Das Judentum, mit Witz erklärt

Paul Chaim Eisenberg beschreibt in seinem Buch „Auf das Leben! Witz und Weisheit eines Oberrabbiners“, was es braucht, um ein guter Rabbiner zu sein: Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und vor allem Humor.

So will es auch der Klappentext: „Gibt es Streit in der Ehe, Probleme mit dem Nachbarn oder eine Krise im Job, gehen gläubige Jüdinnen und Juden nicht zum Coach oder zum Therapeuten – sie gehen zum Rabbi.“ Paul Chaim Eisenberg muss das wissen, denn er war von 1983 bis 2016 Oberrabbiner von Wien. Der 67-jährige Eisenberg übergab im Vorjahr das Amt an Nachfolger Arie Folger, er bleibt aber Oberrabbiner des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg

Stefan Fuertbauer

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg

Rabbinische Weisheit: Alle haben recht

Weisheit und Witz, Glaube und Gelassenheit seien im Judentum von jeher eng miteinander verknüpft, so der Klappentext. Ein Rabbinerwitz illustriert das besonders gut: „Denn wenn sich zwei streiten, wenden sie sich an ihren Rabbiner. Er hört den einen an und sagt, du hast recht. Dann hört er den anderen an und meint, du hast recht. Da kommt die Frau des Rabbiners herein und meint, die können ja nicht beide recht haben. Sagt der Rabbi: Und du hast auch recht.“

Buchcover von Paul Chaim Eisenbergs "Auf das Leben!"

Brandstätter Verlag

Buchhinweis

Paul Chaim Eisenberg: Auf das Leben! Witz und Weisheit eines Oberrabbiners. Brandstätter Verlag, 144 Seiten, 19,90 Euro

Eisenberg hat viele solcher Witze gesammelt und setzt sie ein, um den jüdischen Humor, aber auch eine spezifisch jüdische Haltung zum Leben zu beschreiben. Unter anderem lässt sich mit Witzen auch die Logik des Talmuds erklären, wie der Rabbiner demonstriert.

Steif zu Pessach, dick zu Chanukka

Lebensnah und mit vielen Beispielen erklärt er auch die Bedeutung der jüdischen Feiertage. Wer sich schon einmal gefragt haben sollte, warum Juden am Sederabend zu Pessach stocksteif in ihren Sesseln sitzen, warum das Essen zu Chanukka nicht besonders gut für die Linie ist oder ob es auch den Gläubigsten gestattet ist, unter bestimmten Umständen ausnahmsweise am Sabbat ein Taxi zu nehmen, bekommt hier ausführliche und anschauliche Antworten.

Theologisches, aber mit Humor

Eisenberg beweist auch, dass man sich selbst komplizierten theologischen Fragen wie jenen nach dem Messias und der Ausgestaltung von Himmel und Hölle mit Humor nähern kann. Liebevoll, aber auch kritisch beschäftigt er sich mit Glaubensfragen und religiöser Praxis. Man erfährt viel über den jüdischen Alltag und die Bibel, sogar einiges an Spezialwissen über die Lehren berühmter Rabbiner und die Geschichte des Judentums. Dem Talmud und theologischen wie moralischen Erwägungen gibt Eisenberg viel Raum.

Kommt der Messias auf die Erde ...

Dabei ist nicht einmal der Messias vor Witzen sicher: Als er endlich auf Erden erscheint, wird in Jerusalem ein großes Fest veranstaltet, zu dem Juden aus aller Welt per Flugzeug anreisen, erzählt Eisenberg. „Das Fest war längst vorbei, als ein Nachzügler erschien. Der Messias fragte ihn vorwurfsvoll: ‚Wieso kommst du so spät?‘ darauf der Jude zum Messias: ‚Das musst gerade du sagen?!‘“

„Auf das Leben!“ beschäftigt sich aber auch mit Politik, ein wichtiges Thema ist Israel und mögliche Wege zum Frieden in der Region. Seine Gedanken zu Antisemitismus und dessen historischen Wurzeln lässt der Oberrabbiner ebenso ins das Buch einfließen wie Überlegungen zum Wesen des Rabbinertums selbst.

Die „Polizisten Gottes“

Über Fundamentalismus spricht er sein wohl härtestes Urteil: Fundamentalisten, die „Polizisten Gottes“ spielten, sind seiner Beobachtung nach "vollkommen humorlos und meist völlig frei von Selbstkritik. Gerade in Sachen Selbstkritik seien die Juden „Meister“, so Eisenberg - obwohl es auch in ihren Reihen natürlich Fundamentalisten gebe.

Der großen Bedeutung, die lebenslanges Lernen für Juden hat, trägt Eisenberg mit einem eigenen Kapitel Rechnung, und dem Lernen widmet er auch den Schluss seines Buchs: „Im Talmud steht: Viel lernt man von seinen Lehrern, noch mehr von seinen Kollegen, aber am meisten von seinen Schülern.“

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

Link:

  • Buch: Philosophische Impulse in Zeiten von Corona
    Sechzehn fiktive Gespräche gewähren Einblick in die Gedankenwelt des österreichischen Theologen und Philosophen Clemens Sedmak während des Corona-bedingten Lockdowns. Ein Buch über Umbrüche, Freiheiten und Verantwortungen.
  • Film: Ein Ex-Häftling als Priester
    Ein Ex-Häftling gibt sich in einem Dorf als Priester aus und kommt mit seinem ungewöhnlichen Stil gut an. Der Film „Corpus Christi“ des polnischen Regisseurs Jan Komasa, der am Freitag in die österreichischen Kinos kommt, beruht auf einer wahren Begebenheit.
  • Buch über Kaiser Franz Joseph als Pilger nach Jerusalem
    Kaiser Franz Joseph I., dem Gründervater des Österreichischen Hospizes, widmet dessen aktueller Rektor Markus Bugnyar ein Buch. Unter dem Titel „Reise nach Jerusalem“ beleuchtet der österreichische Priester den Kaiser als Pilger.
  • Lehrgang: Suche nach zeitgemäßer Spiritualität
    Ein im Oktober startender Lehrgang befasst sich an unterschiedlichen Veranstaltungsorten in Österreich mit der Suche nach einer „radikal zeitgenössischen christlichen Spiritualität“.
  • Jubiläumsausstellung im Eisenstädter Diözesanmuseum
    Mit einer doppelten Jubiläumsausstellung hat das Diözesanmuseum Eisenstadt nach der Pause wegen des Coronavirus wieder geöffnet: Mit einer neuen Schau zu 60 Jahre Diözese Eisenstadt und 100 Jahre Land Burgenland.
  • Lizz Görgl unterstützt Gottesdienstbehelf mit Lied
    „Zu mir“ - so lautet der neue Song von Skistar Lizz Görgl, die nach Beendigung ihrer aktiven Sportkarriere als Sängerin tätig ist, und dieses Lied zum jetzt erschienen Gottesdienstbehelf der Diözesansportgemeinschaft Österreichs (DSGÖ) beigesteuert hat.
  • Die Macht des Leidens in der Kunst
    Mit Verzögerung ist die Jahresausstellung des niederösterreichischen Stifts Klosterneuburg gestartet. Die Schau „Was leid tut“ zeigt, wie machtvoll das Bild des Leidens die (christliche) Kunst seit Jahrhunderten durchdringt.
  • Jan Assmann spricht über „Religion und Fiktion“
    Der deutsche Religions- und Kulturwissenschaftler Jan Assmann (81) wird im Herbst einer der namhaften Vortragenden beim diesjährigen „Philosophicum Lech“ von 23. bis 27. September sein.
  • NÖ: Stift Altenburg feiert verzögerten Saisonbeginn
    Vom Frühling bis in den Herbst öffnet das Benediktinerstift Altenburg bei Horn in Niederösterreich gewöhnlich seine barocken Räumlichkeiten für Besucherinnen und Besucher. Im Coronavirus-Jahr 2020 startet die Saison mit Verspätung.
  • Stift Kremsmünster zeigt „50 Jahre Mission in Brasilien“
    „50 Jahre Mission in Brasilien“: Auf den Zeitraum 1970 bis 2020 blickt eine Sonderausstellung im oberösterreichischen Stift Kremsmünster zurück, die sich mit der Mission von Benediktinerpatres und Schwestern in der brasilianischen Diözese Barreiras beschäftigt.