IKG-Präsident: Gute Beziehungen fördern

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, hat ein Buch über die Zukunft des Judentums in Europa herausgegeben. Was sich er für die Zukunft wünscht und wie er aktuelle Entwicklungen sieht, lesen Sie hier.

„Die Zukunft Europas und das Judentum – Impulse zu einem gesellschaftlichen Diskurs“, heißt das kürzlich im Böhlau-Verlag erschienene Buch. Es umfasst Beiträge von namhaften Autorinnen und Autoren wie dem muslimischen Politikwissenschafter Bassam Tibi, Ronald Lauder, dem Präsident des World Jewish Congress und Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie alle führen ihre Positionen aus. Aber wie nimmt Deutsch selbst das Judentum in Europa bzw. in Österreich heute wahr?

Sendungshinweise

Religion aktuell, Freitag, 11.8.2017, 18.55 Uhr, Ö1

Erfüllte Zeit, Sonntag, 13.8.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Es habe sich viel verändert, sagt Herausgeber Deutsch in der Ö1-Sendung „Erfüllte Zeit“ am 13.8.2017. Europa werde von Terror heimgesucht, der Antisemitismus sei im steigen begriffen. Personen aus seinem Umfeld hätten ihn immer wieder darauf angesprochen, wie es mit dem Judentum in Europa weitergehen werde.

IKG-Präsident Oskar Deutsch, am Montag, 13. April 2015, anl. der Veranstaltung der IKG und der ÖBB zum Thema "Gedenken zum Jom Haschoa" in Wien

APA/Helmut Fohringer

IKG-Präsident Oskar Deutsch

Er hätte zwar lieber Wortmeldungen zu Themen wir Bildung oder das Entwickeln von positiven Zukunftsszenarien herausgegeben, aber derzeit sei eben der Antisemitismus in Europa und auch in Österreich eine besondere Herausforderung und zwar in unterschiedlichen Erscheinungsformen.

Mehrere Erscheinungsformen des Antisemitismus

„Wir haben es mit dem traditionellen Antisemitismus der rechten Seite zu tun, wir haben es mit dem Antisemitismus der linken Seite zu tun, und wir haben es mit einem sogenannten muslimischen Antisemitismus zu tun.“ Und er wolle die Arten des Antisemitismus nicht aufwiegen. Interessant sei aber, wenn er Aussagen von FPÖ-Politikern kritisiere, also rechten Antisemitismus, dann konterten sie, das sei ja gar nichts, der Antisemitismus heute komme von der islamistischen Seite.

Buchhinweis

Oskar Deutsch (Hg.), Die Zukunft Europas und das Judentum - Impulse zu einem gesellschaftlichen Diskurs. Verlag Böhlau, 193 Seiten.

Wenn er dagegen islamistischen Antisemitismus aufdecke, kämen Muslime und sagten: „Konzentriert euch lieber auf den Antisemitismus von rechts“. „Und inzwischen gibt’s natürlich noch den immer stärker werdenden Antisemitismus oder Antizionismus gegen Israel, der als Antisemitismus bezeichnet werden muss, also da braut sich etwas zusammen, was unerträglich ist“, so Deutsch.

Kritik muss verhältnismäßig sein

Dieses relativ neue Phänomen ortet er vor allem im Bereich der politischen Linken und es sei vergleichsweise schwer fassbar. Denn die Politik eines Staates mit Skepsis zu betrachten, gegebenenfalls auch Widerspruch zu erheben, das sei legitim, unterstreicht Deutsch. Wenn allerdings mit zweierlei Mass gemessen werde, wenn die Kritik an Israel unverhältnismässig werde, dann sei die Grenze zum Antisemitismus überschritten. Er nennt ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Metalldetektoren, die die israelischen Behörden am Zugang zum Tempelberg errichtet haben, nachdem drei Israelis in der Nähe getötet wurden. Der Tempelberg ist in der jüdischen und muslimischen Tradition heilig.

Wenn an diesen Sicherheitsmaßnahmen, die der gesamten Bevölkerung Sicherheit bieten würden, Kritik geübt werde, ist für den IKG-Präsidenten die Grenze zum Antisemitismus überschritten. Immerhin würden Metalldetektoren auch die Sicherheit muslimischer Gläubiger gewährleisten. Und sie seien auch im religiösen Bereich nicht unüblich, etwa bei Großveranstaltungen auf dem Petersplatz in Rom.

Verhältnis Europa-Israel wie gute Ehe

Das Verhältnis zwischen Europa und Israel wünscht er sich gut-nachbarschaftlich. Israel sei die einzige Demokratie in dieser Region und zudem sehr fortschrittlich. Auch würden viele Europäer in Israel leben, daher seien gute Beziehungen wichtig. „Es ist wie in einer Ehe, ein Geben und Nehmen und ich glaube Israel kann auch sehr viel geben“, so Deutsch.

Mitunter wird Israel auch als die bessere Wahl dargestellt. Als Reaktion auf antisemitisch motivierte Terrorattacken beispielsweise kam aus Israel eine Einladung an geschockte, jüdische Französinnen und Franzosen: sie sollten nach Israel kommen und dort leben. Dort seien sie geschützt. Davon hält Deutsch nicht viel. „Ich bin Präsident der Kultusgemeinde Wien und wünsche mir, dass meine Gemeindemitglieder hier in Wien in Frieden und Ruhe leben können und dafür ist mein ganzer Einsatz da. Ich glaube, die meisten unserer Gemeindemitglieder leben hier in Wien und in ganz Österreich sehr gerne und wir wollen das auch fortsetzen.“

Bildungsinitiativen und Freundschaften

Thema im Buch ist auch das schwierige Verhältnis zwischen Islam und Judentum. Da ist etwa von Flüchtligen die Rede, die in ihrer Heimat indoktriniert wurden und als Folge davon das Judentum als Feindbild sehen. Hier wünscht sich Deutsch gezielte Bildungsaktivitäten etwa Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern, um verzerrte Bilder zurecht zu rücken.

Aber auch von einer interreligiösen Männerfreundschaft ist in dem Buch die Rede: ein Imam und ein Rabbiner - nämlich Ramazan Demir und Schlomo Hofmeister - sind in bestem Einvernehmen miteinander nach Jerusalem gereist.

Gemeinsam für bessere Zukunft arbeiten

Die Beziehungen zwischen Christentum und Judentum bezeichnet Deutsch übrigens als sehr gut, ausdrücklich hebt er die Gesprächsbais mit Kardinal Christoph Schönborn von der römisch-katholischen und Bischof Michael Bünker von der evangelisch-lutherischen Kirche hervor. Was das eigene Profil und den eigenen Auftrag in der Gesellschaft betrifft, so spricht Oskar Deutsch von einem Arbeiten für eine bessere Zukunft, das sei in der jüdischen Religion grundgelegt.

Man habe bewiesen, sich als Teil dieser österreichischen Gesellschaft das Land weiterzubringen. „Und ja, vor dem Krieg waren es zweihunderttausend und jetzt sind es nur noch achttausend, aber was achttausend Leute können, das versuchen wir weiterzugehen“, sagt Deutsch.

Brigitte Krautgartner Ö1, Nina Goldmann Bearbeitung für religion.ORF.at

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