Missbrauchsverfahren: Kardinal Pell muss aussagen

Im Missbrauchsverfahren gegen den australischen Kardinal George Pell muss sich der prominente Papstberater ab 5. März 2018 einer umfassenden inhaltlichen Anhörung stellen.

Das Amtsgericht in Melbourne befand am Freitag in seiner nur 20 Minuten dauernden zweiten Sitzung, das von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Beweismaterial rechtfertige die Eröffnung einer Anhörung, berichteten die deutsche und die österreichische katholische Nachrichtenagentur. Am Ende dieser vierwöchigen Vorverhandlung zur Beweisaufnahme („committal hearing“) werde das Gericht aufgrund der Aussagen von rund 50 Zeugen und einem „voluminösen“ Beweismaterial über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Pell entscheiden.

Proteste vor Gericht

Pell wurde zu Beginn seiner gerichtlichen Anhörung wegen Missbrauchsvorwürfen in Australien von einer wütenden Menge begrüßt. Demonstranten erwarteten den Ex-Finanzchef des Vatikans am Freitag in der Früh (Ortszeit) vor dem Gericht in Melbourne und beschimpften ihn, wie australische Medien berichteten. „Es ist egal, wie weit oben man im Baum sitzt oder wie viel Geld man hat - niemand steht über dem Gesetz“, sagte ein Demonstrant.

Kardinal George Pell

Reuters/Mark Dadswell

Kardinal George Pell steht im Verdacht, selbst Burschen sexuell missbraucht zu haben und andere Missbrauchsfälle vertuscht zu haben

50 Zeugen geladen

Zu der Anhörung sind rund 50 Zeugen geladen, wie die australische Nachrichtenagentur AAP berichtete. Am Ende soll ein Untersuchungsrichter entscheiden, ob die Beweise gegen den 76-Jährigen für einen Prozess ausreichen. Er hat alle Vorwürfe abgestritten. Der ehemalige Erzbischof von Melbourne und Sydney ist der ranghöchste katholische Geistliche, der sich bisher einem Missbrauchsverfahren stellen musste.

Pells Anwalt Robert Richter kündigte an, die Verteidigung werde beweisen, dass einige der Dinge, die seinem Mandanten vorgeworfen werden, niemals stattgefunden hätten. Einzelheiten der Anklage wurden auch in der Sitzung am Freitag nicht bekannt. Papst Franziskus hatte den 76-jährigen Kurienkardinal für die Prozessdauer von seinen Aufgaben als Finanzminister des Vatikans freigestellt.

Verdacht auf sexuellen Missbrauch

Wie schon beim Beginn des historischen Verfahrens Ende Juli war Pell auch am Freitag vor Gericht persönlich anwesend. Das Interesse der Öffentlichkeit war jedoch nicht so groß wie zum Prozessauftakt, zu dem Hunderte Journalisten aus aller Welt nach Melbourne gekommen waren.

Die Polizei hatte Pell im Juni wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch männlicher Jugendlicher angeklagt. Pell war bereits im Oktober 2016 in Rom von australischen Polizisten zu den Missbrauchsvorwürfen verhört worden. Er bestreitet die Vorwürfe entschieden.

2002 freigesprochen

Die Diözese Ballarat in der Nähe von Melbourne gilt als das Epizentrum des australischen Missbrauchsskandals. In diesem spielt Pell schon lange eine zentrale Rolle - sowohl als Kämpfer gegen Missbrauch als auch als jemand, der als Priester in Ballarat (1976-80) und später als Erzbischof von Melbourne (1996-2001) an der Verheimlichung von Missbrauchsfällen beteiligt gewesen sein soll.

Hinzu kommen die Vorwürfe, selbst zu den Tätern zu gehören. 2002 war Pell von einer Untersuchungskommission der Erzdiözese Melbourne aus Mangel an Beweisen von einem Missbrauchsvorwurf freigesprochen worden. Ein Mann hatte Pell beschuldigt, ihn als Zwölfjährigen in einem Jugendlager sexuell missbraucht zu haben.

religion.ORF.at/KAP/KNA/APA/dpa

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