Pelinka: Bischöfe passten sich 1933 und 1938 an

Der Politologe Anton Pelinka hat im Interview mit den aktuellen Kirchenzeitungen der Kooperationsredaktion gesagt, die Bischöfe hätten eine Adaptierung an das jeweilige herrschende Regime betrieben - auch gegenüber dem NS-Regime.

Anlass des Gesprächs waren Pelinkas kürzlich im Böhlau-Verlag erschienenes Buch über die Erste Republik „Die gescheiterte Republik“ sowie der bevorstehende 85. Jahrestag der Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie durch Kanzler Engelbert Dollfuß am 4. März 1933.

Befragt, warum die Bischöfe zwar 1918 den Übergang zur Demokratie begleitet hatten, 1933 aber bereit gewesen seien, den autoritären Weg („Ständestaat“) zu unterstützen, verwies Pelinka auf die Entwicklung in Italien. Denn die Bischöfe hätten sich primär als Vertreter des Heiligen Stuhls verstanden und dessen schon in Italien praktizierte Politik für Österreich mitgemacht.

Politologe Anton Pelinka

APA/Georg Hochmuth

Politologe Anton Pelinka

Kein Widerstand von Bischöfen

„Infolge der Lateranverträge von 1929 zwischen Mussolinis Italien und Pius XI. hat die Kirche die Akzeptanz der Demokratie zugunsten einer Akzeptanz faschistischer Tendenzen aufgegeben. Die Bischöfe haben eine Adaptierung an das jeweilige herrschende Regime betrieben - auch gegenüber dem NS-Regime“, so der Politikwissenschaftler. In der Kirche selbst, nicht im Episkopat, habe es aber Menschen wie Franz Jägerstätter gegeben, „die Widerstand geleistet haben“.

Nicht durchsetzen können hätten sich die weitsichtigen politisch aktiven Katholiken - wie vor allem der Wiener Vizebürgermeisters Ernst Karl Winter. Sie hätten für einen Brückenschlag der christlich-sozialen Politik zur Sozialdemokratie plädiert, wofür aber ab 1934 keine Chance mehr gewesen sei.

Denn „Dollfuß und sein Nachfolger Schuschnigg haben auf das faschistische Italien gesetzt in der Hoffnung, Mussolini wäre der Garant der Unabhängigkeit Österreichs gegenüber Deutschland“. Dies habe sich später als falsch erwiesen. Wegen Mussolini, der dies forderte, seien aber die Brücken zur Sozialdemokratie abgebrochen worden. „Insofern waren die Bemühungen von Winter ein tragischer Fall, der aufzeigt, was möglich gewesen wäre“, so Pelinka.

1933 weniger präsent als 1938

Er bedauerte, dass die Ausschaltung des Parlaments 1933 im öffentlichen Gedenken viel weniger präsent sei als der „Anschluss“ 1938: „Was den März 1933 vom März 1938 unterscheidet, ist die Dramatik: Der Konflikt zwischen einer zur Diktatur entschlossenen Regierung und einem punktuell handlungsunfähigen Parlament war weniger dramatisch als der Bürgerkrieg 1934 oder der Einmarsch 1938. Die Bedeutung der Ereignisse 1933 ist dennoch hoch: De facto war dies das Ende der Republik mit der Verfassung von 1920.“

Damals hätten jene Netzwerke gefehlt, die das Scheitern der Demokratie hätten aufhalten können, analysierte der Politologe: „Da war keine Gesprächsbasis zwischen Regierung und Opposition. Nach 1945 haben wir diese Basis erreicht. Wir wissen heute aber nicht, welchen Herausforderungen sie noch ausgesetzt sein wird.“

„Bitteres Lernen“ von 1918 bis 1945

Österreichs Politik habe 1920 zwar eine tragfähige Verfassung zustande gebracht, was „ein vernünftiger methodischer Konsens“ gewesen sei. Was gefehlt habe, sei allerdings der inhaltliche Konsens gewesen.

„Unter Demokratie hat damals jeder etwas anderes verstanden. Republik bedeutete nur, dass der Kaiser weg war. Als die ökonomische und außenpolitische Lage sich verschlechterte, zeigten sich diese Gegensätze.“ Es habe sieben Jahre NS-Herrschaft und davor vier bis fünf Jahre autoritäre Herrschaft gebraucht, um nach 1945 den methodischen Konsens mit einem inhaltlichen zu ergänzen. Dazu gehöre, dass die Demokratie nicht nur ein Kampffeld unterschiedlicher Ideen ist, sondern ein Wert an sich. „Das war ein bitteres, aber - soweit wir heute wissen - erfolgreiches Lernen“, so der Politologe.

religion.ORF.at/KAP

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