Olympia: Die religiöse Landschaft in Südkorea

Bis Sonntag laufen die Olympischen Winterspiele 2018 in Südkorea. Das Land ist religiös äußerst vielfältig, hat aber auch eine sehr hohe Anzahl an Religionslosen.

2016 gab es in Südkorea knapp 60 Prozent Menschen ohne religiöses Bekenntnis, wie aus einem Forschungsbericht der „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ hervorgeht. Naturwissenschaftlich verstandenes Wissen gewinnt in der kulturellen Identität Südkoreas stetig an Bedeutung. An die Stelle der religiösen Autoritäten tritt daher immer mehr die Institution der Universität. Sie wurde zum Symbol der Wahrheit. Trotzdem werden viele verschiedene Religionen praktiziert.

Friedliches Miteinander Normalität

Neben Konfuzianismus, Buddhismus, Islam und Christentum existieren schätzungsweise mehr als 240 „neureligiöse Bewegungen“, die teilweise weniger als zehn, teilweise hunderttausende Anhänger haben. Diese religiöse Vielfalt ist nicht erst vor Kurzem zu einem Charakteristikum Südkoreas geworden. Korea war ursprünglich stark vom Schamanismus und der volkstümlichen Drei-Götter-Verehrung geprägt.

Südkoreanischer moderner Schamane

Reuters/Kim Hong-Ji

Moderner Schamane

Die altkoreanische Kulturtradition nahm im 4. Jahrhundert n. Chr. die von China her eindringenden Religionskulturen des Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus in sich auf. Die besonders starke Einwirkung des Buddhismus auf Politik und Kultur Koreas wird das „erste Zeitalter des kulturellen Schocks“ genannt. Das „zweite Zeitalter des kulturellen Schocks“ bezeichnet die aufkommende Einwirkung der westlichen Kultur.

Schamanismus ursprüngliche Religion

Es ist nicht bekannt, seit wann genau es den Schamanismus gibt, da er keinen verschriftlichten Vorgaben folgt, sondern mündlich überliefert wurde. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten können die Praxis und die Rituale bis heute stark variieren.

Sendungshinweis

Religion aktuell, 20.2.2018, 18.55 Uhr, Ö1

Die schamanistischen Bräuche in Korea ähneln jenen in Sibirien. Nach jahrhundertelanger brutaler Unterdrückung und Verfolgung wird der Schamanismus heute in Südkorea zwar mehr folkloristisch, als Teil des Kulturerbes inszeniert, aber dennoch als Teil neu gefundener Identität zelebriert. Sakrale Elemente der Rituale werden dabei bewusst ignoriert.

Laternen über einem Baum zum Geburtstag Buddhas in Südkorea.

APA/AFP/ Yeon-Je Jung

Buddhas Geburtstag wird in Südkorea mit vielen Lotus-Laternen gefeiert

Buddhismus bis heute wichtig

Der Buddhismus erreichte Korea von Indien aus über China und erlangte schnell viel Einfluss, sodass er im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. die offiziell erklärte Religion in den damals bestehenden Königreichen wurde. In dieser Periode des „ersten kulturellen Schocks“ wurde der Schamanismus damit großflächig abgedrängt.

Rund 1.000 Jahre lang war der Buddhismus die führende Religion in Korea, bis er während der Joseon-Dynastie (15. bis Ende des 19. Jahrhunderts) abgeschafft und durch den Konfuzianismus ersetzt wurde. Der Buddhismus verlor an Einfluss, verschwand aber nicht völlig - das Factbook der CIA weist für das Jahr 2015 15,5 Prozent Buddhisten in Südkorea aus. Die meisten sind damals wie heute Anhänger des Mahayana, einer der großen Hauptrichtungen des Buddhismus.

Studenten des Konfuzianismus in traditionellen südkoreanischen Gewändern

APA/AFP/ Park Yeong-Cheol

Südkoreanische Studenten in einem traditionellen konfuzianischen College

Konfuzianisches Staats- und Sozialgeflecht

Der Konfuzianismus prägte die koreanische Philosophie und institutionelle Ideologie schon seit dem frühen Mittelalter gewissermaßen im Hintergrund und ist bis heute tief in der südkoreanischen Gesellschaft verwurzelt. Zahlreiche Menschen praktizieren Konfuzianismus neben und unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, so das CIA-Factbook.

In der konfuzianischen Staatstheorie, die auf moralischer Vervollkommnung der Gesellschaft gründet, lebt der Mensch in hierarchischen sozialen Geflechten, wobei der Grundbaustein die Familie ist – mit dem Vater als Oberhaupt. Der Staat wird analog zur hierarchischen Struktur der Familie gedacht. Ist der Herrscher gut, so Konfuzius, dann folgen seine Untertanen ihm aus eigenem Willen. Wenn er selbst unmoralisch handle, werde auch der Staat zwangsläufig in Chaos verfallen.

Südkoreanische Muslime im Soldatengewand

Reuters/You Sung-ho

Die ersten südkoreanischen Muslime waren Soldaten

Kleine muslimische Gemeinde

Die ersten Koreaner, die mit dem Islam in Berührung kamen, waren jene, die Anfang des 20. Jahrhunderts während der japanischen Kolonialherrschaft in den Nordosten von China zogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten wenige von den zum Islam Konvertierten nach Korea zurück. Sie hatten jedoch keine Möglichkeit, Gottesdienste abzuhalten, bis während des Koreakrieges (1950-1953) Soldaten der türkischen Truppen, die zu den UNO-Streitkräften gehörten, nach Korea kamen und ihnen erlaubten, an ihren Gottesdiensten teilzunehmen.

1955 wurde die Religion offiziell anerkannt, bald darauf wählte man den ersten koreanischen Imam. 2015 gab es laut Factbook etwa 100.000 südkoreanische Muslime. Seit 1976 steht in der Hauptstadt Seoul die Hauptmoschee der Gemeinde, weiter kleinere sind über das Land verteilt.

Südkoreanische Christen mehrheitlich evangelisch

Von den christlichen Konfessionen stellen mit Abstand die evangelischen, insbesondere die presbyterianischen Kirchen, den größten Anteil. 2015 wurden 19,7 Prozent Protestanten und sieben Prozent Katholiken gezählt. Ab den 1960er Jahren erlebte das Christentum mit dem Wirtschaftsaufschwung - und der Missionspolitik der USA - einen Aufschwung. Korea befand sich nun in der Periode des „zweiten kulturellen Schocks“.

Katholische Nonnen in Südkorea beim Papstbesuch 2014

Reuters/Kim Hong-Ji

2014 empfingen südkoreanische Nonnen Papst Franziskus

Und doch ist der christliche Glaube bereits einige Zeit länger vertreten. Die römisch-katholische Kirche in Korea feierte 1984 bereits ihr zweihundertjähriges Bestehen. Zu diesem Anlass reiste Papst Johannes Paul II. nach Seoul, wo er 93 Koreaner und zehn französische Missionare heiligsprach. Es war das erste Mal, dass eine Heiligsprechung nicht im Vatikan stattfand. Damit hat Korea die viertgrößte Zahl an Heiligen weltweit. 2014 stattete Papst Franziskus dem Land einen Besuch ab.

Synkretismus bei neureligiösen Bewegungen

Die meisten von den über 240 neuen religiösen Bewegungen sind Vermischungen aus mehreren Religionen und Glaubensrichtungen. Die Angehörigen dieser Bewegungen folgen meist „Erlösern“, die sich als auf die Erde gesandt verstehen, um die Menschheit zu retten. Viele der neuen Glaubensbewegungen haben eine konfuzianische Morallehre, entleihen ihre Riten dem Buddhismus und haben in der Ausübung taoistische Formen.

Südkorea garantiert laut Verfassung Religionsfreiheit: Zu wem die südkoreanischen Athletinnen und Athleten ihr Stoßgebet kurz vor dem Startschuss entsenden oder ob sie das überhaupt tun, bleibt also ihnen allein überlassen.

Valentina Bobi, für religion.ORF.at

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