Rabbiner: Übernatürliches gehört zur Gesellschaft

Rabbiner Walter Homolka, Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, sieht das Judentum durch die vermeintliche Säkularisierung nicht bedroht. Das Übernatürlich gehöre zur modernen Gesellschaft.

Die Idee, die westlichen Gesellschaften befänden sich im Prozess ihrer Säkularisierung, „hat sich nicht bewahrheitet“, so Homolka im Interview in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“. „Der kürzlich verstorbene Religionssoziologe Peter L. Berger hat uns klar gemacht, dass das Übernatürliche zur modernen Gesellschaft gehört“, so Homolka wörtlich.

Walter Homolka

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Rabbiner Walter Homolka

Liberales Judentum

Im Juli wurde Homolka zum Präsidenten der „Union progressiver Juden in Deutschland“ gewählt. Die Union vertritt als Körperschaft des öffentlichen Rechts 26 jüdische Gemeinden des liberalen Judentums. Der Dachverband, der vor 20 Jahren von Homolka selbst mitbegründet wurde, sei „Garant des Pluralismus innerhalb des Judentums“. Homolka: „Jede Religion macht den Spagat zwischen Kontinuität und Wandel. Für mich ist gerade der Wandel der Schlüssel, dem Judentum treu zu bleiben.“

Liberales Judentum

Im Gegensatz zu orthodoxen jüdischen Gemeinden beten in liberalen Gemeinden Frauen und Männer gemeinsam. Frauen und Männer geben einander die Hand und liberal-jüdische Frauen tragen keine Perücken (Scheitl). Zudem wird Wert auf interkonfessionellen und interreligiösen Dialog gelegt.

Zur Frage, was einen liberalen Rabbiner von einem orthodoxen unterscheidet, meinte Homolka, dass liberale Rabbiner gut balancieren müssten: „Der Tradition treu und offen für die Moderne.“ Weil Vertreter des liberalen Judentums fertige Antworten scheuen, habe etwa Rabbiner Leo Baeck (1873-1956) zu Recht gesagt: „liberal zu sein ist so viel schwerer“. Zwei Dinge sollte jeder gute Rabbiner laut Homolka beherzigen: „Die Menschen lieben und ihnen auf Augenhöhe begegnen.“

Jesus keine Brücke

Der Rabbiner erläuterte weiter, weshalb er Jesus bzw. die Beschäftigung mit Jesus nicht als Brücke zwischen beiden Religionen sieht: „Der Glaube Jesu verbindet Christen und Juden, der Glaube an Jesus trennt sie.“ So habe das etwa der jüdische Religionswissenschaftler Schalom Ben-Chorin (1913-1999) auf den Punkt gebracht.

Zur Frage, wie es zu seiner Entscheidung kam, mit 17 Jahren zum Judentum zu konvertieren, sagte der Rabbiner wörtlich: „Ich habe mich damals nicht gegen etwas entschieden, sondern für etwas: die Vorstellung, dass Gott uns Menschen in seinen Dienst ruft und uns fordert, die Welt der Heilung näher zu bringen. Dabei bleibt Gott selbst unverfügbar und verborgen. Dieser hohe Anspruch an den Menschen als Partner Gottes fasziniert mich noch heute.“

religion.ORF.at/KAP

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