Verhüllungsverbot tritt am Sonntag in Kraft

In Österreich tritt am Sonntag das Verhüllungsgesetz in Kraft. Wer dann in der Öffentlichkeit seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, muss mit Geldstrafen rechnen.

Diese können bis zu 150 Euro ausmachen. Die Polizei kündigte an, mit „Fingerspitzengefühl“ vorzugehen. Politisch zielt das vor dem Sommer von SPÖ und ÖVP beschlossene Gesetz zwar auf den Geschichtsschleier konservativer Musliminnen, formuliert wurde es aber „religionsneutral“. Ausnahmen vom Verschleierungsverbot gibt es aus gesundheitlichen Gründen, bei Traditionsveranstaltungen (Fasching) und wenn die „Verhüllung“ beruflich notwendig ist (Clowns, Handwerker, Mediziner).

Bis hin zu Festnahme

Es gibt einen Informationsfolder auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch. Außerdem wurden Botschaften, internationale Organisationen und die islamische Glaubensgemeinschaft informiert. Wer sich verhüllt, begeht ein Verwaltungsdelikt.

Grafik zum Verhüllungsverbot

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BMI

Wird der Aufforderung der Polizei, die Verhüllung abzulegen, nachgekommen, soll keine Strafe ausgesprochen werden. Wird die Abnahme jedoch verweigert, wird die betreffende Person zur Identitätsfeststellung festgenommen und in der Folge ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Schönborn: „Zu starker Eingriff“

Der algerisch-französische Geschäftsmann Rachid Nekkaz kündigte bereits an, so wie in anderen Ländern mit Burkaverbot die von der österreichischen Polizei ausgesprochenen Strafen zu bezahlen - mehr dazu in Nikab-Verbot: Millionär will Strafen zahlen. „Wenn man die Religionsfreiheit akzeptiert, muss man auch die Sichtbarkeit der Religionen akzeptieren“, so Nekkaz. Auch Österreichs Bischöfe übten Kritik an einem allgemeinem Verhüllungsverbot. Für Kardinal Christoph Schönborn ist es ein „zu starker Eingriff in die zivilen Freiheiten“.

In der Tourismusbranche ist man mit dem Verbot ebenfalls nicht glücklich, aber in den Wortmeldungen zurückhaltend. Die Tourismusobfrau der Wirtschaftskammer, Petra Nocker-Schwarzenbacher, meinte, jede Hürde sei ein Nachteil. Tourismus heiße auch Toleranz und „dass wir Gäste aller Kulturen willkommen heißen“. Wie sich das Verbot auf den Tourismus auswirke, „wird auch von der Handhabung abhängen“.

Nikab-Trägerin in der Wiener Innenstadt

APA/Roland Schlager

Nikab-Trägerin in der Wiener Innenstadt

In Ländern, in denen der Islam die vorherrschende Religion ist, hat man zum Teil auf das Verbot reagiert. So habe die Botschaft von Oman in Wien an die Bürgerinnen und Bürger des Landes eine Reisewarnung ausgesprochen, wie der „Kurier“ (Donnerstag-Ausgabe) berichtete. Das österreichische Außenministerium sagte am Freitag, es habe sich dabei nur um einen „Tweet über das neue Gesetz“ gehandelt.

Österreich ist mit dem Verhüllungsverbot nicht allein, in mehreren Ländern Europas gibt es bereits ähnliche Regeln. Frankreich war das erste europäische Land, das im April 2011 das Tragen von Vollverschleierung in der Öffentlichkeit untersagte. In einem europaweit maßgeblichen Urteil billigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Verbot 2014 und wies die Beschwerde einer französischen Muslimin zurück.

Verbote auch in anderen Ländern

In Belgien gilt ein Verbot seit Juli 2011. Wer dort sein Gesicht im öffentlichen Leben so verhüllt, dass er oder sie nicht mehr zu identifizieren ist, muss mit einer Geldstrafe oder im Extremfall mit mehreren Tagen Haft rechnen. Das Verfassungsgericht wies wenige Monate später eine Klage zweier Frauen zurück, die das Verbot kippen wollten.

In den Niederlanden sind Ganzkörperschleier (wie Burka) und Gesichtsschleier (wie Nikab) in öffentlichen Gebäuden verboten. Das 2016 mit großer Mehrheit im Parlament beschlossene Verbot gilt für staatliche Gebäude, im öffentlichen Nahverkehr, in Schulen und in Krankenhäusern. Bei einem Verstoß droht eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro. In den Niederlanden gibt es nach Schätzungen der Regierung rund 100 muslimische Frauen, die eine Burka oder einen Nikab tragen.

Europaweit unterschiedliche Regeln

Auch in Bulgarien ist das öffentliche Verhüllen seit 2016 verboten. Das Parlament begründete das mit der Verteidigung der nationalen Sicherheit in Zeiten drohender Terrorgefahr. Ausnahmen gibt es für Gebetshäuser, im Beruf und beim Sport. Bei einem Verstoß drohen Geldstrafen von umgerechnet bis zu 750 Euro.

Seit Juli 2016 ist ein Verschleierungsverbot im Schweizer Ferienkanton Tessin in Kraft. Bei einem kantonalen Referendum hatte 2013 eine Mehrheit dort dafür gestimmt. Im September 2016 stimmte das Parlament in Bern knapp dem Antrag der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu, ein landesweites Verbot gesetzlich zu verankern.

Länder teils mit Einzelbestimmungen

Der Ständerat - die kleine Parlamentskammer mit den Vertretern der 26 Schweizer Kantone - ist aber dagegen. 2018 oder 2019 könnte ein generelles Verbot dennoch kommen, die SVP-nahe Initiative „Ja zum Verhüllungsverbot“ hatte Mitte September genug Unterschriften für eine Volksabstimmung beisammen.

In Spanien gilt zwar kein landesweites Verbot, in großen Teilen Kataloniens gab es jedoch lokale Verschleierungsverbote, die allerdings von Gerichten aufgehoben wurden. In Italien erübrigt sich ein Verbot, da das italienische Vermummungsverbot nicht nur für Versammlungen gilt, sondern ganz allgemein in der Öffentlichkeit.

In Deutschland gibt es kein generelles Verbot, allerdings mit Ausnahmen: Als erstes Bundesland erließ Hessen 2011 ein Verbot, das aber nur im öffentlichen Dienst gilt. Ein deutschlandweites Verbot wurde aber immer wieder diskutiert. Rege Debatten über ein Verhüllungsverbot gab es auch in Dänemark und Norwegen sowie den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.

religion.ORF.at/APA

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