Kardinal dementiert Vertuschung von Missbrauch

Im Fall von mutmaßlichem sexuellen Missbrauch in einem vatikanischen Priesterseminar weist der italienische Kurienkardinal Angelo Comastri Vorwürfe zurück, wonach er Untersuchungen behindert habe.

In einem Bericht des TV-Magazins „Le Iene“ („Die Hyäne“) über Vorkommnisse im „Preseminario San Pio X“ vor etwa zehn Jahren hatte es geheißen, sowohl der verantwortliche frühere Bischof von Como wie auch Comastri hätten kirchliche Ermittlungen verhindert.

„Untersuchungen angeordnet“

„Ich habe nichts vertuscht, sondern im Gegenteil drei Untersuchungen angeordnet, nachdem ich anonyme Hinweise erhalten habe“, erklärte Kardinal Comastri Medienberichten zufolge am Dienstag. Als Generalvikar des Papstes für die Vatikanstadt ist Comastri seit 2005 unter anderem für das im Vatikan befindliche Seminar zuständig. Die unmittelbare Verantwortung für die Leitung des Seminars hat jedoch der Bischof von Como in Norditalien.

Kurienkardinal Angelo Comastri

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Kurienkardinal Angelo Comastri

In dem TV-Bericht vom Sonntag wird unter anderen der frühere Offizial (Vorsteher eines Kirchengerichts, Anm.) der Diözese, Andrea Stabellini, zitiert. Er sagt, er habe damals genügend Hinweise gehabt, um eine kirchliche Untersuchung einzuleiten. Da sein damaliger Bischof Diego Coletti (2007-2016) diese Einschätzung nicht teilte, habe er nichts unternehmen können. Im Gespräch mit dem Sender bestätigte Coletti, für ihn seien die Hinweise damals nicht hinreichend gewesen.

Ex-Ministrant berichtete von Missbrauch

In einem ersten Beitrag des TV-Magazins „Le Iene“ am 12. November hatte ein ehemaliger Ministrant berichtet, sein Zimmernachbar im Seminar sei vor seinen Augen mehrfach von einem Seminaristen sexuell missbraucht worden. Der Schuldige sei später zum Priester geweiht, er selbst aber der Einrichtung verwiesen worden.

Der Vatikan hatte daraufhin mitgeteilt, aufgrund der neuen Aussagen seien Ermittlungen wiederaufgenommen worden. Bereits 2013 habe es Untersuchungen gegeben, sowohl durch die Seminarleitung als auch durch den Bischof von Como. Damals habe man keine „entsprechenden Bestätigungen“ gefunden.

Aufruf zur Ehrlichkeit

Der jetzige Bischof von Como, Oscar Cantoni, hatte am Wochenende in einem Brief an seine Diözese Ehrlichkeit angemahnt. Man müsse sich Realitäten stellen; Versuche, „irgendetwas zu verheimlichen“, seien „aussichtslos“. In der Diözese selbst sorgten die Vorfälle für erhebliche Unruhe.

Der Autor Gianluigi Nuzzi hatte in seinem neuen Buch „Peccato originale“ (dt. „Sündenfall“) Berichte über mutmaßlichen Missbrauch Minderjähriger im Vatikan öffentlich gemacht. Der Sender Italia 1 griff die Vorwürfe in seinem Magazin „Le Iene“ auf.

Das „Preseminario San Pio X“ ist ein 1956 gegründetes Konvikt mit Sitz im Vatikan, unweit des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Es nimmt Mittelschüler auf, die am Priesterberuf interessiert sind. Laut eigenen Angaben wurden mehr als 80 Schüler der Einrichtung später Priester oder Ordensleute. Die Schüler werden als Messdiener im Petersdom eingesetzt.

religion.ORF.at/KAP

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