Weltkatechismus: Papst will Todesstrafe verurteilen

Papst Franziskus hat sich für eine umfassende offizielle Verurteilung der Todesstrafe in der katholischen Lehre ausgesprochen. Das müsse auch im Katechismus „angemessener und konsequenter“ Ausdruck finden, sagte er am Mittwochabend im Vatikan.

Die Kirche müsse Positionen aufgeben, die einem neuen Verständnis des christlichen Glaubens widersprächen. Die Todesstrafe stehe „im Gegensatz zum Evangelium“; in den Augen Gottes sei jedes Leben heilig. Zugleich bedauerte der Papst, auch der Kirchenstaat habe früher aus Sorge „um Macht und Reichtümer“ Menschen hingerichtet.

Katechismus nicht explizit dagegen

Franziskus äußerte sich vor den Teilnehmern eines Treffens, zu dem der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung anlässlich der Veröffentlichung des „Katechismus der Katholischen Kirche“ vor 25 Jahren geladen hatte. Der Katechismus legt die katholischen Glaubenslehre in verbindlicher Form in einzelnen Artikeln dar.

Papst Franziskus

APA/AFP/Tiziana Fabi

Papst Franziskus will den Weltkatechismus adaptieren

Unter Nummer 2267 heißt es, die „überlieferte Lehre der Kirche“ erkenne das Recht und die Pflicht der staatlichen Gewalt an, angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen.

„Unmenschliche Maßnahme“

Der Papst nannte Todesurteile jetzt hingegen eine „unmenschliche Maßnahme, die, gleich wie sie ausgeübt wird, die Menschenwürde erniedrigt“. Das gelte es „nachdrücklich“ zu erklären. Er verwies auf eine Lehrentwicklung unter seinen Vorgängern im Papstamt, aber auch auf ein verändertes Bewusstsein unter Christen bei diesem Thema.

Über das Leben eines Menschen könne letztlich nur Gott richten. Keine noch so schwere Straftat rechtfertige eine Hinrichtung, weil diese die Unverletzlichkeit und Würde der Person angreife, sagte Franziskus. Jedem Verurteilten müsse die „Möglichkeit eines moralischen und existenziellen Loskaufs“ bleiben, wenn er sich zugunsten der Gesellschaft bessere.

Auch der Kirchenstaat habe früher das „extreme und unmenschliche Mittel“ der Todesstrafe angewandt, beklagte Franziskus. Die letzte Hinrichtung fand unter Papst Pius IX. im Jahr 1870 statt. „Wir übernehmen die Verantwortung für die Geschichte, und wir erkennen an, dass diese Mittel mehr von einer legalistischen als einer christlichen Denkweise bestimmt waren.“ Wenn die Kirche heute in dieser Frage neutral bleibe, werde sie „noch schuldiger“, so der Papst.

Kirche muss „bewahren“ und „weitergehen“

Beim Nein zur Todesstrafe stehe man „vor keinerlei Widerspruch zur früheren Lehre, denn die Verteidigung der Würde des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod hat in der Lehre der Kirche immer eine entschlossene und maßgebliche Stimme gefunden“, sagte Franziskus. Eine „harmonische Entwicklung der Glaubenslehre“ verlange, sich von Positionen zur Verteidigung von Argumenten zu verabschieden, die heute „entschieden im Gegensatz zum neuen Verständnis der christlichen Wahrheit erscheinen“.

„Wort Gottes nicht in Naphthalin einlegen“

„Das Wort Gottes kann man nicht in Naphthalin einlegen wie eine alte Decke, die gegen Ungeziefer geschützt werden muss“, griff der Papst zu einem der für ihn typischen Sprachbilder. Gottes Wort sei eine dynamische Wirklichkeit, die fortschreite und wachse. Das könnten Menschen nicht aufhalten. Dieses „Gesetz des Wachstums“ bedeute keineswegs eine Veränderung der Lehre, hob er zugleich hervor.

Mehrere Ausgaben des Weltkatechismus

Kathpress/Franz Josef Rupprecht

Bestseller Weltkatechismus

„Bewahren“ und „weitergehen“ seien zwei parallele Aufgaben der Kirche. Deswegen müsse sie das Evangelium auf immer neue Weise verkünden, sagte der Papst. Auch der Katechismus, dessen Veröffentlichung Papst Johannes Paul II. (1978-2005) vor 25 Jahren anordnete, habe diese zweigeteilte Aufgabe. Er müsse die Gläubigen für ein Wachstum im Glauben unterweisen, aber auch Menschen mit ihren neuen und oft anderen Fragen an die Kirche heranführen und ihnen eine lebensnahe Antwort anbieten.

Gott kennenzulernen, sei nicht in erster Linie eine theoretische Verstandesübung, sondern ein unauslöschliches Verlangen im Herzen jedes Menschen. Deshalb habe schon der alte Römische Katechismus gesagt: „Die ganze Belehrung und Unterweisung muss auf die Liebe ausgerichtet sein.“

Schönborn: „Referenzwerk schlechthin“

Franziskus äußerte sich vor dem Päpstlichen Rat zur Neuevangelisierung aus Anlass der Unterzeichnung des Lehrschreibens „Fides depositum“ am 11. Oktober 1982, mit dem Johannes Paul II. die Veröffentlichung des Weltkatechismus anordnete. An dessen Erarbeitung war der spätere Papst Benedikt XVI., Kardinal Joseph Ratzinger, als damaliger Leiter der Glaubenskongregation maßgeblich beteiligt.

Vor dem Papst referierte bei der Tagung in der Neuen Synodenaula im Vatikan am Mittwoch unter anderen auch der damalige Redaktionssekretär des Katechismus und heutige Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress sagte Schönborn tags zuvor, das Vorhaben, mit dem Katechismus den katholischen Glauben kurz und bündig darzustellen, sei voll aufgegangen. „Der Katechismus ist heute ‚das‘ Referenzwerk weltweit, für das Lehramt und auch für die Katechese.“ Allerdings hätte die Aufnahme gerade im deutschsprachigen Raum besser sein können, merkte Schönborn „mit einem gewissen Kummer“ an.

In der Frage der Todesstrafe habe Johannes Paul II. eine entschiedenere Ablehnung im Katechismus gewünscht, dann aber „aus Respekt vor der überlieferten Lehre“ die Formulierung der Kommission akzeptiert, berichtete Schönborn. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass in dieser Frage eine Entwicklung des Bewusstseins in Gang sei; auch Sklaverei und Folter seien über lange Zeit von der Kirche nicht entschieden abgelehnt worden.

religion.ORF.at/KAP

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