Ägypten: Kopten mit Sisi zufrieden, NGOs nicht

Den Kopten gehe es in Ägypten nicht schlecht, meint Bischof Daniel, Stellvertreter von Papst Tawadros II. Menschenrechtsaktivisten haben aber Zweifel.

„Priestermangel?“ - Bischof Daniel kann darüber nur lachen. Dieses Problem kennen die christlichen Kopten in Ägypten nicht. „Viele Jugendliche wollen Priester sein“, sagt er zu österreichischen Journalisten in Kairo. „Ihr könnt ein paar von uns haben“.

Priester ohne Zölibat

Vielleicht ist der Priesterberuf bei den Kopten auch deshalb attraktiver als in der katholischen Kirche, weil er nicht mit dem Zölibat verbunden ist. Wer höhere Weihen wie ein Bischofsamt oder jenes des koptischen Papstes anstrebt, gehört freilich meist dem Mönchsstand an, lebt also ehelos. Im Alltag ist es aber sogar erwünscht, dass Priester Familien haben. „Sie müssen die Probleme der Menschen ja besser verstehen“, meint Bischof Daniel.

Unter der Herrschaft von Präsident Abdel Fattah al-Sisi habe sich die Lage der Kopten verbessert, versichert der Bischof. „Wir haben gute Beziehungen zum ägyptischen Staat“. Auch der Präsident habe beste Kontakte zu Papst Tawadros. Seitdem im Dezember 2016 in der koptischen Markus-Kathedrale von Kairo bei einem Sprengstoffanschlag 28 Menschen - die Opfer waren fast ausschließlich Frauen und Mädchen, wie in einem Gedenkraum der Kathedrale zu sehen ist - getötet worden waren, ist das Gotteshaus streng bewacht.

Keine Wahlempfehlung

Sisi, selbst gläubiger Muslim, war seit dem Anschlag von 206 demonstrativ bei den koptischen Weihnachtsgottesdiensten zu Gast. Zudem ließ in der „neuen Hauptstadt“ in der Nähe von Kairo auch auf Staatskosten eine neue Kathedrale errichten. Eine Wahlempfehlung für Sisi werde die koptische Kirche aber dennoch nicht abgeben. Das müsse jeder für sich entscheiden. „Wir rufen nur dazu auf, an der Wahl teilzunehmen.“

Ein koptischer Priester erteilt einer Frau die Kommunion in Road al-Farag, Kairo

APA/AFP/Virginie Nguyen Hoang

Die Kopten stellen in Ägypten die größte christliche Gemeinschaft

Die Gefahr gehe derzeit von dschihadistischen Extremisten aus, während der Kurzzeit-Herrschaft der Muslimbrüder unter Präsident Mohammed Mursi vom Juni 2012 bis Anfang Juli 2013 habe es auch Übergriffe der muslimische Bevölkerung auf Einrichtungen der Kopten gegeben. Im Jahr 2013 seien über 35 Kirchen niedergebrannt oder schwer beschädigt worden, berichtetet auch die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Die IGFM und andere kritische NGOs sehen Minderheiten wie die Kopten in Ägypten in größer Bedrängnis.

NGO: Auch Kopten diskriminiert

„De facto aber sind außer Islam, Christentum und Judentum alle Religion verboten“, kritisierte die IGFM Mitte März in einer Aussendung. Aber auch die christlichen Kopten würden staatlich diskriminiert und gesellschaftlich an den Rand gedrängt, stellte die IGFM fest. „Sie leben in ständiger Sorge vor Übergriffen und Mordanschlägen durch Islamisten.“

Auch Sisis „viel beachtete symbolische Gesten“ gegenüber den Kopten hätte an den Grundproblemen der christlichen Minderheit aber nichts geändert. Im Bildungssystem, im öffentlichen Sektor und in weiten Teilen der Gesellschaft gebe es eine drückende Diskriminierung und viele Vorbehalte. „Selbst in staatlichen Institutionen wie der weltberühmten Ashar-Universität können Scharfmacher ungehindert Menschenrechtsverletzungen an Andersgläubigen und Frauen propagieren und das gesellschaftliche Klima weiter vergiften“, kritisierte IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.

Fundamentalismus „ignoriert“

Die Ursache für die Probleme der Kopten sei nach Auffassung der IGFM ein immer stärker werdender islamischer Fundamentalismus, den die Regierung ignoriere. Das rückwärtsgewandte, extrem konservative islamische Gedankengut sei der Nährboden, auf dem der Extremismus immer stärker werde. Das Regime bekämpfe jedoch ausschließlich die politischen Strömungen des Islamismus, die eine aktuelle Bedrohung der Macht des Militärs darstellen.

Das seien vor allem die Muslimbrüder und der ägyptische Ableger der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Unpolitische, aber viel radikalere Gruppen als die Muslimbrüder würden unterdessen mit Erfolg ihr fundamentalistisches und menschenrechtsfeindliches Weltbild verbreiten. „Sie säen Hass gegen Andersgläubige und alle, die für Demokratie eintreten“, kritisiert die IGFM.

IGFM: Willkürliche Massenverhaftungen

Nach Überzeugung der IGFM treibe die Regierung durch willkürliche Massenverhaftungen und Folter selbst völlig Unbeteiligte in die Arme der Islamisten. Gleichzeitig habe das Militär die Zivilgesellschaft und jene Menschenrechtsgruppen mundtot gemacht, welche die Extremisten bekämpfen könnten. „Denn diese Menschenrechtsaktivisten setzten sich generell für Freiheit ein und werden dadurch von Regierung und Militär als Bedrohung ihrer Macht empfunden und verfolgt.“

Nach Informationen der IGFM haben seit der Machtübernahme des Militärs am 3. Juli 2013 Polizei, Geheimdienst und Militär Zehntausende Ägypter verhaftet und misshandelt. Die Regierung lasse systematisch foltern. Unter dem Feigenblatt der „Terrorismusbekämpfung“ - oder ganz ohne Begründung, werden Muslimbrüder, deren Familienangehörige und vermeintliche Sympathisanten entrechtet, gefoltert oder sie „verschwinden“.

Doch von Anfang an gehörten auch Menschenrechts- und Demokratie-Aktivisten sowie andere Mitglieder der Zivilgesellschaft zu den Opfern, beklagt die IGFM. Die Regierung habe Nichtregierungsorganisationen durch neue Gesetze, durch Willkür und Gewalt gelähmt oder zerschlagen.

Christen „zwischen allen Stühlen“

Die ägyptischen Christen säßen nunmehr „zwischen allen Stühlen“. Viele Kopten sehen bei der Alternative zwischen einer Diktatur von Generälen und einer islamistischen Diktatur letztlich im Militär das kleinere Übel. Daher gelte die koptische Minderheit als Stütze der Regierung von Präsident Sisi und gleichzeitig als Vertreterin westlicher Werte.

Das mache sie aus Sicht der Extremisten erst recht zu einem lohnenden Ziel. Eine demokratische Alternative zum Militär gäbe es in Ägypten derzeit aber nicht, weil die Regierung planmäßig jede politische Opposition und die Zivilgesellschaft erdrosselt habe, so die IGFM. Nach Überzeugung der NGO versuche die Regierung durch diese selbst herbeigeführte Situation des ausschließlichen „wir oder sie“ ihre Willkür und ihren Machtmissbrauch zu rechtfertigen.

Größte christliche Gemeinschaft in Ägypten

Die koptisch-orthodoxe Kirche ist die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Angaben über Mitgliederzahlen schwanken zwischen sieben und zehn Millionen unter den rund 97 Millionen Einwohnern Ägyptens. Weltweit gibt es 15 Millionen Kopten. Sie leben nach Angaben von Bischof Daniel in insgesamt 66 Ländern. Zu ihren bekanntesten Vertretern zählte der frühere UNO-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali (1922-2016).

Oberhaupt der Kopten ist Tawadros II. (seit 2012). Er trägt den Titel „Papst von Alexandria und Patriarch des Heiligen Stuhls von St. Markus“. Der Begriff Kopten ist aus dem arabischen Wort für Ägypter hergeleitet. Offiziell können die Kopten ihre Religion in Ägypten frei ausüben. Spannungen mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit gibt es vor allem in ländlichen Gebieten. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Anschlägen islamistischer Fanatiker auf private oder öffentliche Einrichtungen der Kopten.

Die koptische Kirche wurde der Überlieferung nach vor rund 2.000 Jahren vom Evangelisten Markus in Ägypten gegründet. Die eigentliche koptisch-orthodoxe Kirche entstand nach dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451. Damals unterlag der Patriarch von Alexandria im Dogmenstreit um die Natur Jesu Christi. Im Zuge der Islamisierung ab 640 traten viele Kopten freiwillig oder gezwungen zum Islam über.

religion.ORF.at/APA

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