1,3 Millionen bei Gottesdienst mit Papst in Bogota

Papst Franziskus hat bei einer großen Messe in Bogota vor über 1,3 Millionen Menschen die kolumbianische Gesellschaft zu einem gemeinsamen Neuanfang aufgerufen.

Den Menschen in Kolumbien könne es gelingen, „eine wahrhaft lebendige, gerechte und solidarische Gemeinschaft zu werden, wenn sie das Wort Gottes hören und annehmen“, sagte er am Donnerstagabend (Ortszeit) bei dem Gottesdienst zum Abschluss seines ersten Besuchstags in dem südamerikanischen Land. Nach Angaben der Stadtverwaltung nahmen über 1,3 Millionen Gläubige an der Messe unter freiem Himmel im Simon-Bolivar-Park teil. 800.000 waren zuvor erwartet worden.

Papst-Gottesdienst in Bogota

APA/AP/Fernando Vergara

Papst-Gottesdienst in Bogota

Gegen „Finsternis des Rachedurstes“

In seiner Predigt verwies der Papst auf den Fischzug des Petrus als ermutigendes Beispiel für die Kolumbianer. Wie der Fischer, der trotz vieler Arbeit nichts gefangen habe, könnten die Kolumbianer sich mit endlosen Diskussionen aufhalten und gescheiterte Versuche aufzählen, so Franziskus. Wie einst Galiläa sei auch Kolumbien ein fruchtbares, an sich reiches Land - allerdings getrübt von Ungerechtigkeit, Korruption, Missachtung und der „Finsternis des Rachedurstes und des Hasses“.

Petrus aber habe alles hinter sich gelassen, um sich in einen neuen Fischer zu verwandeln - mit großem Erfolg. Auf ähnliche Weise habe es in Kolumbien Menschen gegeben, die zuerst „Initiativen des Friedens und des Lebens“ ergriffen hätten. „In Bogota und in Kolumbien ist eine sehr große Gemeinschaft unterwegs, gerufen, ein robustes Netz zu werden, das alle in der Einheit versammelt“, betonte der Papst. Er rief zugleich zu besonderem Einsatz für den Schutz des Lebens auf, vor allem dann, wenn es schwach sei: im Mutterschoß, als Säugling, als alter, kranker und ausgegrenzter Mensch.

Papst-Gottesdienst in Bogota

Reuters/Henry Romero

Papst Franziskus predigte im Simon-Bolivar-Park

Im Simon-Bolivar-Park hatte 1986 auch Johannes Paul II. (1978-2005) eine große Messe gefeiert. Damals stand das Gedenken an die Katastrophe von Armero im Mittelpunkt. Die Stadt war im November 1985 durch eine Schlamm- und Gerölllawine nahezu ausgelöscht worden, 25.000 Menschen starben.

Erzbischof bekräftigt Friedenseinsatz der Kirche

Eine Selbstverpflichtung der Kirche Kolumbiens für den Einsatz zur Versöhnung im Land sprach Bogotas Erzbischof Ruben Salazar Gomez am Ende der Messfeier vor dem Papst aus. Besonders dem Lebensschutz, den Opfern von Ungerechtigkeit und Gewalt wolle man sich widmen, sowie auch den Armen, Kranken, Schwachen und Verletzlichen der Gesellschaft. „Wir werden mit Nachdruck dafür weiterkämpfen, dass sich Gerechtigkeit und Frieden durchsetzen“, so der Kardinal.

Notwendig sei das, da der Bürgerkrieg und die Gewalt im Land große Teile der Bevölkerung Kolumbiens in die Armut gestürzt habe; Millionen fehle sogar die grundlegendsten Dinge für ein Leben in Würde wie Ernährung, Gesundheit, Arbeit, ein Dach über dem Kopf oder eigenes Land, sagte Salazar. Das Evangelium sei vor diesem Hintergrund „wie Balsam“, bringe Trost, Hoffnung und Frieden und ermutige zu solidarischem Einsatz für die Zukunft des Landes.

Treffen mit Venezuelas Bischöfen

Nach der Messe begrüßte der Papst die beiden venezolanischen Kardinäle Baltazar Porras Cardozo und Jorge Urosa Savino sowie drei weitere Bischöfe aus dem Nachbarland und unterhielt sich kurz mit ihnen, wie ein Vatikansprecher anschließend mitteilte. Die Oberhirten hatten mit anderen ausländischen Bischöfen auf Einladung der Kolumbianischen Bischofskonferenz an dem Gottesdienst teilgenommen. Zuvor hatte der der Vatikan zu Spekulationen über eine Begegnung des Papstes mit venezolanischen Bischöfen betont, es werde kein formelles Treffen stattfinden.

„Verzweifelte Situation“

Kardinal Urosa hatte laut kolumbianischen Medien kurz vor der Messe am Donnerstag erklärt, er wolle den Papst über die „wirklich verzweifelte Situation“ in Venezuela informieren. Dabei verwies er auf die humanitäre Krise, sagte aber auch, er wolle die „ernste politische Lage“ ansprechen. Venezuelas Präsident Nicolas Maduro tue alles, um ein totalitäres und marxistisches System zu errichten, so Urosa.

Papst Franziskus selbst hatte auf dem Weg nach Kolumbien am Mittwoch zum Gebet für Venezuela aufgerufen. Das Land müsse zu einer „guten Stabilität“ und zu einem Dialog mit allen finden, sagte er vor mitreisenden Journalisten. Während des Überflugs über Venezuela sandte er wie bei solchen Anlässen üblich ein Grußtelegramm an den Staatspräsidenten. Abweichend jedoch von Standardformulierungen mahnte er darin zu nationaler Einheit und Rechtsstaatlichkeit. Er bete, „dass alle im Land Wege der Solidarität, Gerechtigkeit und Eintracht ebnen“, schrieb er an Maduro.

Papst: „Ich bin sehr verletzbar“

Als der Papst im Papamobil den Simon-Bolivar-Park in Richtung Apostolischer Nunziatur verließ, wurden die bereits zwölf Stunden vor Ort verharrenden Gottesdienstbesucher von einem großen Feuerwerk überrascht, gefolgt von einem Konzert mit namhaften Künstlern Kolumbiens.

Papst Franziskus begrüßt Gläubige in der Nunziatur in Bogota

APA/AFP/John Vizcaino

Papst Franziskus begrüßt Gläubige in der Nunziatur in Bogota

Wie bereits bei seiner Ankunft am Vortag, wurde der Papst auch am Donnerstagabend vor der Nunziatur von einer großen Menschenmenge erwartet, darunter auch etliche Senioren, Studenten, Musiker und Menschen mit Behinderungen. Ein Mädchen einer Gruppe von Frauen mit Trisomie 21 richtete an den Papst eine Botschaft, in der sie ihn um Einsatz dafür bat, dass „Verletzbarkeit“ als „Wesensmerkmal der Menschheit“ anerkannt werde.

Der Papst war sichtlich berührt, bedankte sich und bekannte: „Ich bin selbst sehr verletzbar. Alle sind wir verletzbar.“ Er rief dazu auf, dass Verletzbarkeit respektiert und mit Zärtlichkeit behandelt werde; so könne diese menschliche Eigenschaft „Früchte für die anderen“ bringen.

religion.ORF.at/KAP

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