25 Jahre Weltkatechismus: Glaubensbuch als Bestseller

Am 11. Oktober 1992, genau 30 Jahre nach der Konzilseröffnung, hat Papst Johannes Paul II. den „Katechismus der Katholischen Kirche“ veröffentlicht.

Das Projekt galt als gewagt, als kaum realisierbar. Nach der Öffnung der Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil schien ein Katechismus mit einer vollständigen, exakten und prägnanten Darstellung des katholischen Glaubens nicht mehr zeitgemäß - und praktisch unmöglich. Manche Theologen hätten weitere Experimentiermöglichkeiten vorgezogen und befürchteten eine Einschränkung von Freiheit und Offenheit.

Mehrere Ausgaben des Weltkatechismus

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Bestseller Weltkatechismus

Insbesondere die historisch-kritische Exegese verlange einen differenzierteren Umgang mit Bibeltexten, so die Einwände. Die außerordentliche Bischofssynode 1985 forderte jedoch die Abfassung eines Kompendiums. Papst Johannes Paul II. stimmte zu.

Eigentlich für Bischöfe bestimmt

Das neue Werk, meist „Weltkatechismus" genannt“, wurde zum Bestseller. Allein in den ersten zehn Jahren wurden acht Millionen Exemplare in 50 Sprachen verkauft. Inzwischen sind mehrere Dutzend weitere Übersetzungen dazugekommen. Dabei ist das 800-Seiten-Buch, das in vier großen Teilen und 2.865 nummerierten Absätzen den Glauben darstellt, gar nicht in erster Linie für einfache Gläubige bestimmt, sondern für Bischöfe. Sie sollen auf dieser Grundlage örtliche Katechismen erstellen.

Der Weltkatechismus wolle und könne örtliche oder nationale Glaubenswerke nicht ersetzen, betonte der Papst. Aber er sei eine sichere Norm für die Lehre des Glaubens, ein authentischer Bezugstext für die Ausarbeitung lokaler Katechismen.

Altes und Neues verbinden

Der Universalkatechismus sollte Altes und Neues verbinden. Er folgte der überlieferten Ordnung des alten Katechismus von Pius V. (1566-72) mit der Einteilung in die vier Abschnitte Glaubensbekenntnis, Liturgie und Sakramente, christliches Handeln, Gebet. Eine Tradition, die auch der bis Mitte des 20. Jahrhunderts gebräuchliche Katechismus von Pius X. (1903-14) beibehielt.

Kardinal Christoph Schönborn mit einer Ausgabe des Weltkatechismus

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Kardinal Christoph Schönborn mit einer Ausgabe des Weltkatechismus

Aber „zugleich wird der Inhalt oft in neuer Weise dargelegt, um auf Fragen unserer Zeit zu antworten“, betonte Johannes Paul II. In der Tat ist der Text allgemeinverständlich formuliert, wenn auch mitunter etwas sperrig. Aber er stellt auch komplizierte theologische Sachverhalte anschaulich klar. Und er verzichtet auf die formelhaften Antworten, die frühere Generationen auswendig lernen mussten.

Schönborn mit zentraler Rolle

Zuständig war eine zwölfköpfige Kardinals- und Bischofskommission unter Leitung von Kardinal Joseph Ratzinger, dem Präfekten der Glaubenskongregation. Eine zentrale Rolle spielte der Redaktionssekretär, seit 1987 der Theologieprofessor Christoph Schönborn, heute Kardinal und Erzbischof von Wien. Bischofskonferenzen in aller Welt wurden eingebunden, Theologen und Katecheten machten Vorschläge, mehr als 20.000 wurden eingearbeitet.

Bereits vorhandene Katechismen mussten entsprechend angepasst werden. So auch der „Erwachsenenkatechismus“, den die Deutsche Bischofskonferenz in zwei Teilen 1985 und 1995 vorgelegt hatte. Die eigentliche Urfassung des Weltkatechismus kam erst 1997 heraus - in der offiziellen Kirchensprache Latein. Sie ist verbindliche Grundlage für alle Übersetzungen und örtlichen Katechismen, die daraufhin nochmals überarbeitet und ergänzt werden mussten.

Katechismus

Der Begriff kommt von dem altgriechischen Wort „katechein“ (unterweisen) und bedeutet mündliche Erklärungen des Glaubenslehre, wie sie bis ins Mittelalter üblich waren. Etwa seit dem 8. Jahrhundert gibt es schriftliche Zusammenfassungen dieser Glaubensunterweisungen.

Auf Grundlage des Weltkatechismus erschien 2005 als knappere Zusammenfassung der „Kurzkatechismus“ mit 250 Seiten. An Jugendliche richtet sich der auf deren Lebenswelt und Sprache zugeschnittene Jugendkatechismus „Youcat“, der inzwischen in 72 Sprachen übersetzt ist. Herausgeber ist hier freilich nicht der Vatikan, sondern die Österreichische Bischofskonferenz.

„Entwicklung“ in heiklen Fragen

Manche Punkte des Katechismus seien gleich ab der Publikation umstritten gewesen, sagte Kardinal Christoph Schönborn im Gespräch mit Kathpress, Beispiel sei die Positionierung zur Todesstrafe.

Als Erklärung zum Fünften Gebot (Du sollst nicht töten) steht hier unter Nummer 2.267: „Unter der Voraussetzung, dass die Identität und die Verantwortung des Schuldigen mit ganzer Sicherheit feststeht, schließt die überlieferte Lehre der Kirche den Rückgriff auf die Todesstrafe nicht aus, wenn dies der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen.“ Die daran anschließenden Ausführungen stellen klar, dass unblutige Mittel den blutigen immer vorzuziehen seien.

Respekt vor überlieferter Lehre

Papst Johannes Paul II. habe in der Frage der Todesstrafe eine entschiedenere Ablehnung gewünscht, dann aber „aus Respekt vor der überlieferten Lehre“ die Formulierung der Kommission akzeptiert, berichtete Schönborn. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass in dieser Frage eine Entwicklung des Bewusstseins in Gang sei; auch Sklaverei und Folter seien über lange Zeit von der Kirche nicht entschieden abgelehnt worden.

Die Frage weiter zu klären erscheine ihm wichtig, sagte der Erzbischof mit Blick auf einen „Trend zur Todesstrafe“ in verschiedenen Regionen „bis hin auch zu der besorgniserregenden Tatsache, dass heute präsumptive Terroristen fast immer einfach erschossen werden“.

„‚Amoris laetitia‘ ganz auf Linie“

Jedenfalls keinen Bruch mit dem Katechismus gebe es Schönborn zufolge bei Papst Franziskus, insbesondere was dessen Haltung zu Ehe und Beziehungen betrifft. Das zuletzt in Diskussion gekommene Papst-Schreiben „Amoris laetitia“ sei „ganz auf der Linie des Katechismus“, zumal dieser in seinem dritten Teil bereits das Augenmerk stark auf die handelnde Person statt nur auf die Norm richtet. Die betreffenden Abschnitte sollten als „Einführung in ‚Amoris laetitia‘“ gelesen werden, empfahl der Wiener Erzbischof.

Die Auseinandersetzung um „Amoris laetitia“ verliefen dem Kardinal zufolge "sehr viel friedlicher, würden die Kritiker gründlicher die Fundamentalmoral im Katechismus studieren, die ganz an Thomas von Aquin orientiert sei: „Nämlich, dass sich jegliches sittliches Handeln in einer Geschichte abspielt, in der Geschichte eines konkreten Menschen, mit den Prägungen, Möglichkeiten, Voraussetzungen, Lebensumständen, den Begrenzungen und Chancen der eigenen Freiheit“. Sowohl das Papst-Schreiben über die Ehe als auch der Katechismus würden ein „genaues Hinschauen und Sichtbar- und Spürbarmachen“ fordern.

religion.ORF.at/KAP