Weltmädchentag: Orden gegen Kinderprostitution

Um besseren Schutz von Mädchen vor Ausbeutung durch Prostitution und in der Sexindustrie sind die Salesianer Don Boscos in Westafrika bemüht.

In Sierra Leone betreibt der katholische Orden Bewusstseinskampagnen und eine Kinder-Hotline gegen Menschenhandel, weiters Schutz- und Sozialeinrichtungen für Betroffene sowie Bildungsprogramme, die neue Perspektiven geben und Migration vorbeugen sollen. Das schilderte Pater Jorge Mario Crisafulli, Direktor des Kinderschutzzentrums Don Bosco Fambul in der Hauptstadt Freetown, im Interview mit Kathpress. Crisafulli ist Projektpartner des österreichischen Hilfswerks „Jugend Eine Welt“ und besuchte Wien aus Anlass des Weltmädchentages (11. Oktober).

Neunjährige im Sexgewerbe

Was sich in Sierra Leone - das früher von Bürgerkrieg und Ebola heimgesuchte Land ist heute einer der fünf ärmsten Staaten der Welt - abspiele, sei „die Spitze eines Eisberges für ein Problem mit internationaler Relevanz“, so der Ordensmann. Bis zu 1.500 minderjährige Mädchen arbeiten in der Hauptstadt Freetown im Sexgewerbe, ergab eine Studie der Salesianer.

„Die jüngsten sind erst neun Jahre alt, die Mehrzahl im Alter zwischen zehn und 15“, so Crisafulli. Die Mädchen würden benutzt „wie eine Wasserflasche, die man leert und dann wegwirft“, manchmal würden fünf oder sechs in aus Wellblech errichteten Wohnungsbordellen zusammengesperrt und immer wieder vergewaltigt - von Weißen, Chinesen, Fischern, Bauarbeitern und oft auch von der Polizei. Viele von ihnen würden zudem in Tourismusregionen der Nachbarländer oder nach Europa verkauft.

Waisen und Ausgestoßene

Betroffen seien einerseits Mädchen, die auf der Straße leben. Deren Zahl habe sich durch die überstandene Ebola-Epidemie drastisch erhöht, da viele Kinder zu Waisen und Überlebende von den Familien ausgestoßen wurden. Zusätzlich seinen in den Dörfern ältere Mittelsfrauen - sogenannte „Aunties“ (Tanten) - unterwegs auf Rekrutierung durch falsche Versprechungen.

„Den Familien wird gesagt, die Mädchen würden Ausbildung und Beschäftigung erhalten und davon profitieren. In Wahrheit ist dies der Einstieg in Sklaverei “, berichtete P. Crisafulli. Auffallend sei, dass bei Prostitution und Menschenhandel meist Frauen die Drahtzieherinnen seien, anders als beim von Männern dominierten Drogenhandel.

Kinderschutzzentrum in Autobus

Zum Schutz der betroffenen Mädchen hat das Don Bosco Kinderschutzzentrum einen Autobus eingerichtet, der jede Nacht in jenen Straßenzügen der Hauptstadt Freetown unterwegs ist, in denen die Mädchen „anschaffen“.

Hier gibt es Informations- und medizinische Angebote und Einladungen für die neue Herberge des Ordens, dank derer seit Sommerbeginn bereits 82 minderjährige Mädchen von der Straße geholt wurden. Die in Ebola-Zeiten eingerichtete Gratis-Hotline für Kinder dient nun landesweit unter dem Namen „Don Bosco Childline“ als Meldestelle für Fälle von (auch drohendem) Kindeshandel, „mit derzeit 700 Anrufen pro Woche“, wie der Ordensmann berichtete.

Kinder in die Familien zurückbringen

Alle Mädchen in der Herberge sind von sexuell übertragbaren Krankheiten betroffen, betonte Crisafulli. Es sei wichtig, ihnen ebenso soziale Hilfen, Rechtsbeistand und gesundheitliche Aufklärung zu bieten wie auch Berufsperspektiven, durch Schulbesuch oder Ausbildung. Statt einer langfristigen Unterbringung ist das Hauptziel jedoch, die Kinder wieder in die eigenen Familien zurückzubringen.

Sozialarbeiter besuchen dazu die Angehörigen und sprechen mit ihnen. „Da sie die Eltern oft aus Angst nicht mehr annehmen wollen, gehen sie dann oft weiter zu Onkeln und Tanten. Von den Großeltern werden sie so gut wie nie zurückgewiesen“, berichtete Crisafulli. Man bleibe auch weiterhin in monatlichem Kontakt, unterstütze teils mit Schulgeld.

Afrikaweite Kampagne

Die Zuwendung zu den Straßenkindern und Zwangsprostituierten läuft auch im Rahmen der internationalen Kampagne „Stopp Menschenhandel“, mit welcher die Salesianer den Menschenhandel aus Westafrika bekämpfen und über Ausbildung für innovative Techniken in Industrie und Landwirtschaft Alternativen zur Migration schaffen wollen.

„Keiner denkt an Europa, wenn er in seiner Heimat Perspektiven hat um seine Familie zu ernähren“, erklärte Crisafulli. Wenn schon Migration, so solle sie mit besserer Vorinformation und später erfolgen - „über den legalen Weg eines Arbeitsvisums und derart, dass man den Zielländern ausbildungstechnisch oder ökonomisch von Nutzen sein kann“, so der Ordensmann.

Für die Umsetzung der Kampagne setzen die Salesianer vor allem auf Zeugnisse von zurückgekehrten Migranten, die Geschichten von den Praktiken der kriminellen Schlepperbanden und Gefahren der Migration erzählen, von Todesgefahr, Hunger und sexueller Ausbeutung. „Mach deinen Traum nicht zum Alptraum“, so das Motto von Videos und Radiospots, mit denen verschiedene Medienkanäle in Westafrika bespielt werden. Eine weitere Botschaft: „Die Zukunft liegt in deinen eigenen Händen“, mit dem Verweis auf Möglichkeiten, sich in die Gesellschaft zu Hause einzubringen.

Eine Mio. Zwangsprostituierte unter 18

40 Millionen Menschen sind derzeit von Formen „moderner Sklaverei“ betroffen, 4,8 Millionen - 99 Prozent davon Frauen und Mädchen, eine Million davon noch nicht einmal 18 Jahre alt - wurden im Sexgeschäft ausgebeutet, verwies „Jugend Eine Welt“ am Mittwoch in einer Aussendung auf bei der UNO-Generalversammlung im September präsentierte Zahlen.

Diesen zufolge landen minderjährige Mädchen besonders häufig in Asien und der Pazifikregion im Sexgeschäft (70 Prozent), gefolgt von Europa und Zentralasien (14 Prozent), Afrika (acht Prozent), Nord- und Südamerika (vier Prozent) und den Arabischen Staaten (ein Prozent).

Sexuelle Ausbeutung und Sklaverei

Aktuelle Zahlen zum Menschenhandel lieferte die UNO-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, die diese kriminelle Branche weltweit mit einem Umfang von 152 Milliarden Dollar bezifferte. Mit 40 Millionen Menschen - die meisten von ihnen Frauen - werde gehandelt, hieß es in dem ersten Globalbericht zum Thema, 79 Prozent davon für die sexuelle Ausbeutung, 18 Prozent für Formen der Sklaverei.

In jedem dritten der 155 berücksichtigten Länder sind Frauen auch die wichtigsten Händlerinnen. „In manchen Ländern ist es normal, dass Frauen mit Frauen handeln“, erklärte UNODC-Direktor Antonio Maria Costa bei der Vorstellung des Berichts Ende des Vorjahres. Während weltweit jedes fünfte Opfer von Menschenhandel ein Kind ist, liegt dieser Anteil in Westafrika laut UNODC teils bei 100 Prozent.

religion.ORF.at/KAP

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