Missbrauch: Papst soll von Vertuschung gewusst haben

Papst Franziskus soll seit spätestens 2015 von der Vertuschung von Missbrauchsfällen in Chile durch Bischof Juan Barros gewusst haben. Das wirft ihm ein Missbrauchsopfer vor.

Der Brief eines chilenischen Missbrauchsopfers an Papst Franziskus hat den Vatikan in Erklärungsnot gebracht. In dem am Montag bekannt gewordenen, 2015 verfassten Schreiben belastet der Chilene Juan Carlos Cruz den heutigen Bischof Juan Barros schwer. „Der Papst kennt den Fall von Barros schon seit langem. Ich habe ihm einen sehr detaillierten Brief geschrieben, der ihm von Kardinal Sean O’Malley übergeben wurde“, sagte das Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz am Montag dem chilenischen Radiosender Cooperativa.

Missbrauch mit angesehen

Cruz lebt seit längerem in den USA und hatte den Brief 2015 dem Erzbischof von Boston übergeben. „Associated Press“ (AP) zufolge bestätigte der Kardinal, der auch Vorsitzender der vatikanischen Kinderschutzkommission ist, am Montag, dass er das Schreiben dem Papst ausgehändigt habe.

Cruz schreibt, Barros habe in den 1980er-Jahren etliche Fälle von sexuellem Missbrauch von Buben durch seinen inzwischen vom Vatikan verurteilten Amtsbruder Fernando Karadima mit angesehen, ohne dagegen einzuschreiten. Weiters schreibt Cruz, Barros selbst sei von Kardadima geküsst und gestreichelt worden.

Das chilenische Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz

APA/AP/Yvonne Lee

Juan Carlos Cruz wies schon 2017 auf den 2015 von ihm geschriebenen Brief hin

Keine Stellungnahme aus dem Vatikan

Papst Franziskus hatte während seines Chile-Besuchs im Jänner dieses Jahres erklärt, es gebe keine Beweise dafür, dass der 2015 von ihm zum Bischof von Osorno ernannte Barros sexuellen Missbrauch durch Karadima vertuscht habe. Barros’ Amtseinführung wurde damals begleitet von heftigen Protesten Hunderter Demonstranten, die gegen seine Bischofsernennung protestierten.

Cruz’ Brief an den Papst datiert den US-Medienberichten zufolge vom 3. März 2015, knapp drei Wochen vor diesen Ereignissen. Angehängt ist der Text eines weiteren, einen Monat früher verfassten Schreibens von Cruz an den Apostolischen Nuntius in Chile, Erzbischof Ivo Scapolo. „Heiliger Vater, Juan Barros sagt, er habe nichts gesehen, und doch gibt es Dutzende von uns, die die Tatsache bezeugen können, dass er nicht nur anwesend war, wenn Karadima uns missbrauchte, sondern er auch Karadima küsste und sie sich gegenseitig anfassten“, heißt es wörtlich. Ob Franziskus den Brief gelesen hat, ist nicht bekannt. Der Vatikan wollte sich laut Sender nicht zu dem Vorgang äußern.

Cruz: Papst kannte die Details

Karadima wurde 2011 von einem Gericht des Vatikans schuldig gesprochen. Auf seiner jüngsten Chile-Reise hatte Papst Franziskus Barros in Schutz genommen. „Es besteht kein einziger Beweis gegen ihn, es ist alles Verleumdung“, sagte das katholische Kirchenoberhaupt. Auf dem Rückflug nach Rom entschuldigte sich Franziskus für seine Wortwahl - mehr dazu in Missbrauch: Papst entschuldigt sich für Wortwahl.

„Es ist schmerzhaft, ihn lügen zu hören, dass ihm nie etwas gesagt worden sei, dass er nie etwas von den Opfern erfahren habe, wenn er tatsächlich eine sehr detaillierte Beschreibung der Ereignisse hatte“, sagte Cruz. Papst Franziskus hatte zuletzt den Erzbischof von Malta, Charles Scicluna, zum Sonderermittler für Missbrauchsvorwürfe gegen Barros ernannt. Scicluna war von 2002 bis 2012 vatikanischer Chefermittler in Missbrauchsfällen.

Sonderermittler arbeitet sich ein

Wie der Vatikan am 30. Jänner mitteilte, hatte Papst Franziskus Erzbischof Scicluna beauftragt, in Chile mit all jenen das Gespräch zu suchen, die bereit seien, ihre Kenntnisse über den Fall zu teilen. Cruz sagte dem Radiosender Cooperativa, er werde zwischen dem 20. und 21. Februar seine Zeugenaussage vor Scicluna machen.

Scicluna ist bislang noch nicht nach Lateinamerika aufgebrochen. Derzeit arbeite er sich in den Sachverhalt, die „Causa Karadima/Barros“ ein, sagte die stellvertretende Pressesprecherin, Paloma Garcia Ovejero, am Dienstag auf Nachfrage von „Kathpress“. Sobald Scicluna aus Chile zurückgekehrt sei, würden seine Ermittlungen im Vatikan ausgewertet und dann weitere Maßnahmen entschieden.

religion.ORF.at/KAP/APA/dpa

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