Papst traf in Chile Opfer von Missbrauch in Kirche

Papst Franziskus ist in Chile mit Missbrauchsopfern zusammengetroffen. Die Begegnung fand in „strikt privater Form“ in der Nuntiatur statt, wie Vatikan-Sprecher Greg Burke am Dienstagabend (Ortszeit) in Santiago mitteilte.

Andere Personen seien nicht zugegen gewesen, um ein ungestörtes Gespräch über die Leidensgeschichten der Opfer zu ermöglichen. „Der Papst hat sie angehört und mit ihnen gebetet und geweint“, sagte der Sprecher. Wie in zahlreichen anderen Ländern sieht sich die katholische Kirche auch in Chile mit Skandalen um sexuellen Missbrauch konfrontiert. Nach Angaben der US-Organisation Bishop Accountability wurden seit dem Jahr 2.000 Vorwürfe gegen rund 80 chilenische Geistliche erhoben.

Treffen mit kleiner Gruppe

Das Treffen habe etwa eine halbe Stunde gedauert, sagte Burke. Es habe sich um eine „kleine Gruppe“ gehandelt. Die Zahl der Gesprächsteilnehmer, deren Geschlecht und die Art der Vergehen wollte er auch auf Nachfrage nicht präzisieren. Das geschehe zum Schutz der Betroffenen, so der Sprecher.

Papst Franziskus mit Gläubigen während einer Messe in Chile

APA/AP/L'Osservatore Romano

Papst Franziskus mit Gläubigen im O’Higgins Park in Santiago, Chile

Am Dienstagvormittag hatte Papst Franziskus in der ersten Rede seines tags zuvor begonnenen Chile-Besuchs „Schmerz und Scham“ über sexuellen Missbrauch durch katholische Priester bekannt. Die Zuhörer im Präsidentenpalast, aber auch knapp eine halbe Million Gläubige, die in einem Park in Santiago auf eine Messe mit Franziskus warteten und die Rede in Übertragung hörten, nahmen seine Worte mit Beifall auf.

Opfervertreter nicht zufrieden

Opfervertreter kritisierten die Erklärung des Papstes als unzureichend. Nur um Verzeihung zu bitten genüge nicht, sagte Juan Carlos Claret von der Laienvereinigung in Osorno. „Der Papst muss mit konkreten Taten gegen den Missbrauch in der chilenischen Kirche vorgehen.“

Die Debatte über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Peru konzentriert sich auf den heute 87 Jahre alten Priester Fernando Karadima, der 2011 wegen Vergehen an Minderjährigen verurteilt worden war. Die Debatte lebte auf, als Papst Franziskus einen geistlichen Zögling Karadimas, Bischof Juan Barros, zum Leiter der südchilenischen Diözese Osorno ernannte. Barros wird beschuldigt, Übergriffe Karadimas vertuscht zu haben. Erwiesen ist dies nicht.

Pater bei Messe „Provokation“

Barros nahm mit den anderen Bischöfen Chiles am Dienstagvormittag an der Eröffnungsmesse zum Papst-Besuch im O’Higgins-Park und an einer Begegnung zwischen Bischöfen und Papst am Nachmittag teil. Seine öffentliche Anwesenheit löste Kritik von Missbrauchsopfern aus.

Der in Chile bekannte Jesuitenpater Felipe Berrios sagte der Tageszeitung „La Tercera“: „Die Präsenz von Barros ist eine Provokation.“ Kritik übte auch Marta Larraechea, Ehefrau von Ex-Präsident Eduardo Frei. „Barros nimmt an der Messe im O’Higgins-Park teil - was für eine Schande. Wofür bat der Papst um Entschuldigung?“, schrieb sie auf Twitter. Knapp eine halbe Million Menschen wohnten der Messe bei. Dabei rief Franziskus die Bevölkerung zum friedlichen Aufbau eines „neuen Chile“ auf. Es gelte, sich „die Hände schmutzig zu machen und dafür zu arbeiten, dass andere in Frieden leben können“.

Der Generalsekretär der Chilenischen Bischofskonferenz, Weihbischof Luis Fernando Ramos, erklärte vor Journalisten, Barros sei rechtmäßiger Bischof Osornos und vom Papst eingesetzt; daher habe er selbstverständlich das Recht, an den Veranstaltungen teilzunehmen.

Großes Sicherheitsaufgebot

An seinem zweiten Besuchstag in Chile wird der Papst heute mit einem großen Sicherheitsaufgebot in Temuco erwartet. Laut Medienberichten sind mehr als 4.000 Polizisten sowie mehrere tausend zivile Ordnungskräfte für den Besuch von Franziskus abgestellt.

Papst Franziskus im Papamobil in Chile

Reuters/Ivan Alvaro

Tausende Polizisten sind für den Papst-Besuch abgestellt.

Temuco ist die Hauptstadt der Region Araukanien, in der seit langem ein Konflikt um die Landrechte der eingeborenen Mapuche herrscht. Franziskus feiert eine Messe auf dem Militärflughafen Maquehue, der ebenfalls von Angehörigen des indigenen Volkes beansprucht wird. Zuletzt gab es in Chile immer wieder Brandanschläge auf kirchliche Einrichtungen, zu der sich radikale Mapuche bekannten.

Den Berichten zufolge werden die Transfers des Papstes während seines knapp sechsstündigen Aufenthalts auch durch Helikopter und Drohnen sowie durch einen umfangreichen Geleitschutz am Boden abgesichert. Das Gottesdienstgelände kann nach Angaben der Organisatoren bis zu 380.000 Besucher aufnehmen.

Viele Pilger aus Argentinien erwartet

Viele Pilger werden aus dem benachbarten Argentinien erwartet, dem Heimatland des Papstes. Die chilenischen Behörden und die Kirche in Temuco haben rund 15.000 Eintrittskarten für die Papstmesse direkt an die Grenzübergänge geschickt. Insgesamt erwarten die chilenischen Behörden während des noch bis Donnerstag andauernden Papstbesuches in Chile rund 800.000 Argentinier, die ihren Landsmann live sehen wollen.

Franziskus fliegt Mittwochfrüh von der Hauptstadt Santiago nach Temuco. Der Gottesdienst beginnt um 10.30 Uhr Ortszeit (14.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit). Im Anschluss will der Papst während eines Mittagessens mit Angehörigen der Mapuche sprechen.

Nach dem Rückflug setzt Franziskus sein Besuchsprogramm in der Santiago fort. Dort ist ein Treffen mit Jugendlichen im Nationalheiligtum Maipu geplant. Dabei will sich der Papst mit einer Rede an die junge Generation wenden. Danach ist eine weitere Rede an der Päpstlichen Katholischen Universität von Chile vorgesehen.

religion.ORF.at/KAP/dpa

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