Klasnic zu Missbrauch: Fall wird ernst genommen

Rund um einen Fall offenbar wiederholten sexuellen Missbrauchs in einem Heim in Hollabrunn (NÖ) gibt es weitere schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche. Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic sagte am Montag zu religion.ORF.at, der Fall werde ernst genommen.

Eine heute 41-jährige Frau gibt an, sie sei ab 1990 als junges Mädchen in dem kirchengeführten Erziehungsheim in Hollabrunn von dem dort tätigen Kaplan über Jahre hinweg zu sexuellen Handlungen genötigt und zweimal geschwängert worden. Die Frau habe sich am vergangenen Montag, 3. Mai, telefonisch bei der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft (sog. Klasnic-Kommission) gemeldet, sagte deren Obfrau Waltraud Klasnic am Montag im Telefongespräch mit religion.ORF.at.

Fall kommt vor Opferschutzkommission

„Sie hat uns den Fall geschildert, nun wird er sorgfältig geprüft und kommt dann vor die Kommission.“ Zunächst werde es dazu ein Gespräch in der Ombudsstelle geben, dann komme der Fall vor die Opferschutzkommission. „Die Diözesankommission beschäftigt sich mit dem Beschuldigten“, erklärte Klasnic die Vorgehensweise.

Zu Beginn des Missbrauchs sei sie erst 13 Jahre alt gewesen, zitiert die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt die Frau in einer Aussendung. Das aus Bulgarien stammende Mädchen war schon zuvor in ihrer Familie schwerem sexuellem Missbrauch ausgesetzt gewesen. Die Erzdiözese Wien entgegnete, der Geistliche sei erst im April 1994 in die Erzdiözese gekommen und könne erst danach im betroffenen Landesschulheim Dienst getan haben. Das sei knapp vor dem 17. Geburtstag der Betroffenen gewesen.

Waltraud Klasnic

APA/Roland Schlager

Opferschutzbeauftragte Waltraud Klasnic: „Der Fall wird sorgfältig geprüft.“

Frühgeburt und Adoption

Während der ersten Schwangerschaft im Alter von 16 Jahren soll die junge Frau von einer Klosterschwester schwer misshandelt worden sein, um die Schwangerschaft abzubrechen. Als ihre daraufhin 1995 zu früh geborenen Zwillinge dennoch überlebten, sei das Mädchen einige Monate später genötigt worden, die Kinder zur Adoption freizugeben. Der Priester wurde versetzt, er habe eine eigene Pfarre erhalten und arbeite derzeit in Wien, so die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt.

Der von der Klosterleitung informierte Kardinal Christoph Schönborn soll nach ihren Angaben angeordnet haben, dass ihr die Kinder weggenommen werden sollen. Die Erzdiözese Wien dementiert die Vorwürfe und gibt an, Schönborn habe dem Mädchen helfen wollen - mehr dazu in Erzdiözese Wien weist Missbrauchsvorwurf zurück. Der Priester sei zu Unterhaltszahlungen verpflichtet worden, so die Erzdiözese.

„Täter-Opfer-Umkehr“

Die Frau gibt hingegen an, der Kardinal habe ihr unterstellt, sie habe den Kaplan verführt. Schönborn bezeichnete am Wochenende die Handlungen des Priesters als „Affäre“ oder „problematische Beziehung“, die aber ohne jede strafrechtliche Relevanz sei, weil das junge Mädchen sich freiwillig mit dem Priester getroffen habe. Darin sieht die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt in einer Aussendung vom Montag „eine zynische Täter-Opfer Umkehrung“, denn es gehe um Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses bei einem vorbelasteten jungen Mädchen. Die Plattform sieht "Vertuschung, „Bagatellisierung“ und „Verweigerung von Verantwortung“.

Frauenhäuser-Verein „erschüttert“

„Nach all dem, was diese Frau durchgemacht hat, muss man die angeführten Äußerungen als grausam und zynisch bezeichnen“, quittierte das der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser in einer Aussendung via APA am Montag.

„Wir sind zutiefst erschüttert über diese kolportierte Verharmlosung sexueller Übergriffe durch das Oberhaupt der katholischen Kirche in Österreich. Der vorgeworfene sexuelle Missbrauch dürfte noch dazu im Kontext eines Autoritätsverhältnisses stattgefunden haben. Durch Machtmissbrauch und Drohungen werden Kinder und Jugendliche in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt und zum Schweigen gebracht. Sexueller Missbrauch kann schwere bleibende psychische Schäden verursachen und ist gerichtlich strafbar“, so der Verein.

Vorwürfe über Eizellenabnahmen

„Mehr als skandalös“ sei auch eine von der Frau geschilderte „unfreiwillige Eizellenabnahme, die angeblich an ihr und offensichtlich bei mehreren Klosterschülerinnen vorgenommen wurde“, so die Aussendung der Frauenhäuser. Denn es gibt noch weitere, noch drastischere Vorwürfe gegen das Erziehungsheim und das zuständige Kloster: Mädchen seien medikamentös behandelt worden, der Verdacht der Ausbeutung durch regelmäßige Eizellenentnahme wird erhoben.

Kirchenplatz in Hollabrunn

ORF.at/Christian Öser

Hollabrunn: Schwere Vorwürfe gegen ein kirchengeführtes Erziehungsheim

Und die heute 41-Jährige berichtet laut Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt von einer weiteren durch den besagten Priester verursachten Schwangerschaft mit Drillingen, diese habe mit einer Eileiterschwangerschaft geendet. Versuche, ihre Kinder wieder zurückzubekommen oder sie sehen zu können, seien gescheitert, so die Frau. Sie habe versucht, sich das Leben zu nehmen.

Kirche räumt Fehler ein

Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser fordert die Zuständigen auf, für eine vollkommene Aufklärung zu sorgen. „Schließlich ist auch sicherzustellen, dass diese Frau keine Almosen, sondern eine angemessene Entschädigungsleistung erhält.“ Die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt will jetzt die strafrechtliche Dimension des aktuellen Falls prüfen, insbesondere auch, was die Angaben des Opfers bezüglich der angeblichen erzwungenen Eizellentnahme betrifft.

Die Erzdiözese nehme die Sache „sehr ernst“, so der Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller. Die Ombudsstelle der Erzdiözese werde die neu eingebrachten Vorwürfe untersuchen - mehr dazu in Erzdiözese Wien beschäftigt neuer Missbrauchsvorwurf.

Klasnic: „Ausschließlich auf Opfer konzentriert“

Es gehe der Frau wohl seelisch nicht gut, der Fall werde jedenfalls ernst genommen, so Opferschutzanwältin Klasnic. Es sei ganz richtig von ihr gewesen, sich bei der Opferschutzanwaltschaft zu melden. „Sie wird zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Wir gehen einen aus meiner Sicht fairen und geordneten Weg, der sich ausschließlich auf das Opfer konzentriert.“

Die Opferschutzanwaltschaft wurde im April 2010 von Kardinal Christoph Schönborn zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche eingesetzt. Bisher habe man über rund 1.700 Fälle entschieden, „die überwiegende Mehrheit davon hat sich ernst genommen und fair behandelt gefühlt“, sagte Klasnic.

„Nichts, was es nicht gibt“

Zur Frage, was sie von den Vorwürfen halte, in dem Heim seien junge Frauen vermutlich Eizellen entnommen worden, sagte die Opferschutzbeauftragte, das alles müsse man sich ganz genau anschauen, doch „es gibt nichts, was es nicht gibt“.

Klasnic sagte weiter, die 41-Jährige, die sich noch vor der Opferschutzkommission an die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt gewandt habe, habe in dem Gespräch übrigens darum gebeten, „dass das alles nicht an die Öffentlichkeit kommt“.

gril, religion.ORF.at

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