Papst: Besser Ex-Priester als kranke Persönlichkeit

„Mir ist lieber, dass jemand seine Berufung wieder aufgibt, als dass er eine kranke Persönlichkeit wird“, sagte Papst Franziskus am Montag bei einem Gespräch mit mehreren hundert Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

„Reden wir doch einmal Klartext: Wie viele kirchliche Missbrauchstäter enden so, weil man sie nicht affektiv hat reifen lassen?“, so der Papst wörtlich in einem Talk im Rahmen der Vorsynode am Montag im römischen „Pontificio Collegio Internazionale Maria Mater Ecclesiae“ laut Kathpress, bei dem ihm Fragen gestellt wurden.

Der Papst betonte in einer Antwort auf die Frage nach einer gläubig-missionarischen Haltung und Leben im Ordensstand in einer materialistischen Umgebung, dass eine rein geistliche Ausbildung für Priester oder Ordensleute heute nicht hinreichend sei. Dazu müssten eine intellektuelle, eine gemeinschaftliche und eine missionarische Ausbildung treten.

Geistliche nicht „überbehüten“ und „kastrieren“

Man dürfe Menschen, die zu geistlichen Berufen ausgebildet werden, „nicht vor der Welt behüten“, denn das bedeute nahezu, sie zu „kastrieren“. Auch eine Mutter, die ihr Kind zu sehr behüte, nehme ihm etwas weg. „Sie lässt es nicht wachsen. Aber was ich hier von Priestern und Ordensleuten sage, gilt natürlich auch für die Laien. Nicht überbehüten“, so Franziskus. Es sei wie mit Tomaten, die man im Gewächshaus vor der Kälte behüte: „Sie haben keinen Geschmack mehr.“

Papst Franziskus bei einem Gespräch mit mehreren Hundert Jugendlichen und jungen Erwachsenen

APA/AP/Alessandra Tarantino

Papst Franziskus stellte sich den Fragen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Weitere Themen waren Zwangsprostitution, Missbrauch und Internet. Eine junge Frau aus Nigeria, die vor vier Jahren als Opfer von Menschenhandel nach Italien gekommen war, berichtete von einer „dramatischen Erfahrung“ als Zwangsprostituierte, von einer „völlig vernichteten Würde“. In einer Gemeinschaft von Schwestern habe sie eine Art „Auferstehung“ erfahren. „Wie kann man jungen Menschen helfen, sich bewusst zu werden, dass Zwangsprostitution ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist?“, fragte sie.

Nigerianerin über „macho-orientierte Kirche“

Viele der Kunden von Prostituierten seien Katholiken, so die Nigerianerin: „Ist die Kirche, die noch zu macho-orientiert ist, in der Lage, sich dieses Problems anzunehmen?“ Franziskus berichtete, dass er letztes Jahr zu Besuch in einem Heim von Ex-Zwangsprostituierten gewesen sei: „Da hörte ich Berichte, die kaum zu fassen sind. Von Schlägen, von Folter, von Misshandlungen. Diese Frauen haben nur überlebt, weil sie ihr Herz verhärtet und die Dinge nicht völlig an sich herangelassen haben.“

Hier handle es sich um eine „Sklaverei unserer Zeit“, so Franziskus. Und dabei gehe er davon aus, dass der überwältigende Teil der Freier, die in Italien zu Zwangsprostituierten gingen, getauft seien. Man könne sich kaum vorstellen, welche „ekelhaften Dinge“ diese Männer von den Frauen verlangten.

Initiativen für Zwangsprostituierte

Immerhin gebe es viele kirchliche Initiativen, um Zwangsprostituierte aus ihrem Netz zu befreien und ihnen zu helfen, sich ein neues Leben aufzubauen. Den Zwangsprostituierten könnten jedenfalls am besten Frauen helfen, und Ordensfrauen gäben ein Beispiel.

Ein nicht getaufter französischer Student sagte, er sehe eine Mauer, wenn er nach dem tiefen Sinn seines Lebens suche. Der Papst antworte, die Gefahr bestehe darin, diese Fragen gar nicht erst hochkommen zu lassen, „aber du hast schon richtig angefangen, weil du diese Fragen zulässt.“

„Mut, offen zu reden“

Man könne sich auch betäuben, doch „man muss den Mut haben, die Wahrheit so brutal zu sagen, wie sie ist - und die Fragen auch“. Die Synode solle dabei helfen, Wege zur inneren Unterscheidung zu finden und den Jugendlichen von heute anzubieten.

„Im Leben ist es immer wichtig, dass man den Mut hat, offen zu reden“, betonte Franziskus, allerdings mit jemanden, „der weise ist und mit dem du reden kannst, der vor nichts erschrickt und zuzuhören weiß“. Ein junger Mensch, der nicht zu wichtigen Entscheidungen über seinen Weg finde, trage mit der Zeit eine Art Tumor in sich, das gehe immer übel aus. Man müsse seine Fragen und Gefühle zulassen. Die „Unterscheidung“, die eines der Themen der bevorstehenden Bischofssynode sei, „ist ein Weg, der das ganze Leben dauert“.

religion.ORF.at/APA

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