VfGH-Urteil: Diakonie und Caritas erfreut

Die evangelische Diakonie sowie die Caritas der Diözesen Wien und St. Pölten begrüßen das Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), die Mindestsicherungsregelung in Niederösterreich als „unsachlich und daher verfassungswidrig“ aufzuheben.

Für die evangelische Diakonie kommt das Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Verfassungswidrigkeit der gedeckelten Mindestsicherung und einer Wartefrist auf Anspruch in Niederösterreich „zur rechten Zeit“. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in der Märzsession weitere Klarstellungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung getroffen.

Eine von der Dauer des Aufenthalts in Österreich abhängige Wartefrist für die Mindestsicherung in voller Höhe und eine starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen im niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz „sind unsachlich und daher verfassungswidrig“.

VfGH: Zweck verfehlt

Wörtlich heißt es in der Entscheidung vom 7. März 2018: „Das mit § 11b NÖ MSG geschaffene System (der Deckelung, Anm.) nimmt keine Durchschnittsbetrachtung vor, sondern verhindert die Berücksichtigung des konkreten Bedarfes von in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen. Dadurch verfehlt dieses System der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ab einer bestimmten Haushaltsgröße seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen.“

Für das Hilfswerk der evangelischen Kirche kommt dies „zur rechten Zeit“, denn niemand könne „Gesetze wollen, die bedeuten, dass mehr Menschen in Obdachlosigkeit leben, und Ausbeutung jeglicher Art ausgeliefert sind“, schrieb Michael Chalupka, Direktor der Diakonie-Österreich, in einer Aussendung am Montag.

Diakonie: „Ungleichbehndlung nicht möglich“

Die Forderung der Caritas nach einer bundesweiten Regelung habe nun Rückenwind bekommen, und es sei auch sinnvoll, das „für alle zwischen Bodensee und Neusiedlersee dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen gelten sollten“, so der St. Pöltner Caritas-Sprecher Christoph Riedl-Daser im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „Kathpress“. „Menschenwürde kann nicht gedeckelt werden.“

Chalupka schrieb in seiner Stellungnahme: „Durch die heutige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, dass zentrale Bestimmungen des seit Jänner 2017 wirksamen niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetzes verfassungswidrig sind, wird eines der großen Vorhaben des Regierungsprogrammes obsolet.“

Die Mindestsicherung stelle das unterste soziale Netz dar, um Menschen zu helfen, existenzielle Notlagen zu überbrücken. Das betreffe alle Menschen, österreichische Staatsbürger ebenso, wie in Österreich anerkannte Flüchtlinge, argumentiert Chalupka. Mit der aktuellen Entscheidung habe der Verfassungsgerichtshof klargestellt, „dass eine Ungleichbehandlung – wie sie auch die Regierung offen anstrebt – verfassungsrechtlich nicht möglich ist“.

Deckelung betrifft drei Bundesländer

Es gehe konkret um die Verfassungswidrigkeit der aktuellen Regelung, die im Wesentlichen niedrigere Bezüge für Asylberechtigte rechtfertigt. Andererseits wurde auch die „Deckelungskürzung“ der Mindestsicherung, also ein Höchstbetrag ab einer gewissen Haushaltsgröße, als verfassungswidrig aufgehoben.

Diese Regelungen fänden nicht nur in Niederösterreich, sondern auch in Oberösterreich und dem Burgenland Anwendung, weshalb die VfGH-Entscheidung „weiter reicht als womöglich auf den ersten Blick ersichtlich ist“.

Caritas: Mindestsicherung reicht oft nicht

„Das Ziel kann jetzt nur sein, eine verfassungskonforme österreichweite Mindestsicherung zu gestalten, die für alle Menschen in Notsituationen, unabhängig von ihrer Herkunft, existenzsichernd ist“, fordert die Diakonie.

Riedl-Daser verwies auch auf die Erfahrung, die die Caritasverbände der Diözesen St. Pölten und Wien in ihren Sozialberatungsstellen und Familieneinrichtungen in Niederösterreich immer wieder machen würden: Schon jetzt reiche die Mindestsicherung oft nicht aus, um die nötigsten Lebenshaltungskosten zu decken. Eine weitere Reduzierung stelle Betroffene vor größte Probleme. „Und die Kirche steht immer auf der Seite der von Armut Betroffenen“, bekannte sich Riedl-Daser zu Parteilichkeit.

Ziel: einheitliche Regelung

Zugleich bot er im Namen der Caritas St. Pölten der neuen niederösterreichischen Landesregierung Zusammenarbeit an, wenn er um die Erarbeitung einer neuen, verfassungsgemäßen Mindestsicherungsregelung geht.

Die österreichische Bundesregierung hält trotz des jüngsten Entscheids des Verfassungsgerichtshofes, die Mindestsicherungsregelung in Niederösterreich aufzuheben, an ihren Plänen fest: Man werde eine bundesweit einheitliche Lösung erarbeiten, die zwischen jenen unterscheidet, „die schon länger in das Sozialsystem eingezahlt haben und jenen Nicht-Österreichern, die neu in das Sozialsystem dazu gekommen sind“.

religion.ORF.at/APA

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