Gedenkjahr: Bischöfe räumen christliches Versagen ein

Anlässlich des Gedenkens an den „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland vor 80 Jahren räumen die katholischen Bischöfe Österreichs ein christliches Versagen ein.

Die damaligen Bischöfe hätten - wie auch Politiker, Künstler und Wissenschaftler - nach der Besetzung Österreichs die katastrophalen und menschenverachtenden Konsequenzen „nicht deutlich genug erkannt oder benannt“.

Erklärung „1918 - 1938 - 2018 Erinnern und Gedenken“

Auch heute schmerze noch, dass die Christen - „auch und gerade die Bischöfe“ - 1938 und in den Jahren des NS-Furors danach „nicht stärker der Macht des Hasses, der Unmenschlichkeit und der Diktatur entgegengetreten sind“, heißt es in der Erklärung „1918 - 1938 - 2018 Erinnern und Gedenken“, die die Bischöfe anlässlich ihrer Frühjahrsvollversammlung vergangene Woche in Sarajewo veröffentlicht haben.

Ein „jahrhundertelang religiös verbrämter Antijudaismus“ habe schließlich zur Folge gehabt, „dass Christen insgesamt einem national und rassisch begründeten Antisemitismus nicht entschieden genug widerstanden“. Erst viel zu spät sei „traurig und beschämt“ erkannt worden, „dass mit der Zerstörung der Synagogen und der Shoah unschuldige und wehrlose Menschen getötet und der Name des Ewigen geschändet wurde“.

„Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft“

In ihrer am Sonntag von Kathpress veröffentlichten Erklärung betonen die katholischen Bischöfe auch die Notwendigkeit, für das heutige Zusammenleben die Lehren zu ziehen. Es gelte, sich den „mühsam errungenen Wert von Menschenrechten, Demokratie und Gemeinwohl“ wieder so bewusst zu machen, „dass der Einsatz dafür angesichts immer wieder vorhandener Gefährdungen stärker ist und bleibt“.

Die Bischöfe erinnern auch daran, dass die politischen Verantwortlichen nach 1945 statt auf Rache und Misstrauen auf Recht und Kooperation gesetzt hätten. „Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ - die bis heute gültige Formel aus dem „Mariazeller Manifest“ von 1952 - sei zum Leitwort für das breite Wirken der katholischen Kirche in Österreich geworden.

Bünker: „Das Verbindende in den Vordergrund stellen“

Eine ähnliche Lehre zieht auch der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker: Die Erinnerung an die Ereignisse von damals sei wichtig, um zu sehen, mit „wie wenig Entschlossenheit und Selbstgewissheit im damaligen Österreich“ die politischen Kräfte, aber auch die Kirchen auf den Nationalsozialismus reagiert hätten.

Zugleich könne die Geschichte lehren, dass es in einer Demokratie notwendig ist, „im Interesse der Freiheit auch die eigenen weltanschaulichen Lager und Grenzen ein Stück weit zu überschreiten und Verbindungen einzugehen“, heißt es in einer Stellungnahme Bünkers. Es sei wichtig, das Verbindende in den Vordergrund zu stellen und die Humanität als gemeinsamen Auftrag zu sehen.

Erklärung des Vorstandes des ÖRKÖ

Bereits am Samstag hatte der Vorstand des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) in einer Erklärung unterstrichen, dass den christlichen Kirchen eine Mitschuld an jener Entwicklung zukomme, die vor 80 Jahren zum „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich führte:

„Auch die christlichen Kirchen waren vom Ungeist mitbetroffen, der dem NS-Regime den Boden bereitet hat. Manche Kirchen bejubelten nicht nur den ‚Anschluss‘, sondern trugen auch die NS-Politik, sei es den Antisemitismus, sei es die Auslöschung vermeintlich unwerten Lebens, voll und ganz mit, was uns heute schamvoll als Verrat am Evangelium erscheint“, heißt es in der Erklärung.

religion.ORF.at/APA

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