Als das Christkind Flügel bekam
Durch die Ablehnung der Heiligenverehrung im Protestantismus fiel im 16. Jahrhundert das Gedenken an den heiligen Nikolaus und seine Geschenke am 6. Dezember weg. Das Bedürfnis der Menschen nach einem Gabenbringer blieb aber bestehen. „Die Menschen suchen nach konkreten Bildern für theologische Inhalte“, sagte der Autor, Volkskundler und freiberufliche Journalist, Reinhard Kriechbaum, in einem Interview mit Ö1. Daher griff man auf vorhandene Bilder, wie zum Beispiel den „Fatschenkindern“ in den Klöstern, zurück.
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Die Vorbilder fürs Christkind
Diese sind puppenähnliche Jesusfiguren aus Wachs, die in teilweise prunkvolle Tücher eingewickelt wurden und im Mittelalter Novizinnen geschenkt wurden - als „Trösterlein“. Als Andachtsbilder sind sie in Glaskästen nach wie vor in Kirchen und Klöstern zu finden. Das in Windeln gewickelte Jesuskind wird im Lukasevangelium (Lk 2,7) erwähnt. Kinder am ganzen Leib einzuwickeln war auch eine bis ins 19. Jahrhundert übliche Praxis.
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Weihnachten mit Ö1 am 24. Dezember 2017 ab 15.00 Uhr
Ein weiteres Vorbild für das Christkind war das „Kindleinwiegen“, das ab dem Mittelalter bekannt ist. Jesuspuppen aus Holz oder Wachs wurden mit Gesängen in Wiegen gewiegt. Der Brauch wurde in Klöstern, Kirchen, aber auch privat gepflegt. Dazu sei noch die gängige Vorstellung von Engeln gekommen, sagte der Autor. „So hat das Christkind Flügel bekommen.“
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Christkind weit verbreitet
Das Christkind wurde im Laufe der Zeit ein Symbol für Weihnachten. Zunächst wurde es in evangelischen Gegenden verbreitet. Nach und nach übernahmen auch katholisch geprägte Gebiete das Christkind, sodass es mittlerweile als etwas ureigen Katholisches empfunden wird. Es ist im südlichen und westlichen Deutschland, im Elsass, in Luxemburg, Österreich, Südtirol, der Deutschschweiz, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Kroatien sowie in Südbrasilien verbreitet.
Martin Luther, dem die „Erfindung“ des Christkinds zugeschrieben wird, habe durchaus ein Geschenkefest im Sinn gehabt, Allerdings „sicher nicht in dem Sinn, wie wir es praktizieren“, so Kriechbaum. Luther habe vom „heiligen Christ“, also dem Gottessohn gesprochen, durch den sich Gott den Menschen schenke. Luther wollte Jesus stärker ins Bewusstsein rücken. „Beim Volk war so eine theologische Überlegung freilich nicht so populär“, so der Volkskundler.
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Geschenke für das Jesuskind
Laut Kriechbaum dürfe man dem Christkind übrigens kein Geschlecht zuschreiben. Mal als „holder Knabe im lockigen Haar“, mal als Mädchen, einmal mit und einmal ohne Flügel taucht das Christkind seit seiner Erfindung auf. Verschiedene Vorstellungen haben sich vermischt. Dass Weihnachten zu einem Geschenkefest geworden ist, sei jedenfalls nachvollziehbar.
Etwas hat sich aber umgekehrt: Die Hirten und auch die drei Weisen aus dem Morgenland (die Heiligen Drei Könige) machten sich der Erzählung nach auf den Weg, um den neugeborenen Jesus von Nazareth, den Messias, zu beschenken. Die Hirten brachten Milch, Wolle und ein Lämmchen, die Weisen Weihrauch, Gold und Myrrhe. Schon mit seiner Erfindung kehrte sich das um, und das Christkind brachte die Geschenke.
Das Weihnachtsfest (eigentlich Christfest oder Fest der Geburt des Herrn) als Geschenkefest ist mit etwa 400 Jahren das jüngste Christfest. Bis zur Reformation im 16. Jahrhundert kannte man den heiligen Nikolaus als Gabenbringer, Weihnachten hatte noch nicht den Stellenwert, den es heute hat. Früher wurden Kinder am 28. Dezember, dem „Tag der unschuldigen Kinder“ beschenkt, und auch das Dreikönigsfest am 6. Jänner galt als Geschenkefest.
Nina Goldmann, Martin Gross, für religion.ORF.at