Albanien: Konflikt um muslimische Cham-Minderheit

Im Kontext der intensiven Bemühungen Albaniens, 2025 gemeinsam mit Serbien der EU beizutreten, sind auch ethnisch-religiöse Spannungen in dem Balkanland in den Fokus geraten.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte beim Besuch von Albaniens Ministerpräsident Edi Rama Anfang März betont, Albaniens „natürlicher Platz ist in der Europäischen Union“. Konflikte gibt es derzeit rund um die Minderheit der aus Griechenland umgesiedelten Cham.

Angriffe und Demonstrationen

Cham-Aktivisten hatten zu Jahresbeginn orthodoxe Einrichtungen angegriffen und führen seit Ende Februar Großdemonstrationen durch. Sie fordern von Athen eine Entschuldigung für das, was sie nach dem Zweiten Weltkrieg erlitten hatten und was sie als „Völkermord“ bezeichnen.

Mit Plakaten mit der Aufschrift „Wir werden niemals den Genozid vergessen“ und „Freiheit für Chameria“ forderten die Demonstranten weiters, dass Griechenland ihnen erlaubt, nach Epirus in Nordgriechenland zurückzukehren, von wo sie ausgewiesen wurden.

Zuvor hatte es Cham-Attacken auf orthodoxe Persönlichkeiten und Einrichtungen gegeben. Bisher galt das Verhältnis der albanischen orthodoxen Kirche zu den islamischen Bewohnern des kleinen Balkanlands als vorbildlich. Das betraf sowohl dessen Sunniten wie vor allem die Angehörigen der in Albanien zu einer Volksreligion gewordenen Bektaschi-Derwische.

Gruppe stammt aus Griechenland

Die Cham, Angehörige einer am Ende des Zweiten Weltkriegs aus Griechenland gekommenen Muslim-Gruppe, hatten sich dort dem Vorwurf ausgesetzt gesehen, während der Besatzungszeit zunächst mit den Italienern und dann mit den Deutschen kollaboriert zu haben. Jedenfalls zogen sie sich Ende 1944 mit der deutschen Wehrmacht aus dem griechischen Norden nach Albanien zurück, wo sie sesshaft wurden.

Griechenland, das die Cham-Frage als nicht existent ablehnt, und das Nachbarland Albanien haben Gespräche über eine Reihe von Themen einschließlich ihrer Grenzen aufgenommen. Die Cham sind wütend darüber, dass dabei ihre Forderungen vernachlässigt werden und dass Tirana und Athen damit einverstanden sind, Begriffe wie Chameria und Nordepirus künftig fallen zu lassen.

Ursprünglich Konvertiten zum Islam

Bei den heute 150.000 Cham handelt es sich ursprünglich um Konvertiten vom orthodoxen Christentum zum Islam. Sie hatten diesen im 17. Jahrhundert angenommen, nachdem sie in den Aufstand des Bischofs Dionysios „des Philosophen“ von Trikkala in Thessalien gegen die türkisch-osmanische Obrigkeit verwickelt waren.

Mit ihrem Religionswechsel entgingen sie der Bestrafung und durften auch ihren Grundbesitz behalten. 1923 blieben sie vom sonstigen Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei ausgenommen, bei dem alle anderen Muslime im Gegenzug zu den orthodoxen Christen Kleinasiens und des östlichen Thraziens dorthin auswandern mussten. Sie lebten in dem Küstenland um den Hafen Igoumenitsa.

Bei einem Cham-Angriff in der Stadt Saranda wurde versucht, Erzbischof Anastas Yannulatos ins Meer zu werfen. Im gleichen Ort wurde von der Kirche Shent Haralampi das Kreuz von der Kuppel geschossen. Bereits im Vorjahr hatten Cham in Saranda das Georgskloster besetzt und im Dorf Metochi die Georgskirche niedergebrannt.

religion.ORF.at/KAP/KNA