„Familienfasttag“: Frauen säen Getreide statt Gewalt

Die katholische Frauenbewegung Österreich (kfbö) stellte am Dienstag beim traditionellen Fastensuppenessen zum „Familienfasttag“ ihre Aktion, Pflanzen statt Gewalt zu säen, vor.

Das Benefiz-Suppenessen der kfbö hat bereits Tradition und in diesem Jahr eine ganz besondere - bereits seit 60 Jahren unterstützt die Organisation weltweit Projekte. Anlässlich des „Familienfasttags 2018“ fand es heuer im Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg statt.

Auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und der Katholischen Frauenbewegung Österreichs nahmen viele die Gelegenheit wahr und spendeten für die kolumbianische Partnerorganisation der Katholischen Frauenbewegung „Vamos Mujer“. Es gehört zu rund 100 Projekten in Asien, Afrika und Lateinamerika, die die Aktion Familienfasttag unterstützt.

Neben hochrangigen Gästen aus Kirche und Politik waren dazu auch die „Vamos Mujer“-Aktivistinnen Ana Maria Berrio Ramirez und Melissa Villegas Franco aus dem heurigen Schwerpunktland der Spendenaktion in Kolumbien angereist. Das Gebiet Antioquia in Kolumbien ist von jahrezehnten Bürgerkriegen geprägt, die Spuren in Form vergrabener Antipersonen-Minen hinterlassen haben. Unter dem Motto „Friedensaktiv: Frauen für eine gerechte Welt“ engagieren sich Frauen für Gerechtigkeit, Frieden und die Möglichkeit, politisch aktiv zu sein.

Zwei Teller Fastensuppe und Brotscheiben

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Die Spenden-Aktion Familienfasttag besteht seit 60 Jahren

Frauen in Friedensprozesse einbeziehen

Ein Sohn von Marta Alvarez habe durch eine Mine einen Fuß und sein Augenlicht verloren, berichtete Pernsteiner. Doch Marta sei nicht auf Rache aus. Ihr Denken und Tun sei weder von Wut noch von Hilflosigkeit bestimmt. „Sie pflanzt, sie geht mit den Frauen auf die Straße, um gegen Gewalt in all ihren Erscheinungsformen, für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten“, so die kfbö-Vorsitzende.

„Vamos Mujer“ sei eines von rund 100 Projekten in Asien, Afrika und Lateinamerika, die mit dem Familienfasttag unterstützt werden. Mit der Aktion wirke die Frauenbewegung dem Umstand entgegen, dass weltweit Frauen und Kinder, die von Krieg und Konflikten am stärksten Betroffenen sind, kaum am Friedensprozess beteiligt werden, so Pernsteiner. Das Motto „Teilen spendet Zukunft“ sei 60 Jahre nach der Gründung der Spendenaktion aktueller denn je.

„Friede ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“

Neben dem Familienfasttag versuche die Katholische Frauenbewegung u.a. auch mit Initiativen wie „Christlich geht anders“, einem Bündnis zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Österreich, oder mit den „Omas gegen Rechts“ Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen. „Wir - Frauen in Kolumbien wie Frauen in Österreich - wissen es“, erklärte Pernsteiner abschließend: „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Stärken wir einander auf unseren Wegen!“

FARC-Terroristin und -opfer versöhnt

Wie eindrucksvoll Versöhnung in Kolumbien gelingen kann, schilderte Kardinal Schönborn in seinem Grußwort anhand einer persönlichen Begegnung: Als Teilnehmer am Weltkongress der Barmherzigkeit habe er vor vier Jahren in Bogota zwei Frauen erlebt, die ihn sehr an die auf dem Plakat des diesjährigen „Familienfasttags“ abgebildeten erinnerten; beide hätten sich in der Stiftung „Victimas visibles“ (dt.: sichtbare Opfer) engagiert - aber mit völlig verschiedenen Zugängen.

Eine sei das Opfer eines Brandanschlags auf eine Dorfkirche, die neben ihr sitzende ehemalige Terroristin der Guerillabewegung FARC und sichtlich von einer Krebserkrankung gezeichnet. Die ehemalige Kämpferin habe sich irgendwann ermattet an ihre Sitznachbarin gelehnt, die noch sichtbare Brandnarben des FARC-Attentats trug - für Schönborn ein „unvergessliches“ Sinnbild der kfb-Plakatbotschaft „Gemeinsam für eine Zukunft ohne Gewalt“.

Die ideologischen, ökonomischen und von Aufhetzung gekennzeichneten Konflikte, die zum jahrzehntelangen Bürgerkrieg in Kolumbien führten, sollten auch hierzulande als Mahnung dienen, sagte der Kardinal. Der Friede werde brüchig, in Kolumbien und Österreich, wenn Solidarität und Nächstenliebe nicht aktiv gepflegt werden. Dies seit 60 Jahren nachhaltig zu tun, sei ein dankenswertes Verdienst der Katholischen Frauenbewegung.

Gegen nationalistische Engführung in Politik

Margit Fischer, ehemalige „First Lady“ pflichtete in ihrer Festrede Kardinal Schönborn bei, der vor einiger Zeit zurecht festgestellt habe, dass Nächstenliebe nicht räumlich, verwandtschaftlich oder national begrenzt sein darf. „Wir müssen dringend auch über die Grenzen unseres Landes blicken“, appellierte Fischer. Eine Politik, die globale Probleme nur aus der Perspektive des eigenen Landes und mit mangelnder Rücksichtnahme auf andere betrachte, „kann keine gute Politik sein“. Fischer konkretisierte dies am Beispiel des Umgangs mit Flüchtlingen. Menschenwürde müsse „auch für Flüchtlinge gelten“. Sie selbst sei als ehemaliges Flüchtlingskind dem Aufnahmeland Schweden zeitlebens „sehr dankbar“.

Grundsätze der Menschlichkeit seien nach den Worten der Präsidentengattin nicht nur in „heiligen Zeiten“ hochzuhalten. „Es gilt, auch im eigenen Land zu vermeiden, Wasser zu predigen und Wein zu trinken.“ Die kfb zeigt laut Fischer, „dass es darum geht, sich zusammenzuschließen, gemeinsam zu handeln, zu teilen“.

Schmidauer: Mittel für EZA erhöhen

Auch Doris Schmidauer, Ehefrau von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, würdigte die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Aktion Familienfasttag, mit der die kfb als älteste Frauenorganisation für Entwicklungszusammenarbeit Spuren in Österreich und darüber hinaus hinterlassen habe.

Organisationen wie die Frauenbewegung trügen dazu bei, dass Konflikten zugrunde liegende Missstände wie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, soziale Ungleichheit und mangelnde Geschlechtergerechtigkeit gegengesteuert wird. An die Bundesregierung appellierte Schmidauer, ein klares Bekenntnis zu globaler Verantwortung abzugeben und die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auf die angepeilten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen.

Sobotka: Verantwortung in der Welt wahrnehmen

Nationalratspräsident und „Gastgeber“ Wolfgang Sobotka bekannte sich in seinem Grußwort zum Teilen als Grundprinzip einer menschlichen Gesellschaft und permanente Richtschnur auch des politischen Handelns. Gerade in einem Gedenkjahr der Republiksgründung vor 100 Jahren müsse Österreich seiner Verpflichtung nachkommen, Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Dass dies in einem christlichen Sinn weltumspannend sein soll, lebe die Katholische Frauenbewegung seit sechs Jahrzehnten vor.

Kfbö-Vorsitzende appelliert an Politik

Von der kfbö-Vorsitzenden Veronika Pernsteiner erhielt Sobotka ein von der österreichischen Künstlerin Melisande Seebald gestaltetes Herz als Geschenk, verbunden mit dem Ersuchen, „im Parlament und in der Regierung eine Politik einzufordern, die von Empathie und Solidarität getragen ist und die Bedürfnisse der Schwächsten in der Gesellschaft im Blick hat“.

Auch die rund 250 Gäste richteten Appelle an den Nationalratspräsidenten in Form von Karten, die beim Benefizsuppenessen ausgeteilt wurden. U.a. wurde laut einer kfbö-Aussendung am Mittwoch eine zusätzliche EZA-Milliarde gefordert.

Prominenz aus Kirche und Politik

An den von der Wiener Tourismusschule „Modul“ zubereiteten Fastensuppen labten sich anschließend u.a. der Apostolische Nuntius in Österreich, Peter Stephan Zurbriggen, Militärbischof Werner Freistetter, Altbischof Maximilian Aichern, Caritas-Präsident Michael Landau, Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka sowie Sr. Beatrix Mayrhofer und Abtpräses Christian Haidinger als Vertreter der Ordensgemeinschaften.

Prominente Vertreter des öffentlichen Lebens waren Staatssekretärin Karoline Edtstadler, Wirtschaftsbundpräsident Harald Mahrer, Nationalratsabgeordnete der SPÖ, ÖVP sowie der Liste Pilz und mit Botschafterin Margit Klestil-Löffler eine dritte (ehemalige) Gattin eines österreichischen Bundespräsidenten. Moderatorin des Abends im Parlament war Christine Haiden, Chefredakteurin des kfb-Magazins „Welt der Frauen“.

religion.ORF.at/KAP

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