Verhandlung: Opferplattform kritisiert Kremsmünster

Am Dienstag beginnt der erste Schadenersatzprozess im Missbrauchsfall rund um das Stift Kremsmünster vor dem Landesgericht Steyr (Oberösterreich). Betroffene kritisieren nun, das Stift verweigere Schadenersatz und Verantwortung. Das Stift dementiert.

Ein ehemaliger Schüler gibt an, neben anderen Opfer von sexuellen Übergriffen des damaligen Internatsleiters geworden zu sein, und klagt das Stift Kremsmünster auf Schmerzensgeld. Der betreffende Pater wurde bereits 2013 zu zwölf Jahren Haft verurteilt, die er derzeit verbüßt. Der ehemalige Schüler will Schmerzensgeld in der Höhe von 95.000 Euro.

„Stift weist Schuld von sich“

Die Rede ist von sexueller und sadistischer Folter und Prügeln, mindestens 24 Schüler seien davon betroffen gewesen, wie die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt am Freitag in einer Aussendung schrieb. Das Stift Kremsmünster „weist jede Schuld von sich – jetzt, wo es um Schadensersatzforderungen eines ehemaligen Schülers geht, der grausamste Vergewaltigung und Schläge über sich ergehen lassen musste“.

Stift Kremsmünster

APA/Rubra

Stift Kremsmünster: Ein ehemaliger Schüler klagt auf Schadenersatz

Die Opferplattform zitiert aus der in Auszügen religion.ORF.at vorliegenden Klagsbeantwortung des Stifts, wonach der verurteilte und in den Laienstand zurückversetzte Priester „der kirchlichen Schulleitung stets als korrekte Persönlichkeit bekannt gewesen“ sei. „Das Stift weist jede Schuld von sich und ist auch nicht zur Zahlung von Schadenersatz bereit. Dabei leidet der klagende Schüler so wie viele seiner ehemaligen misshandelten Kameraden heute unter massiven psychiatrischen Störungen“, so die Aussendung.

Opfer erhielt bereits Zahlung

Der heute 42-Jährige war von 1987 bis 1996 Internatsschüler in Kremsmünster. Von der von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzten Opferschutzanwaltschaft hat er bereits eine „Gestenzahlung“ in der Höhe von 35.000 Euro erhalten - mehr dazu in Ehemaliger Schüler klagt Stift Kremsmünster.

Doch das Stift rechtfertige sich damit, dass die Übergriffe „außerhalb der Schulzeit erfolgt“ seien, so die Opferplattform unter Bezugnahme auf die Klagsbeantwortung. Es plädiere darüber hinaus auf Verjährung und verweise auf das Öffentlichkeitsrecht der Schule Kremsmünster.

Abt zu Vorwürfen: Haben sofort gehandelt

Der Abt von Kremsmünster, Ambros Ebhart, äußerte sich auf Anfrage von religion.ORF.at zum Vorwurf, das Stift würde sichaus der Verantwortung stehlen: „Als 2010 Vorwürfe bekannt wurden, ehemalige Lehrer und der frühere Konviktsdirektor hätten körperliche und sexuelle Gewalt ausgeübt, haben wir sofort gehandelt und transparent Schritte gesetzt. In vielen persönlichen Gesprächen konnten die Vorwürfe ausgesprochen und behandelt werden, was für die Opfer ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung war.“

Abt Ebhart weiter: „Wir haben uns verpflichtet, den Entscheidungen zu Entschädigungen der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft (sog. Klasnic-Kommission) Folge zu leisten; dadurch konnte Opfern unbürokratisch und ohne dem Risiko eines Gerichtsverfahrens schnell geholfen werden.“

Studie „von meisten Opfern positiv bewertet“

Weiters weist der Abt auf eine vom Stift in Auftrag gegeben Studie des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) in München hin, in der „die Opfersicht aufzunehmen und Hintergründe zu beleuchten, wie es zu diesen Missbrauchsfällen kommen konnte. Diese Studie wurde so wie unser Umgang mit den Vorwürfen von den meisten Opfern und von der Öffentlichkeit positiv bewertet.“

Als „bleibende Erinnerung an die Opfer im Stiftsgelände“ wurde eine Mahntafel „an einem zentralen Ort aufgehängt“, so Ebhart. „Wir bedauern, dass wir nicht mit allen ehemaligen Schülern in gutem Einvernehmen sind und eine kleine Gruppe von Personen wiederholt mit Vorwürfen gegen uns an die Medien herantritt. So kam es bereits zu mehreren Gerichtverfahren, die aber alle zu unseren Gunsten entschieden wurden.“

Was den kommenden Termin am Dienstag angehe, habe er „vollstes Vertrauen in die Gerichte, dass entsprechend der Rechtslage geurteilt wird. Wir wollen weiterhin sachlich und versöhnlich ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Stiftes Kremsmünster aufarbeiten.“

Stift beauftragte Studie

Nach dem Bekanntwerden des Skandals im Jahre 2010 hatte das Stift das Münchner Institut IPP mit einer Studie zur Aufarbeitung beauftragt. In der auf Interviews basierenden Studie wurden 350 Fälle sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt ausgemacht, 24 Personen wurden beschuldigt. Da es sich um keine repräsentative Umfrage handelt, besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Diagnose des IPP lautete „Systemversagen“: Im Kloster habe es an Kommunikation, pädagogischer Ausbildung und sexueller Reife gefehlt, Eltern hätten zu wenig Gespür gezeigt, und auch Polizei und Staatsanwaltschaft wird eine „Teilschuld an der Nichtaufdeckung“ bis 2010 zugeschrieben. Juristisch hatte die Aufarbeitung kaum Auswirkungen, weil die meisten Fälle bereits verjährt waren.

religion.ORF.at

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