IGGÖ verliert Zuständigkeit für Gefängnisbibliotheken

Das Justizministerium hat der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) die Zuständigkeit für die Gefängnisbibliotheken entzogen. Auslöser ist der Fund eines salafistischen Buchs in der Justizanstalt Korneuburg, berichtete der „Kurier“ (Freitag-Ausgabe).

Unverständnis für diesen Schritt zeigte IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun am Freitag gegenüber der APA. Er sucht nun das Gespräch mit dem Minister. Seit 2010 obliegt der Glaubensgemeinschaft die Kontrolle über den Bibliotheksbestand, um Radikalisierung in der Haft zu verhindern.

IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun

APA/Georg Hochmuth

Unverständnis bei IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun

Noch am Freitag werde diese an die Organisation Derad übergehen, die nun den gesamten Bücherbestand einer intensiven Prüfung unterziehen solle, teilte ein Sprecher von Justizminister Wolfgang Brandstetter der APA mit. Das in Kyrillisch verfasste Buch dürfte nämlich nicht das einzige fragwürdige Werk sein. „Für mich ist das ein Beleg, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) ihre Kontrollfunktion nicht ausreichend wahrnimmt und in diesem Fall völlig versagt hat“, so Brandstetter gegenüber dem „Kurier“.

Brandstetter: Kein Einzelfall

„Die Tatsache, dass die Glaubensgemeinschaft schlagartig nach Bekanntwerden der Causa 30 weitere Bücher aus unserer Bibliothek entfernt hat, lässt befürchten, dass sich weitere problematische Lektüren in unserem Bestand befinden“, sagte der Justizminister gegenüber der APA.

„Wir müssen alle Zweifel aus der Welt räumen und setzen jetzt auf volle Aufklärung. Beim Salafismus gilt bei uns die Null-Toleranz Politik“, so Brandstetter in einer schriftlichen Stellungnahme. Und weiter: „Ein solcher Fund konterkariert all unsere Bemühungen im Kampf gegen Radikalisierung in Haft. Daher müssen wir natürlich Konsequenzen ziehen.“

Verurteilter Salafist fand Buch

Ausgerechnet ein verurteilter Salafist hatte das extremistische Buch entdeckt und daraufhin seinem Betreuer gemeldet. „Dieses Buch war in kyrillischer Schrift geschrieben“, begründete Ramazan Demir, Imam und leitender islamischer Gefängnisseelsorger, die Unachtsamkeit im „Kurier“.

Bei seinem Besuch in Korneuburg habe er sämtliche islamische Bücher kontrolliert, so Demir. „Es war nichts Bedenkliches mehr zu finden. Veraltete Koran-Übersetzungen habe ich aussortiert. Jetzt stehen nur mehr Bücher dort, die wir auch künftig behalten wollen.“ Er kann die gezogenen Konsequenzen nicht nachvollziehen: „Nur weil ein Seelsorger einen einzigen Fehler gemacht hat, will man die gesamte islamische Seelsorge infrage stellen?“

Imam Ramazan Demir und der Rabbiner Schlomo Hofmeister

Magdalena Blaszczuk

Der islamische Gefängnisseelsorger Ramazan Demir

Keine islamischen Seelsorger mehr?

Denn der Entzug der Bibliotheken-Kontrolle ist nicht der einzige Schritt, den das Ministerium setzt. Auch in Zukunft soll es keine Planstellen für islamische Seelsorger in den Haftanstalten geben. Die Unterstützung der - freiwillig tätigen - Geistlichen solle aber nicht darunter leiden, hieß es aus dem Ressort. Die Schaffung von Planposten ist ein lange gehegter Wunsch der Glaubensgemeinschaft. „Es gibt viel Bedarf an Seelsorge“, meinte Demir dazu.

Auch IGGÖ-Präsident Olgun zeigte sich über den Schritt betroffen: „Ich kann die Aussage des Justizministeriums nicht nachvollziehen.“ Seit mehr als einem Jahr arbeite die Glaubensgemeinschaft zudem an einer einheitlichen Bücherliste für die Haftanstalten. Die Organisation Derad kenne man zwar, wisse aber nur wenig darüber. Eine Klärung erhofft sich Olgun nun von einem Gespräch mit dem Minister, das für Ende des Monats anberaumt ist.

religion.ORF.at/APA

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