EuGH: Religion als Jobkriterium nicht in Stein gemeißelt

Ein Gutachten eines Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) besagt, kirchliche Arbeitgeber könnten „nicht verbindlich selbst bestimmen“, ob die Konfession eines Jobbewerbers eine gerechtfertigte Anforderung für einen Job darstellt.

Von religiösen Organisationen gestellte berufliche Anforderungen können in der EU künftig voraussichtlich stärker als bisher vor Gericht angefochten werden. Dies gelte dann, wenn der Vorwurf erhoben werde, dass sie eine rechtswidrige Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung beinhalten, erklärte der zuständige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Evgeni Tanchev, am Donnerstag in Luxemburg.

Gericht soll prüfen

Die nationalen Gerichte seien verpflichtet, das Recht der Organisation auf Selbstbestimmung gegen das Recht des Arbeitnehmers oder Stellenbewerbers, nicht diskriminiert zu werden, abzuwägen, so der Generalanwalt. Maßgebend sei, ob die Religion oder Weltanschauung einer Person bei der konkreten Berufsausübung „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstelle. Dabei müsse auch das „Ethos der Organisation“ in den Blick genommen werden.

Diese Fragen könne etwa ein kirchlicher Arbeitgeber „nicht verbindlich selbst bestimmen“, betonte der Generalanwalt. Zwar müsse „die gerichtliche Überprüfung des Ethos der Kirche begrenzt sein“. Doch heiße dies nicht, dass das Gericht nicht „die fraglichen Tätigkeiten“ würdigen könne, um zu klären, ob die Religion tatsächlich eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Konfessionslose Bewerberin klagte

Der Fall geht von der Situation in Deutschland aus, wo das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen im Grundgesetz verankert ist. Dort hatte die konfessionslose Vera Egenberger geklagt. Sie bewarb sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin auf eine Referentenstelle zur UN-Antirassismuskonvention. In der Stellenanzeige hieß es, dass die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder einer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirche vorausgesetzt werde.

Egenberger bekam die Stelle nicht. In ihrer Klage vor deutschen Arbeitsgerichten auf Zahlung einer Entschädigung machte sie geltend, dies liege daran, dass sie keiner Religionsgemeinschaft angehöre. Egenberger sah darin eine unzulässige Diskriminierung und einen Verstoß gegen die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie, die EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umsetzen müssen.

Gericht folgt Gutachten oft

In Deutschland ist die Richtlinie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt. Paragraf 9 regelt unter anderem, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen Religion oder Weltanschauung in Deutschland zulässig ist, wenn die Religionszugehörigkeit nach dem Selbstverständnis der Kirche für die Stelle wesentlich ist.

Der Schlussantrag vom Donnerstag ist zwar nicht bindend für den EuGH, in vielen Fällen folgt der Gerichtshof jedoch dem Generalanwalt. Mit einem Urteil ist erst in einigen Wochen zu rechnen.

religion.ORF.at/KAP

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