UN-Aktionsplan für Religionsführer gegen Gewalt

Der erste Aktionsplan der Vereinten Nationen für religiöse Führungspersönlichkeiten, die Aufhetzung zur Gewalt verhindern wollen, ist am Wochenende in New York präsentiert worden. Beteilgt war auch das in Wien ansässige Dialogzentrum KAICIID.

Der Aktionsplan wurde in zwei Jahren vom UN-Büro für die Verhinderung von Völkermorden gemeinsam mit dem Weltkirchenrat, dem Wiener König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog und dem „Netzwerk für religiöse Friedensstifter“ erarbeitet. Präsentiert wurde der Plan von UN-Generalsekretär Antonio Guterres.

An den Konsultationen nahmen 232 religiöse Führungspersönlichkeiten aus 77 Ländern teil. 30 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Alle religiösen Traditionen waren vertreten, auch zahlenmäßig kleinere wie die Baha’i oder die Jesiden, berichtete der „Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich“ (ÖRKÖ) am Montag in einer Presseaussendung.

Gewaltaufrufe zugenommen

Notwendig wurde der Plan, weil in den vergangenen Jahren eine „alarmierende Zunahme von Hassreden und Aufrufen zur Gewalt gegen bestimmte Einzelpersonen oder Gemeinschaften aufgrund ihrer Herkunft oder Identität“ zu verzeichnen ist, wie Peter Kaiser, Pressesprecher von KAICIID in einer Aussendung erklärt.

KAICIID Generalsekretär Faisal Bin Muaammar bei den UN (Vereinten Nationen) in New York, bei der Präsentation des Aktionsplan für Religionsführer gegen Gewalt

KAICIID

KAICIID Generalsekretär Faisal Bin Muaammar (auf dem Bildschirm) bei den UN

Der Aktionsplan ist das erste Dokument, das die Rolle und Verantwortung der religiösen Führungspersönlichkeiten bei der Verhütung von Aufhetzung zur Gewalt in den Vordergrund stellt. Im Hinblick auf dieses Ziel werden im Aktionsplan kontextspezifische regionale Strategien entwickelt.

Die Implementierung des Aktionsplans könne laut ÖRKÖ wesentlich zur Verhinderung von Hassverbrechen beitragen, „vor allem in Gebieten, die durch religiöse Spannungen gekennzeichnet sind“. Zugleich könne so ein wesentlicher Beitrag zur Respektierung, zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte - „einschließlich der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit und der Versammlungsfreiheit“ - geleistet werden.

Guterres: „Plan kann Menschenleben retten“

UN-Generalsekretär Guterres betonte bei der Präsentation, dass „alle Religionen den Respekt vor dem Leben lehren und die Menschen als fundamental gleich betrachten. Diese Prinzipien fordern von uns den Respekt vor allen Menschen, auch vor jenen, mit denen wir tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten haben“.

Er trete für die weitestmögliche Verbreitung und umgehende Implementierung des Aktionsplans ein, sagte Guterres: „Das kann helfen, Menschenleben zu retten. Und es hilft bei der Realisierung der gemeinsamen Vision von friedlichen, inklusiven und gerechten Gesellschaften, in denen Verschiedenheit gewürdigt wird und wo die Rechte aller Personen geschützt werden“.

Religiöse Führer „einflussreich“

Adam Dieng, der Spezialberater der Vereinten Nationen zur Verhinderung von Völkermorden, unterstrich die primäre Verantwortung der Staaten für den Schutz aller Bevölkerungsgruppen vor Hassverbrechen oder vor der Aufhetzung zur Gewalt. Aber religiöse Führungspersönlichkeiten könnten in diesem Bereich besonders einflussreich sein, weil sie das Verhalten der Gläubigen ihrer Gemeinschaften zu beeinflussen vermögen.

Die stellvertretende Generalsekretärin des Weltkirchenrats, Isabel Apawo Phiri, erinnerte daran, dass es heute leider Gruppierungen gebe, die „in schamloser Weise“ angeblich religiöse Rechtfertigungen für die unmenschliche Gewalt vorbringen, die sie verüben. Zweifellos sei es notwendig, die jeweils eigenen Traditionen und Interpretationen auf Quellen für Gewalt gegen andere zu untersuchen. Aber es sei auch von besonderer Bedeutung, die viel umfangreicheren religiösen Ressourcen für Frieden und Gerechtigkeit nicht ungenützt zu lassen.

Gewalt gegen Andergläubige

Auch der Generalsekretär des Wiener KAICIID-Zentrums, Faisal Bin Muammar, verwies auf die besorgniserregende Zunahme der Aufhetzung zur Gewalt gegen Andersgläubige sowie des Missbrauchs der Religion für die Rechtfertigung von Gewalt.

In der Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen habe es leider auch den Trend gegeben, religiöse Führungspersönlichkeiten auszuschließen. Aber der einzige Weg zur Erarbeitung von wirksamen Lösungsvorschlägen sei es, dass sich Politiker, religiöse Führungspersönlichkeiten und Repräsentanten der Zivilgesellschaft an einen Tisch setzen.

Verhinderung von Gewalt „mehrschichtige Aufgabe“

Erste Zielgruppe des Aktionsplans sind die religiösen Führungspersönlichkeiten. Aber der Plan enthält auch detaillierte Empfehlungen für die Repräsentanten der staatlichen Institutionen, der Organisationen der Zivilgesellschaft und der Medien - sowohl der herkömmlichen als auch der neuen"social media". Die Verhinderung von Hassverbrechen und der Aufhetzung zur Gewalt wird im Aktionsplan als „mehrschichtige Aufgabe“ gesehen, die nur dann erfolgreich wahrgenommen werden kann, wenn die unterschiedlichen Akteure zur Zusammenarbeit bereit sind.

Die regionalen Konsultationen zur Erarbeitung des Aktionsplans fanden im Rahmen des sogenannten „Fez-Prozesses“ (#FezProcess) statt. Die erste Konsultation erfolgte im April 2015 in der marokkanischen Königsstadt Fez, es folgten Treviso im September 2015, Amman im November 2015, Washington im Februar/März 2016, Addis Abeba im Mai 2016 und Bangkok im Dezember 2016.

religion.ORF.at/KAP

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