Studie: Europas muslimische Bevölkerung wächst

Eine neue Studie des US-Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center zeigt anhand von drei Modellen, wie sich der Anteil der Muslime an der Bevölkerung in Europa in den nächsten Jahrzehnten weiter entwickeln könnte. Alle drei Modelle sehen ein Wachstum.

Dazu wurden drei Szenarien bis in das Jahr 2050 entworfen, die von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen. Diese hängen jeweils vom Verlauf der Migration während der kommenden Jahrzehnte ab. Das Pew Research Center betont in der Einleitung zur Studie mit dem Namen „Europe’s Growing Muslim Population“ („Europas wachsende muslimische Population“), dass es sich dabei um keine „Vorhersage“ der Zukunft handle, sondern um eine Reihe von Hochrechnungen darüber, was unter bestimmten Voraussetzungen geschehen könnte.

Grafik zur Studie "Europe's Growing Muslim Population" des Pew Research Center

Pew Research Center

Grundlage für all drei Szenarien ist der muslimische Bevölkerungsanteil Europas (die Studie behandelte die EU-Länder plus Norwegen und die Schweiz), wie er sich Mitte des Jahres 2016 darstellte. Er wird in der Studie auf 25,8 Millionen Mio. (4,9 Prozent der Gesamtbevölkerung) geschätzt.

Muslime jünger, mehr Kinder

Das erste Szenario rechnet mit einer „Nullmigration“: Selbst wenn es zu einem sofortigen und totalen Stillstand jeglicher Migration von Muslimen nach Europa käme, würde die Zahl der sich zum Islam bekennenden Menschen vermutlich dennoch ansteigen, und zwar von 4,9 auf geschätzte 7,4 Prozent bis zum Jahr 2050. Gründe dafür sind das niedrige Durchschnittsalter bei Muslimen (13 Jahre unter dem anderer Europäer), was zu einer höheren Geburtenanzahl führt, und die allgemein höhere durchschnittliche Geburtenrate (ein Kind mehr pro Frau). Das entspreche Bevölkerungsmustern weltweit, so das Pew Center.

Drei Szenarien

Das zweite Szenario setzt voraus, dass große Flüchtlingsbewegungen zwar gestoppt werden, aber weiterhin eine „reguläre“ Migration nach Europa stattfindet. Unter dieser Voraussetzung könnte der Anteil der Muslime an der Bevölkerung im Jahr 2050 11,2 Prozent erreichen.

Muslime vor einer Moschee in Rotterdam, Niederlande

Reuters/Dylan Martinez

Moschee in Rotterdam, Niederlande

Das dritte Szenario rechnet mit weiteren Flüchtlingsbewegungen nach Europa auf Grundlage von Zahlen aus dem Zeitraum 2014 bis 2016. Rechne man diese Zahlen mit der entsprechenden religiösen Verteilung unter den Flüchtlingen hoch und nehme die Zahl der „regulären“ Migranten hinzu, könnten Muslime im Jahr 2050 14 Prozent von Europas Gesamtbevölkerung stellen, so das Pew Research Center. Das wäre fast das Dreifache des derzeitigen Stands, aber noch immer deutlich weniger als der christliche Bevölkerungsanteil und jener ohne religiöses Bekenntnis.

Die Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre seien allerdings „extrem hoch“ gewesen, verglichen mit dem historischen Durchschnitt während der vergangenen Jahrzehnte. Sie seien außerdem bereits im Sinken begriffen, weil viele Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihre Politik dahingehend geändert haben, die Zahl der Geflüchteten zu verringern, so die Studie.

47 Prozent Zugewanderte Nicht-Muslime

Während die muslimische Bevölkerung Europas aller Voraussicht nach wachsen werde, wird für nicht-muslimische Gruppen in jedem der drei Szenarios ein Rückgang prognostiziert. Dieser Rückgang werde durch Einwanderung abgemildert, so die Studie - fast 47 Prozent der in letzter Zeit zugewanderten Menschen waren demnach Nicht-Muslime, die größte Gruppe unter ihnen war die der Christen.

Insgesamt würde die Bevölkerung Europas - mit oder ohne Muslime - erwartungsgemäß schrumpfen, wenn es in Zukunft überhaupt keine Zuwanderung mehr gäbe, so das Pew Research Center. Von geschätzten 521 Millionen auf ebenfalls angenommene 482 Millionen würde Europas Population in diesem - unwahrscheinlichen - Fall reduziert werden.

Grafik zur Entwicklung der muslimischen Bevölkerung in Europa

Pew Research Center

Mit dem zweiten, mittleren Migrationsszenario bliebe die Ausgangszahl grob geschätzt etwa stabil, würde das dritte Modell mit der gleich hoch bleibenden Zuwachsrate durch Migration Realität, würde die Bevölkerung Europas leicht anwachsen.

Die Auswirkungen der drei Szenarien auf die einzelnen Länder Europas sind uneinheitlich: So haben einige Länder sehr viele, andere fast gar keine Flüchtlinge aufgenommen. Entsprechend unterschiedlich falle daher auch der Anstieg bei Muslimen in den einzelnen Ländern aus.

Unberechenbare Faktoren

Zu den Faktoren, die sich relativ gut einschätzen beziehungsweise hochrechnen ließen, wie Geburtenraten und Migrationstrends, kommen aber auch sich verändernde wirtschaftliche und politische Parameter in Europa wie auch außerhalb hinzu. So sei zu erwarten, dass Länder wie Schweden oder Österreich, die eine hohe Anzahl an (vorwiegend muslimischen) Flüchtlingen aufgenommen haben, diese Entwicklung drosseln werde.

So habe Schweden, das im dritten Studien-Szenario mit einem Anstieg bei Muslimen von acht auf 31 Prozent rechnen müsste, im November 2015 eine Verschärfung in der Flüchtlingspolitik angekündigt, darunter Kürzungen beim Familiennachzug. Das Ergebnis der österreichischen Nationalratswahl im Oktober 2017 findet in der Studie ebenfalls Erwähnung, mit dem Hinweis, dass Parteien, die eine „härtere Linie zur Immigration“ fahren, von den Wählern bevorzugt worden seien.

Verbleib in Europa teils unklar

Ein Unsicherheitsfaktor sind laut Studie auch die Asylwerber ohne Asylbescheid. Diese machen etwa 970.000 aus, wie das Pew Research Center schätzt. Ihr Verbleib in Europa ist unklar - es sei schwer zu schätzen, wie viele von ihnen etwa abgeschoben würden oder trotzdem im jeweiligen Zielland bleiben würden.

Verschiedene Gruppen von Migranten

Die Erhebung unterscheidet zwischen mehreren Gruppen von Migranten: „Migrants“, also Migranten, beinhaltet alle Menschen, die internationale Grenzen überschritten haben, um in einem anderen Land zu leben. „Regular migrants/other migrants“ bezeichnet Menschen, die legal nach Europa eingereist sind und nicht um Asyl angesucht haben, etwa für eine Ausbildung oder aus familiären Gründen.

„Asylum seekers“, Asylwerber, sind Menschen, die um Asylstatus angesucht haben. Mit „Refugees“, Flüchtlingen, sind Menschen gemeint, die bereits Asylstatus erhalten haben oder die Aussicht darauf haben. „In Limbo“ ist der Ausdruck für Menschen, der Asylantrag abgelehnt wurde oder bei denen das erwartet wird.

Detailliert listet die Studie etwa auch die Zahl von Migranten und Flüchtlingen zwischen 2010 und 2016 nach Herkunftsland auf - die meisten kamen aus Syrien - und weist den jeweiligen muslimischen Anteil dieser Migranten aus. Nachzulesen ist auch, wie viele Flüchtlinge welches europäische Land zuletzt aufgenommen hat. Österreich befindet sich in diesem Ranking an vierter Stelle, Spitzenreiter ist Deutschland.

gril, religion.ORF.at

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