Ex-Caritaspräsident: Prädikat „Gutmensch“ „Adelstitel“

Der ehemalige Caritaspräsident Franz Küberl reflektiert in seinem neuen Buch „Sprachen des Helfens“ die 22 Jahre seines Wirkens in leitenden Funktionen in der Caritas.

In dem kürzlich erscheinenen Buch nimmt Küberl zu sozial- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen Stellung, greift die spirituellen Grundlagen des Helfens auf und gibt Tipps, wie man Helferin und Helfer werden kann. „Nicht jeder kann jedem helfen aber jeder kann zumindest einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten“, so Küberl im „Kathpress“-Interview.

Niemand nur schuldig oder nur unschuldig

Große Sorgen bereitet Küberl der enorm zunehmende „Rationalisierungsdruck der Nächstenliebe“. Dadurch komme das Caritas-Prinzip der unvoreingenommenen Nächstenliebe schwer unter Druck. Wer in Not ist, dem müsse geholfen werden. Kriterium für Hilfe dürfe nicht sein, ob jemand unschuldig oder schuldig in Not geraten ist. Niemand sei vollkommen, niemand daher auch nur schuldig oder unschuldig. Solchen Kategorisierungen hafte immer auch ein „starker Geruch von Menschenfeindlichkeit“ an, so Küberl.

Franz Küberl

APA/Georg Huchmuth

Franz Küberl bilanziert 22 Jahre Caritas-Leitung

„Sauber“ über Hilfe diskutieren

Das Prädikat „Gutmensch“, von manch politischer Seite verächtlich für sozial Engagierte verwendet, halte er für einen „Adelstitel“, so Küberl: „Eine Gesellschaft, in der man nicht einander hilft, wäre eine todbringende Gesellschaft und die Politik möchte ich sehen, die einer solchen Gemeinschaft vorstehen möchte.“ Freilich: Über die Art und Weise von Hilfe „soll und muss diskutiert werden.“ Nachsatz: „In sauberer Form.“

Die aktuellen politischen Sozialdiskussion verglich der frühere Caritas-Präsident mit einer Art „Laubgebläse“. Küberl: „So wie das Laub weggeblasen wird, blasen wir die Probleme der Obdachlosen und Bettler oder der Menschen auf der Flucht einfach weg. Und wenn wir die Probleme nicht mehr sehen, dann meinen wir, es gibt sie nicht mehr - ein Trugschluss freilich.“

Buchhinweis

Franz Küberl: Sprachen des Helfens, Styria-Verlag, 2017)

Anstrengen, um Not zu lindern

Die entscheidende Frage beim Helfen sei immer jene nach dem rechten Maßstab bzw. der rechten Portionierung. Das gelte auch für die Politik. Österreich könne nicht alles alleine leisten, habe aber einen entsprechenden Anteil zu erfüllen, so der frühere Caritas-Präsident. Wie er diesen Anteil bewerten würde, so die Frage an ihn. Die Antwort Küberls: „Österreich leistet sicher nicht zu viel Hilfe.“

Nochmals die Frage nach dem rechten Maß des Helfens: „Bis es ein bisschen weh tut“, präzisierte der Caritas-Präsident unter Abwandlung eines Wortes von Mutter Teresa von Kalkutta. „Mutter Teresa konnte helfen bis es sehr weh tat, aber sie war auch eine Ordensfrau. Für uns als Laien reicht es wohl schon, wenn es nur ein wenig weh tut.“ Das sei allerdings auch eine entscheidende Anfrage für die Politik: „Tut es zumindest ein bisschen weh? Strengen wir uns entsprechend an, um Not zu lindern?“

Nächstenliebe auch über Distanz

Zur Frage der Nächstenliebe bzw. der Frage, wer nun dieser Nächste sei, meinte Küberl: „Das kann tatsächlich der Nachbar sein, das kann aber auch ein Mensch in Not 5.000 Kilometer entfernt in einem Flüchtlingslager in Afrika sein.“ Die modernen Kommunikationsmittel machten es möglich, unmittelbar vom Schicksal dieses Menschen zu erfahren, und es sei auch möglich, konkret Hilfe zu leisten.

„Habe schwer mit dem Herrgott gehadert“

Küberl thematisiert in seinem Buch auch die Grenzen des Helfens. Nicht alles sei möglich, und das müsse man auch akzeptieren. In diesem Sinne habe er auch selbst oft bittere und schmerzhafte Erfahrungen machen müssen. Beispielsweise im afrikanischen Staat Niger, wo in einer Region die Kindersterblichkeit zwar von 75 Prozent auf 50 gesenkt werden konnte, aber eben auch nicht weiter.

Oder in Pakistan, wo die Caritashilfe nach einem verheerenden Hochwasser bei weitem nicht ausreichte. Und da sei ihm bewusst geworden: „Ich bin auch nur ein kleiner Sozialhelfer und nicht der Herrgott.“ Und er habe „schwer mit dem Herrgott gehadert“. Sein eigener Glaube habe ihm letztlich aber auch immer geholfen, resümierte Küberl.

Göttlicher Funke in jedem Menschen

Küberl schreibt in seinem Buch auch über die Spiritualität des Helfens. Was macht die Caritas zu einer kirchlichen Einrichtung? Küberl: „Die Caritas macht ihre tägliche Arbeit wohl nicht besser oder schlechter als andere Organisationen und Institutionen. Der Kern der Unterscheidung ist aber der, dass wir davon überzeugt sind, dass jeder Mensch einen göttlichen Funken in sich trägt und daher eine unaufgebbare Würde hat.“

Entscheidend sei nicht, jeden Tag den eigenen Glauben durch Reden vor Dritten zu bezeugen, sondern den Glauben durch die Tat zu bezeugen, zeigte sich Küberl überzeugt. „Deshalb ist die Caritas mehr dem gläubigen Tun verhaftet als dem gläubigen Reden.“

Wie man Helfer wird

Ein Stachel im Fleisch der Caritas sei dabei das biblische Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Dieser habe das zu seiner Zeit Bestmögliche für den von Räubern Überfallenen getan. Küberl: „Und so sind auch wir aufgefordert, das Beste für die Armen zu geben. Wir leben in einer Zeit, wo man meint, es reicht auch das Schlechteste für die Armen. Aber nein, Jesus hält uns mit dem Samariter genau das Gegenteil vor Augen.“

Ein kleines Kapitel in Küberls Buch trägt den Titel „Helfer werden - eine kleine Anregung“. Übung Eins: Ausschau halten nach Helfern, die bereits tätig sind und diesen Anerkennung zollen. In einem weiteren Schritt könne man dann über das Helfen ins Gespräch kommen, in der inneren Bereitschaft dazu reifen und sich schließlich eventuell mit Gleichgesinnten sozial engagieren. Küberl: „Das konkrete Helfen hat zwar immer einen Anfang und ein Ende, aber die Macht des Helfens geht über die konkrete Hilfe weit hinaus und reicht weit in die Zukunft.“

religion.ORF.at/KAP

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