Ordensfrau und Lepraärztin Ruth Pfau gestorben

Die deutsche Lepraärztin und römisch-katholische Ordensfrau Ruth Pfau ist im Alter von 87 Jahren in Pakistan verstorben. Pfau kümmerte sich um Kranke und Ausgestoßene in Armenvierteln und wurde vielfach für ihr Engagement ausgezeichnet.

Sie sei um kurz nach Mitternacht (Ortszeit) in einem Krankenhaus in Karachi friedlich eingeschlafen, bestätigte eine Mitarbeiterin des von Pfau gegründeten Hilfswerks, Salwa Zainab, am Donnerstag. Ende vergangener Woche sei Pfau nach einem Schwächeanfall in ein Spital in Karachi gebracht worden und nun dort friedlich eingeschlafen, berichtete die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe in Würzburg Donnerstagfrüh. Der pakistanische Präsident Mamnoon Hussain sagte, ihr Tod sei ein großer Verlust für Pakistan.

Ruth Pfau

ORF/Marcus Marschalek

Ordensfrau und Ärztin: Ruth Pfau

„Großer Verlust“

„Ruth Pfau hat Hunderttausenden Menschen ein Leben in Würde ermöglicht. Ihr Tod bedeutet für alle, die sie kannten, einen großen Verlust und hinterlässt durch die enge Verbundenheit eine tiefe Trauer“, erklärte der Vorstand der deutschen Ruth-Pfau-Stiftung, Harald Meyer-Porzky. Bis zu ihrem Tod habe sich Pfau für Menschenrechte, Völkerverständigung und die Achtung aller Religionen eingesetzt. Pfau wird den Angaben zufolge ihrem eigenen Wunsch nach in Karachi bestattet.

„Mit ihrer unglaublichen Energie und ihrem starken Glauben hat sie es geschafft, fast unmögliches wahr werden zu lassen“, würdigt der St. Pöltner Caritasdirektor Hannes Ziselsberger das Lebenswerk von Pfau. Die Caritas St. Pölten ist seit zwei Jahrzehnten mit Ruth Pfau verbunden und arbeitet mit ihren Gesundheits- und Schulprojekten sowie mit dem von ihr gegründeten Hilfswerk Marie-Adelaide-Leprosy-Centre (MALC) eng zusammen.

Lepraerkrankungen stark eingedämmt

Pfau war es in den vergangenen knapp sechs Jahrzehnten gelungen, die Zahl der Lepraerkrankungen in Pakistan drastisch zu verringern. Schätzungen zufolge hat sie mit ihrem Team mehr als 50.000 Menschen von Lepra geheilt, wobei die deutsche Ärztin auch durch Spendengelder aus Österreich, etwa vom Aussätzigen-Hilfswerk und der Caritas, unterstützt wurde. Angesichts ihres Einsatzes wurde Pfau in Pakistan nur „Mutter der Leprakranken“ genannt, sondern 1979 auch zur Ehrenbürgerin und nationalen Beraterin für Leprafragen im Rang einer Staatssekretärin ernannt

Als Ärztin in Elendsquartieren

Geboren am 9. September 1929 in Leipzig, kam Pfau nach Kriegsende nach Westdeutschland und studierte Medizin. Im Alter von 22 Jahren ließ sie sich evangelisch taufen, entschied sich aber dann für den Weg in die katholische Kirche und ins Ordensleben. Während einer ärztlichen Weiterbildung in Bonn trat sie 1957 in den Orden der „Töchter vom Herzen Mariä“ ein. 1960 begann sie ihre Arbeit als Lepraärztin in den Elendsquartieren von Karachi.

TV-Hinweis

Die „Orientierung“ widmete Ruth Pfau im Juli 2014 einen Beitrag.

1963 gründete Pfau das mittlerweile legendäre Marie-Adelaide-Lepra-Krankenhaus in Karachi. Über Jahrzehnte bildete die Ordensfrau Leprahelfer aus und baute ein flächendeckendes Behandlungssystem auf, aus dem das pakistanische Lepra-Kontrollprogramm hervorging. Dieses wurde durch das große Erdbeben von 2005 zwar stark in Mitleidenschaft gezogen, ist aber wieder hergestellt. Pfaus Organisation MALC beschäftigt derzeit in ganz Pakistan rund 600 Mitarbeiter.

Aufbau eines Gesundheitsdienstes

1980 reiste Pfau erstmals nach Afghanistan, um auch hier zehn Jahre lang zum Aufbau eines Gesundheitsdienstes beizutragen. Ihre Organisation war eine der wenigen, die sowohl während der Besatzung durch die damalige Sowjetunion als auch in der Zeit der Taliban im Land bleiben konnte. In Zeiten der Massenflucht aus Afghanistan baute Pfau in Pakistan Auffanglager für die Schutzsuchenden in Pakistan auf.

Ärztin und Ordensfrau Ruth Pfau

ORF/Marcus Marschalek

In Karachi bildete Ruth Pfau Leprahelfer aus und baute ein flächendeckendes Behandlungssystem auf

Mit 65 Jahren übergab Pfau die Leitung ihrer Einrichtung und ging vorübergehend zurück ins Kloster. Nach zwei Jahren kehrte sie jedoch auf Wunsch ihres Nachfolgers Mervyn Lobo nach Pakistan zurück. Seither lebte sie in einer kleinen Wohnung ihres Spitals in Karachi und arbeitete weiterhin in der Behandlung der Patienten sowie in der Suche nach Spendern mit.

„Dem helfen, an dem man vorbeigeht“

„Wir können nicht jedem helfen. Aber so wie in dem biblischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter geht es darum, dem zu helfen, an dem man gerade vorbeigeht“, sagte die Ordensfrau vor zwei Jahren in einem ORF-Interview anlässlich ihres 85. Geburtstags. Zum Christentum sei „zweifellos auch wegen der Ungerechtigkeiten in der Welt“ gekommen: „Ich glaube, dass das Christsein von vielen Menschen als viel zu naiv, bürgerlich, risikolos angesehen wird.“

Für ihr Engagement wurde die Ärztin mehrfach ausgezeichnet: Unter anderem erhielt sie das deutsche Große Bundesverdienstkreuz, die pakistanische Ehrenbürgerschaft, den höchsten pakistanischen Zivilorden, die Albert-Schweitzer-Medaille in Gold, den „Marion-Dönhoff-Preis“ und den deutschen Fernsehpreis Bambi als „Stille Heldin“.

religion.ORF.at/APA/dpa/KAP

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