Kardinal Pell wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht

Wegen Missbrauchsvorwürfen muss sich der australische Kardinal George Pell als bislang ranghöchster katholischer Geistlicher vor Gericht verantworten. Die gerichtlichen Anhörungen werden fortgesetzt. Ob es zum Prozess kommt, ist noch ungewiss.

Nach sechs Monaten Pause wurde am Montag in Melbourne die gerichtliche Anhörung gegen den 76-Jährigen, einen Vertrauten von Papst Franziskus, wieder aufgenommen. Die Justiz entscheidet vermutlich im April, ob gegen den bisherigen Finanzchef des Vatikans ein Prozess eröffnet wird.

Als Finanzchef war Pell bislang die inoffizielle Nummer drei des Kirchenstaates. Gegen ihn gibt es Vorwürfe, sich als Priester in seiner Heimatgemeinde Ballarat (1976-1980) und als Erzbischof von Melbourne (1996-2001) zurückreichen. Auch an der Vertuschung von Missbrauchsfällen soll er beteiligt gewesen sein. Der Kardinal streitet alle Vorwürfe ab, ließ sich jedoch im Juni vergangenen Jahres vom Papst beurlauben. Die Anhörung hatte bereits Ende Juli begonnen. Bislang kommt sie aber kaum voran.

Kardinal George Pell am ersten Tag der Fortsetzung der Anhörungen im Missbrauchsskandal

APA/AFP/Paul Crock

Kardinal George Pell am Montag bei der Fortsetzung der Anhörungen im australischen Missbrauchsskandal

17 beschuldigte Priester

Die Bergbaustadt Ballarat in der Nähe von Melbourne ist Epizentrum des australischen Missbrauchsskandals. 139 Menschen hatten vor der staatlichen Missbrauchskommission berichtet, als Kinder zwischen 1980 und 2015 in Ballarat sexuell missbraucht worden zu sein. Von den 21 als Täter Beschuldigten waren 17 Priester.

In der vergangenen Woche zog die Staatsanwaltschaft nach dem Krebstod eines Hauptzeugen, Damian Dignan, eine der Klagen gegen Pell zurück. Dignan hatte im März 2016 in einem Interview die Ermittlungen gegen ihn ins Rollen gebracht. Die Polizei des australischen Bundesstaates Victoria setzte daraufhin eine Sonderermittlungsgruppe ein, die den Vorwürfen nachgehen sollte. Im Oktober 2016 waren Polizeibeamte aus Melbourne nach Rom gereist, um den Kardinal zu vernehmen.

Rund 50 Zeugen erwartet

Beim Betreten des Gerichts gaben weder Pell noch seine Anwälte Erklärungen ab. Zu der auf vier Wochen angesetzten Anhörung werden etwa 50 Zeugen erwartet. Die meiste Zeit findet das Verfahren hinter verschlossenen Türen statt. Am Ende entscheidet eine Untersuchungsrichterin, ob die Beweise für einen Prozess ausreichen. Pells Anwalt Robert Richter warf der Polizei am Montag vor, die Ermittlungen voreingenommen zu führen.

2002 war Pell vor einer kircheninternen Untersuchungskommission der Erzdiözese Melbourne aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf freigesprochen worden, als junger Priester einen Mann in einem Zeltlager sexuell missbraucht zu haben. Mit der „Melbourne Response“ schuf Pell als Erzbischof von Melbourne im Oktober 1996 das erste Verfahren zum Umgang mit Missbrauchsfällen in der australischen Kirche und kam damit den nur wenige Wochen später veröffentlichten Standards „Towards Healing“ der Bischofskonferenz zuvor.

religion.ORF.at/dpa/KAP/KNA

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