Schönborn: „Unrechtssituationen direkt ansprechen“

Kardinal Christoph Schönborn hat am Sontag dazu ermutigt, Situationen des Unrechts direkt anzusprechen und erneut eine Lanze für Migranten gebrochen. Bischof Erwin Kräutler sprach in derselben Messe von seinem Einsatz in Brasilien und sein Leben mit Morddrohungen.

Oft falle es schwer, Menschen direkt zu konfrontieren, vor allem wenn es sich dabei und Leitungspersonen etwa in Kirche, Politik oder Wirtschaft handle, sagte der Wiener Erzbischof bei der Maria-Namen-Feier der Rosenkranz-Sühnekreuzzug-Gebetsgemeinschaft (RSK) vor mehreren Tausend Gläubigen im Stephansdom. Die entsprechende Anweisung Jesu in der sogenannten Gemeinderegel des Matthäusevangeliums sei allerdings klar.

Als „einer der ganz großen mutigen Heiligen, die sich getraut haben, das Unrecht direkt anzusprechen und anzugehen“, habe der Heilige Pedro Claver (1580-1654) eine Vorbildfunktion, so Schönborn. Der spanische Jesuitenmissionar nahm sich zur Hochzeit des Sklavenhandels im 16. und 17. Jahrhundert im heute kolumbianischen Cartagena der damals in Lateinamerika ankommenden Sklaven aus Afrika an.

Kräutler gab Glaubenszeugnis

Schönborn schlug hier eine Brücke zum aus Österreich stammenden „Amazonas-Bischof“ Erwin Kräutler, der bei der Maria-Namen-Feier ein Glaubenszeugnis gab. Kräutler setze sich als mittlerweile emeritierter Bischof von Xingu bis heute unermüdlich für die Rechte der indigenen Bevölkerung in Brasilien ein, erinnerte der Kardinal.

Kardinal Christoph Schönborn im Stephansdom

Kathpress/Franz Josef Rupprecht

Kardinal Christoph Schönborn

Einmal mehr brach Schönborn auch eine Lanze für Migranten, Asylwerber und Flüchtlinge. „Ich weiß, das Thema ist in Österreich jetzt sehr stark zurückgedrängt worden, aber die Not ist nicht aus der Welt geschafft“, hielt der Kardinal fest. Er räumte ein, „dass wir nicht alle aufnehmen können“, das erwarte auch niemand, „aber ich bitte jeden von uns, ein Flüchtlingsschicksal persönlich kennenzulernen“, rief der Wiener Erzbischof auf. Es könne nicht „alle Not der Welt“ gelöst werden, „aber es ist notwendig, dass wir wissen, was es heißt, die Heimat verlassen zu müssen“.

Flüchtlingsschicksal persönlich kennenlernen

Respekt und Toleranz forderte der Kardinal auch für Menschen ein, die aus wirtschaftlichen Gründen aus ihren Heimatländern flüchten. Er erinnerte an die vielen Europäer, die nach dem Krieg aus Perspektivenlosigkeit etwa in die USA ausgewandert seien: „Auch das waren Menschen, die nichts mehr zu essen und keine Perspektive mehr hatten.“

In der Diskussion um Flüchtlinge gehe es schließlich immer um Menschen, um die Not, die oft unbeschreiblich sei. Schönborn verwies auch auf jene 250 Erwachsene, die sich in der Erzdiözese im Vorjahr taufen hätten lassen, 200 von ihnen seien früher Muslime gewesen: „Wenn wir als Christen so leben, dass das Christentum anziehend ist, dann bin ich mir sicher, viele Menschen, viele Muslime werden die Freude des Evangeliums entdecken und diesen Weg finden.“

Die Maria-Namen-Feier der 1947 vom Franziskanerpater Petrus Pavlicek (1902-1982) gegründeten Rosenkranz-Sühnekreuzzug-Gebetsgemeinschaft (RSK) wird seit 1958 jährlich in Wien abgehalten. Die zweitägige Feier am Samstag und Sonntag im Stephansdom war einer der Höhepunkte im heurigen Jubiläumsjahr, das der RSK zu seinem 70-jährigen Bestehen unter dem Motto „Beten für den Frieden“ begeht.

Kräutler: „Fast depressiv“ wegen Morddrohungen

Bischof Kräutler, dem sein Einsatz vor allem für die indigene Bevölkerung Brasiliens mächtige Feinde beschert hat, legte im Dom ein Glaubenszeugnis ab. Der 78-jährige Bischof steht seit vielen Jahren wegen Morddrohungen unter Polizeischutz. Eine „Katastrophe“, die „mich damals fast depressiv“ werden ließ, weil „meine Freiheit total eingeschränkt“ war, schilderte er bei der Maria-Namen-Feier. Was ihm immer wieder aus tiefen Löchern helfe, sei der Rosenkranz.

Bischof Erwin Kräutler

Kathpress/Franz Josef Rupprecht

Bischof Erwin Kräutler

Von seinem Weg abgebracht haben ihn die Morddrohungen nicht. Bis heute gilt der Polizeischutz - „wenn ich wieder in Brasilien lande, erwarten mich zwei Polizisten“ - und bis heute setzt sich Kräutler für die indigene Bevölkerung ein. Ein Engagement, das dringend notwendig sei, denn in Brasilien „leben wir in einer Zeit, die ich nie so erwartet hätte“. Mittlerweile sein zwar die Rechte der indigenen Bevölkerung in der brasilianischen Verfassung verankert, „leider Gottes gibt es aber Kräfte und Mächte, die gegen die Indios arbeiten und ihre Rechte wieder auslöschen wollen“.

„Tod Indigener beschlossen“

Erst vor ein paar Wochen habe der aktuelle brasilianische Präsident verfügt, ein Gebiet so große wie Dänemark, in dem Indios leben, für multinationale Gesellschaften freizugeben. „Damit ist der physische und kulturelle Tod der indigenen Bevölkerung bescheinigt und beschlossen“, so Kräutler. Einmal mehr übte er auch Kritik am Wasserkraftwerk Belo Monte, ein Projekt, bei dem „auch ein ganzes Volk auf der Strecke bleibt“.

Sein Leben sei immer ein Auf und Ab gewesen; was ihm immer wieder helfe, schwere Zeiten durchzustehen, sei das Rosenkranz-Gebet. Mit elf Jahren trat er der Bewegung „Rosenkranz-Sühnekreuzzug“ bei. Kräutler erwähnte etwa den Tod eines seiner Mitbrüder bei einem Autounfall, die Ermordung eines Mitbruders und einer Ordensfrau in Brasilien aber auch die immer wieder vorgebrachten Morddrohungen gegen ihn.

Eine wichtige Rolle spiele der Rosenkranz auch in vielen brasilianischen Gemeinden. „Das ist oft das einzige Gebet, das sie kennen.“ In der Praxis werde an Samstagen der Rosenkranz gebetet und am Sonntag ein Wortgottesdienst gehalten. Eine richtige Messe feiern viele brasilianischen Gemeinden nur selten. Grund dafür sei der Priestermangel in dem südamerikanischen Land. „Wir haben 800 Gemeinden und nur 30 Priester“, so der frühere Diözesanbischof von Xingu.

religion.ORF.at/KAP

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