Pontifex-Experte warnt vor Päpsten in Pension

Der deutsche Historiker und Vatikan-Experte Volker Reinhardt rät von Päpsten in Pension ab. „Ein Ex-Papst in Rente, auf den man sich in Konflikten berufen kann, kann nicht die Zukunft der Kirche sein“, so Reinhardt im Gespräch mit der „Zeit“-Beilage Christ & Welt.

„Das Papsttum soll die Einheit der Kirche verkörpern. Es wäre gefährlich, eine Art Aufsichtsrat der Ex-Päpste zu haben“, so der Historiker und erfolgreiche Buchautor Reinhardt mit Blick auf den zurückgetretenen Benedikt XVI.

„Risiko“ für Kirchenspaltung

Es gebe ultrakonservative Kreise in der Kirche, die dessen Rücktritt nicht als rechtsgültig ansähen und dem amtierenden Papst Franziskus die Legitimität absprächen. Dadurch bestünde ein „gewisses Risiko“ für eine Kirchenspaltung, glaubt Reinhardt.

Papst Franziskus und Benedikt XVI.

APA/Osservatore Romano

Papst Franziskus und Benedikt XVI. im Vatikan: „Risiko“ für eine Kirchenspaltung durch Päpste in Pension?

Kein „Aufsichtsrat der Ex-Päpste“

Der Historiker bezeichnet Benedikt XVI. zudem als einen „Verlierer der Medienlandschaft“. Im Gegensatz zu Papst Franziskus: Dieser beherrsche die Macht der Bilder und knüpfe damit „geschickt an die uralten Traditionen“ an. Schon immer seien Päpste Medienpioniere und Meister der Propaganda gewesen, um ihre Stellung zu sichern.

Papst Franziskus selbst hatte schon 2013 gegenüber Journalisten gesagt, er rechne nicht mit einem langen Pontifikat - mehr dazu in Papst Franziskus: „Mein Pontifikat wird kurz sein“. Es wäre also theoretisch denkbar, dass, sollte er dem Vorbild Benedikts folgen und von seinem Amt zurücktreten, eines Tages zwei „pensionierte“ Päpste im Vatikan leben könnten.

Fixpunkte ohne Befehlstöne

Franziskus habe sich zudem „durch Anerkennung, durch Sympathie und Väterlichkeit“ Autorität erarbeitet, so Reinhardt. „Wenn man den Menschen Fixpunkte bietet, ohne Befehlstöne anzuschlagen, kann das durchaus gelingen.“ Die Menschen ließen sich heute ungern vorschreiben, was sie zu glauben hätten. „Das ist das große Problem der Kirchen“, so der Autor, der nach eigenen Angaben keiner religiösen Glaubensgemeinschaft angehört.

Dennoch sieht der Experte den „Markt für Religion heutzutage grenzenlos“. Das „Unbehagen gegenüber den Naturwissenschaften“ sei groß, weil niemand sich die Dimension von „zig Tausenden von Sternen“ vorstellen könne und wolle. Die Menschen wollen demnach glauben, dass sie im Zentrum des Universums stehen und wichtig sind.

Papsttum muss „kreativ“ sein

„Wenn das Papsttum hier kreativ in die Bresche springen würde und den Menschen mehr als schwer verständliche und unverdauliche Dogmen vergangener Jahrhunderte bieten würde, könnte es wieder attraktiv sein“. Das passiere aber viel zu wenig. „Die Kirchen sind heute eher politisch und sozial engagiert, dadurch klaffen Lücken. Die Menschen füllen das aus, indem sie sich eine private Religion schaffen.“

Die „Zeit“ veröffentlichte Auszüge aus dem Interview am Mittwoch in einer Vorabmeldung. Volker Reinhardt ist einer der bekanntesten Historiker für die Neuzeit. Er lehrt als Professor an der Universität Fribourg. Im Februar 2017 erschien sein Buch „Pontifex. Die Geschichte der Päpste. Von Petrus bis Franziskus“ im Verlag C.H. Beck, das schon jetzt ein Standardwerk ist. Zuvor veröffentlichte er die Biografie: „Luther, der Ketzer. Rom und die Revolution“.

Ein spannendes Ergebnis aus seinem Buch „Pontifex“ sei für ihn selber gewesen, „wie umstritten Papstwahlen zu jeder Zeit waren und dass sich durch die Jahrhunderte hindurch ein gewisser Menschentypus als siegreich profiliert - der Kompromisskandidat“.

religion.ORF.at

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