Liturgietext-Übersetzung: Müller kritisiert Papst

Der frühere Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, hat Kritik an Papst Franziskus geübt, ihn aber auch vor Häresievorwürfen im Zusammenhang mit dem Schreiben „Amoris laetitia“ in Schutz genommen.

Gleichzeitig brachte der deutsche Kurienkardinal im Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ (PNP; Donnerstag-Ausgabe) zum Ausdruck, dass er nichts davon hält, dass der Papst zuletzt den nationalen Bischofskonferenzen bei der Übersetzung liturgischer Texte mehr Freiheit eingeräumt hat. „Die letzte Autorität im Zweifelsfall kann nicht bei den Bischofskonferenzen liegen. Das würde die Einheit der katholischen Kirche im Glauben, im Bekenntnis und im Gebet zerstören“, so Müller.

Müller sieht keine Häresie

Von Häresie könne aber „nur die Rede sein, wenn ein Katholik hartnäckig eine geoffenbarte und von der Kirche verbindlich vorgetragene Glaubenswahrheit leugnet“, sagte Müller. Der frühere Glaubenspräfekt hatte vor Kurzem in einem Vorwort für ein Buch des Philosophen und Politikers Rocco Buttiglione eine maßvolle Öffnung in der Familienpastoral, wie sie der Papst anstrebt, verteidigt.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

APA/EPA/Fabio Frustaci

Kardinal Gerhard Ludwig Müller

Nötig sei eine Unterscheidungsgabe „jenseits einer leichten Anpassung an den relativistischen Zeitgeist und einer kalten Anwendung dogmatischer Vorschriften und kirchenrechtlicher Bestimmungen“, schrieb Müller in dem Vorwort

Kein Widerspruch zu Konzilien

Im PNP-Interview sagte der frühere Bischof von Regensburg dazu, Päpste und Bischöfe wären dann Häretiker, wenn sie den Gläubigen eine Lehre mit höchstverbindlicher Autorität zu glauben vorlegten, die dem Wort Gottes in der Heiligen Schrift, der Apostolischen Tradition und den bisherigen dogmatischen Entscheidungen der ökumenischen Konzilien widerspräche.

Das sei ohne jeden Zweifel in den wenigen kontrovers ausgelegten Passagen des Schreibens „Amoris laetitia“ nicht der Fall. Franziskus habe nie an den Fundamenten des katholischen Glaubens rütteln oder die Lehre Christi modernisieren wollen, so als ob sie veraltet wäre, sagte der Kardinal.

Menschen pastoral beistehen

Vielmehr gehe es darum, wie man pastoral Menschen in sehr schwierigen ehelichen und oft tragischen familiären Verhältnissen beistehen könne. An dessen Ende könne auch die volle Versöhnung mit Gott und der Kirche im Bußsakrament und dann auch die Teilnahme an der Kommunion stehen. Hier mit Schlagworten zu hantieren, wäre ein „sträflicher Leichtsinn“ gegenüber dem Seelenheil der Betroffenen, warnte der Kardinal.

Letzte Autorität nicht bei Bischofskonferenzen

Die Liturgie vereine und dürfe nicht trennen, sagte der frühere Präfekt der Glaubenskongregation in dem Interview mit Blick auf das jüngste Papst-Dekret „Magnum principium“ zur Übersetzung liturgischer Texte. So müsse bei der Übersetzung auf inhaltliche Genauigkeit und Treue sowie auf die wirkliche Umsetzung in Geist und Kultur der Zielsprache geachtet werden. Vor allem aber machte Müller deutlich: „Die letzte Autorität im Zweifelsfall kann nicht bei den Bischofskonferenzen liegen.“

Ansonsten sei zu befürchten, dass die Einheit der katholischen Kirche in Glauben, Bekenntnis und Gebet zerstört würde, so der frühere Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation. Die politisierenden Kategorien von Zentralismus und Dezentralismus könnten hier nicht ins Spiel gebracht werden, denn das Gesetz des Glaubens sei das Gesetz des Betens. Zugleich verwies der Kardinal auf Erfahrungen, wonach die von Bischöfen herangezogenen Übersetzer oftmals die biblischen Texte unter dem Vorwand einer besseren Verständlichkeit verwässert hätten.

Als Beispiele nannte Müller „hoch anspruchsvolle Lehren“ wie den stellvertretenden Sühnetod Jesu, die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria, die leibliche Auferstehung Jesu oder die Gabe seines wahren Fleisches und Blutes unter Gestalt von Brot und Wein. In manchen Ländern seien diese und andere Wahrheiten „auf ethische Appelle heruntergebrochen und so ihres katholischen Heilsrealismus entkleidet“ worden.

Änderung des Kirchenrechts

Hintergrund der Ausführungen ist eine Auseinandersetzung von Franziskus mit dem Leiter der Gottesdienstkongregation, Kardinal Robert Sarah. In dem seit Anfang Oktober gültigen Papst-Erlass „Magnum principium“ betonte der Papst „das wichtige Prinzip“ des Zweiten Vatikanischen Konzils: Die Texte zur Liturgie der katholischen Kirchen sollen für die Gläubigen verständlich sein. Priorität vor einer wortgetreuen Übersetzung etwa des Messbuchs müsse daher die Verständlichkeit der Übersetzung haben.

Kardinal Robert Sarah

APA/AFP/Gabriel Bouys

Kardinal Robert Sarah

Franziskus verband das mit einer Änderung vor allem von Kanon 838 des Kirchenrechts. Für die Übersetzung der liturgischen Texte sind demnach vor allem die Bischofskonferenzen zuständig. Die Übersetzungen sollen nicht mehr „nach vorgängiger Überprüfung (recognitio) durch den Heiligen Stuhl“ herausgegeben werden, sondern nach dessen „Bestätigung“ (confirmatio).

Papst-Brief an Kardinal Sarah

Im Internet tauchte nach Veröffentlichung des Erlasses ein Kardinal Sarah zugeschriebener Kommentar auf, in dem das Dekret so ausgelegt wird, dass der Vatikan weiterhin das letzte Wort in der Frage der liturgischen Übersetzungen habe. Papst Franziskus trat diesen Äußerungen in einem Brief an Sarah entgegen.

Harmonie mit Benedikt XVI. dahin?

Kardinal Müller sagte der „Passauer Neuen Presse“, er bedauere sehr, dass bei der Frage der richtigen und treuen Übersetzung der originalen lateinischen Liturgiesprache des römischen Ritus solche Reibungen entstanden seien. Die Frage, ob die Harmonie zwischen Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt XVI. nun dahin sei, weil Letzterer im Vorwort eines Buches geschrieben hatte, die Liturgie sei bei Sarah in guten Händen, wollte Müller nicht beantworten: „Mich zum Verhältnis des Papstes zu Benedikt XVI. öffentlich zu äußern, überschreitet meine Kompetenz.“

Er erinnerte jedoch daran, dass Sarah in seiner Heimat Guinea unter Lebensgefahr seinen Glauben bezeugt und einem kommunistischen Regime die Stirn geboten habe. Das sei eine tiefe spirituelle Voraussetzung, in der Liturgie wirklich die Anbetung und Verehrung Gottes existenziell und spirituell zu vollziehen.

Müller will Kirche weiter dienen

Zu seiner eigenen Zukunft sagte Kardinal Müller im PNP-Interview, er hoffe weiter mit Gottes Hilfe, in Wort und Tat, Zeugnis und Gebet der Kirche dienen zu können. Auf die Frage, ob er in Rom bleiben werde, entgegnete er: „Der Mensch denkt, Gott lenkt.“ Aber ein Kardinal, der noch nicht emeritiert sei oder nicht als Ortsbischof ein Bistum leite oder sonst ein Amt in der Weltkirche ausübe, habe in Rom Residenzpflicht. Denn er gehöre zum engsten Beratergremium des Papstes.

Papst Franziskus hatte die Amtszeit Müllers, der fünf Jahre an der Spitze der Glaubenskongregation stand, im Juli nicht mehr verlängert. Auf sein Verhältnis zum Oberhaupt der katholischen Kirche angesprochen, meinte der Kardinal, der Papst habe ihm immer sein Vertrauen ausgesprochen.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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