrer

APA/AP/Riccardo De Luca

Müller-Nachfolger Kurienerzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer

Müller hatte am Sonntag vor Journalisten in Mainz betont, zwischen Papst Franziskus und ihm gebe es keine Auseinandersetzung. Das Verhältnis sei gut. Die Gründe, warum seine Amtszeit nicht verlängert worden sei, kenne er nicht. Zuvor hatte Müller der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ gesagt, der Papst habe ihm mitgeteilt, dass er dazu übergehen wolle, die Amtszeiten generell auf fünf Jahre zu begrenzen, „und da war ich der Erste, bei dem er das umgesetzt hat“.

„Sehr selten“ Anwendung von Fünf-Jahres-Regel

Beinert unterstrich im Deutschlandfunk, dass bis auf den Papst die Arbeitszeit im Vatikan generell auf fünf Jahre befristet sei, auch wenn diese Regel bisher bei Kardinälen „sehr selten“ Anwendung gefunden habe. Müllers Nachfolger Ladaria komme wie der Papst selbst aus dem Jesuitenorden und vertrete mutmaßlich eine ähnliche geistige Grundhaltung wie Franziskus, so Beinert.

Auf die Frage, ob die Ablösung des bisherigen Präfekten auch als Affront gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. zu verstehen sei, der Müller eingesetzt hatte, antwortete Beinert, das sehe er nicht. Franziskus setze andere Akzente als sein Vorgänger und müsse sein Personal danach auswählen. Derartige Unterschiede habe es immer schon gegeben, betonte der Dogmatiker: „Kein Papst war der Klon seines Vorgängers.“

religion.ORF.at/KAP/KNA

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