Israel: Mehr Ultraorthodoxe gehen zum Militär

Unter Israels Ultraorthodoxen gibt es einen Trend Richtung Öffnung gegenüber dem Militärdienst. Auch in Sachen Ausbildung sei derzeit einiges in Bewegung, so die Nachrichtenseite Religious News Service in einem Hintergrundbericht.

Bisher war zum Thema Ultraorthodoxe und Militär meist von Protesten dagegen die Rede gewesen. Vom in Israel für Männer drei und für Frauen zwei Jahre dauernden, verpflichtenden Armeedienst waren Strenggläubige von Staatsgründer David Ben Gurion, der die politische Unterstützung des Orthodoxen brauchte, ausgenommen gewesen. Seit einigen Jahren wird nun über eine Verpflichtung der stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe heftig debattiert.

Der am Mittwoch auf Religion News Service publizierte Bericht von Michele Chabin porträtiert einen jungen Haredi, wie die strenggläubigen Juden in Israel genannt werden, Mosche Lifschitz. Er sei einer von einer steigenden Zahl von Haredim, die sich, den Erwartungen zum Trotz, freiwillig den israelischen Verteidigungskräften anschlossen. Oft täten sie es gegen intensiven Druck seitens anderer Ultraorthodoxer, sich ausschließlich dem Studium religiöser Texte zu widmen.

Eigenes Bataillon für Strenggläubige

Im Jahr 1999 war ein Bataillon eigens für Haredim gegründet worden - damals für nur 30 Soldaten. Es ist mit Sonderregeln, was koscheres Essen, Gebets- und Studienzeiten betrifft, ausgestattet, was es Strenggläubigen leichter macht, den Armeedienst zu absolvieren. Auch wird garantiert, dass die Soldaten dieses Bataillons nicht in Kontakt mit Frauen kommen.

Ein israelischer Soldat betet an der Klagemauer in Jerusalem

Reuters/Baz Ratner

Ein israelischer Soldat an der Klagemauer in Jerusalem

Heute leisten ungefähr 2.100 Männer hier ihren Militärdienst ab, insgesamt sind es in den Streitkräften laut Angaben der israelischen Armee etwa 6.000. Dieser Anstieg sei Teil eines größeren Trends Richtung „Integration in die israelische Gesellschaft“, schreibt Chabin. Die Ultraorthodoxen, die sich bisher stark vom säkularen Israel absonderten, würden sich auch zunehmend gegenüber dem höheren Bildungssystem öffnen: Von 1.000 auf 10.800 stieg laut den Angaben die Zahl strenggläubiger Studenten einer Studie zufolge.

Großfamilien unter der Armutsgrenze

Gründe für diese Entwicklung sieht die Autorin in der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung im Land: Die Haredim-Familien haben traditionell viele Kinder. Seit 2003, als die Regierung die Zuschüsse für große Familien, von denen viele Strengreligiöse zum Teil leben, kürzte, leben viele von ihnen unter der Armutsgrenze. Verschiedene Initiativen sollen den Ultraorthodoxen helfen, im Arbeitsleben Fuß zu fassen - wobei streng auf die Trennung der Geschlechter geachtet werde, so Chabin.

Der Dienst an der Waffe verstärkt ebenfalls den Trend zu mehr weltlicher Bildung: Während der drei Jahre Militärdienst kommen die jungen Haredim (die meisten treten zwischen 18 und 20 Jahren in die Armee ein) mit säkularem Lernstoff in Berührung, etwa Englisch und Mathematik - Gegenstände, die in den meisten Schulen Ultraorthodoxer in Israel kaum vermittelt werden.

Bessere Jobaussichten

„Ohne Kenntnisse in diesen Bereichen können Haredim-Männer, die die Jeschiwa (Schule, die auf das Studium der Thora und anderer religiöser Texte fokussiert, Anm.) verlassen, keine Aufnahmetests für Universitäten machen und haben nur begrenzte Jobaussichten“, so Rabbi Zvi Klebanow zu Religious News Service. Er ist Gründer einer Organisation, die strengreligiösen Soldaten emotional wie auch organisatorisch unter die Arme greift.

Ultraorthodoxe Männer gehen an einer Gruppe israelischer Soldaten vor der Klagemauer in Jerusalem vorbei

Reuters/Baz Ratner

Der Dienst in der Armee kann negative Folgen für Strenggläubige haben

Für gläubige Frauen ist die Schwelle aufgrund traditioneller Rollenbilder noch höher, wobei sich einige orthodoxe junge Frauen, die die religiösen Vorschriften einhalten, aber nicht ultraorthodox sind, freiwillig zu Armee melden.

Der Preis kann hoch sein

Für einige der jungen Männer kann der Militärdienst negative Folgen haben. Der Preis könne hoch sein, sagte Soldat Lifschitz zu Religion News Service: Die Jahre als Soldat könnten dazu führen, dass sein „Wert“ auf dem Heiratsmarkt sinke, weil einige Familien in der Community ihre Tochter nicht mit einem Mann, der als Soldat dient oder gedient hat, verheiraten wollen. Auch gewalttätige Attacken seitens ultraorthodoxer Extremisten auf die „Verräter“ müssten Soldaten befürchten. Aus Angst vor solchen Angriffen würden viele Haredim-Soldaten ihre Uniformen lieber ausziehen, bevor sie nach Hause gehen.

gril, religion.ORF.at

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