Religionsrechtler: ATIB-Auflösung wird schwierig

Den türkisch-islamischen Verein ATIB - Betreiber einer Wiener Moschee, in der Kriegsspiele mit Kindern stattgefunden haben sollen - aufzulösen dürfte schwierig werden, so zwei Religionsrechtler.

Dem Verein dürfte im Zuge behördlicher Untersuchungen die verworrene Rechtslage in Österreich zugutekommen: Wohl gäbe es mehrere mögliche Verstöße, die vom zuständigen Kultusamt beanstandet werden könnten, die von mehreren Seiten geforderte Auflösung des Vereins könnte allerdings sehr kompliziert werden. Das haben die beiden Religionsrechtsexperten Stefan Schima und Richard Potz in der aktuellen Ausgabe der „Wiener Zeitung“ dargelegt.

„Doppelgleisigkeit“

So gebe es beim rechtlichen Status von ATIB eine „Doppelgleisigkeit“, erklärte Schima: Einerseits handle es sich dabei um einen Verein, der Dachverband von 65 Moscheevereinen mit über 100.000 Mitgliedern in ganz Österreich ist. Neben dem vom Innenministerium überwachten Vereinsgesetz ist für ATIB jedoch auch das Islamgesetz und somit das im Bundeskanzleramt angesiedelte Kultusamt zuständig.

Schließlich gibt es innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) sechs ATIB-Kultusgemeinden, zudem ist ATIB durch die Person von IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun - der zugleich ATIB vertritt - sehr eng mit der Glaubensgemeinschaft verwoben.

Aufhebung erst in Wiederholungsfall

Aufgrund dieser Doppelgleisigkeit könnte nun zwar die Kultusgemeinde ATIB per Kultusamtbescheid aufhoben werden, legte Potz dar. Die Aufhebung von ATIB als Dachverband dürfe laut Islamgesetz jedoch erst im Wiederholungsfall - also nach Ermahnung der betroffenen Gemeinde - über das Vereinsgesetz erfolgen.

Bisher leitete das Kultusamt ein Verfahren gegen ATIB ein, um drei mögliche Verstöße gegen das erst 2015 in Kraft getretene Islamgesetz zu prüfen, wobei Vergleichsfälle bislang völlig fehlen. Nach der Einvernahme der Verantwortlichen der Kultusgemeinde der betroffenen Moschee sollen dabei eine Sachverhaltsdarstellung erstellt und dann gemeinsam mit Innen- und Finanzministerium weitere Schritte einleitet werden. Die IGGÖ muss zunächst laut Anordnung von Kultusminister Gernot Blümel (ÖVP) bis 27. April über die Vorgänge in der Moschee zu berichten.

Verstoß fraglich

Bei der Prüfung durch das Kultusamt sei es jedoch noch unsicher, ob ein Verstoß etwa gegen die „positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“ nachgewiesen werden könne, gab Schima zu bedenken: „Wenn man der Geschichte eines Staates - sei es auch in einer dubiosen Weise - huldigt: Ist das eine Stellung gegenüber Österreich, die man als kritisch gegen Staat und Gesellschaft würdigen kann?“

Die Kriegsspiele in der Wiener Moschee beruhten auf einer „länger bestehenden nationalistisch-kemalistischen Tradition“ und hätten zudem wohl keinen religiösen Charakter, ergänzte Potz. Die auf Mustafa Kemal Pascha (1881-1938) - der später unter dem Namen Atatürk zum Präsident gewordene Held der Schlacht von Gallipoli - verweisende Tradition werde nun jedoch womöglich „gezielt von Erdogan-Anhängern für religiöse Zwecke vereinnahmt“, so der frühere Lehrstuhlinhaber für Religionsrecht an der Universität Wien.

Zu wenige Details

Für die Feststellung eines zweiten möglichen Vorwurfs - der „Behinderung der Entwicklung der Kinder“ - mangle es derzeit noch an Details, und auch das Verhältnis zwischen Kindeswohl und österreichischem Religionsrecht sei derzeit laut Schima noch „etwas unklar“. Das Kultusamt prüft drittens, ob eine verbotene Finanzierung aus dem Ausland stattgefunden habe. Dass es hier einen Verstoß gebe, sei mit jetzigem Informationsstand allerdings eher auszuschließen, so Schima.

religion.ORF.at/KAP

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