Kirchenorganisation kämpft gegen Kinderprostitution

Der katholische Orden der Salesianer Don Boscos unterstützt in Sierra Leone Projekte für Kinderprostituierte, um ihnen den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen.

Rund 1.000 minderjährige Mädchen arbeiten allein in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, als Straßenprostituierte; die Jüngsten sind neun Jahre alt. Hunger und Armut treiben sie auf die Straße. Das Land liegt nach dem blutigen Bürgerkrieg und der Ebola-Epidemie wirtschaftlich am Boden, ist hoch verschuldet und hat mit großen Problemen zu kämpfen. Die Vereinten Nationen zählen Sierra Leone auf ihrem Index für menschliche Entwicklung zu den ärmsten Ländern der Welt.

Hilfe und Ansprechpartner für Straßenkinder

Der katholische Orden der Salesianer Don Boscos versucht, insbesondere Kindern und Jugendlichen zu helfen. „Don Bosco Fambul“ (Fambul = Familie) heißt das Projekt, das Kinderprostituierten Hilfe und eine Alternative anbietet. Das „Don Bosco-Mobil“ zum Beispiel ist ein umgebauter Bus, in dem die jungen Prostituierten oft erstmals Aufklärung über die Gefahren und mögliche Hilfe erfahren.

Ein umgebauter Bus dienst als Anlauf- und Informationsstelle für Straßenkinder in Sierra Leone

Salesianer Don Boscos

In einem umgebauten Bus bekommen Straßenkinder Hilfe und Informationen.

„Ganz viele Mädchen wurden Opfer von massiver Gewalt und sind schwer traumatisiert“, berichtet der Salesianerpater Jorge Mario Crisafulli, der das Projekt seit 2016 leitet in der Ö1-Sendung Praxis - Religion und Gesellschaft. „Im Bus können sie einen kostenlosen Gesundheitstest machen. Und da ist endlich jemand, der ihnen zuhört und zu dem sie langsam Vertrauen aufbauen können. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, damit der Ausstieg aus der Prostitution gelingen kann.“

Sendungshinweis

Praxis - Religion und Gesellschaft, Mittwoch, 30.5.2018, 16.05, Ö1.

Das Don Bosco Mädchenschutzhaus „plus“ bietet ihnen ein Dach über dem Kopf, Schutz und Unterstützung. Insgesamt leiten vier Salesianerpatres in Freetown neun Programme, in denen 110 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beschäftigt sind.

Lukrativer Menschenhandel

Zwangsarbeit, sexuelle Ausbeutung und zwangsrekrutierte Kindersoldatinnen und Kindersoldaten: Der Menschenhandel zählt weltweit zu den lukrativsten Geschäften, bestätigen Angaben der Vereinten Nationen. In Sierra Leone hat der Kinderhandel seit der Ebola-Krise in den Jahren 2014/15 deutlich zugenommen. Die Epidemie und der jahrelange Bürgerkrieg davor hat bis heute schwere Folgen für das westafrikanische Land.

Viele der Leidtragenden sind Kinder und Jugendliche, wie Aminata, eine 17-jährige Prostituierte erzählt: „Meine Mutter ist tot, meinen Vater kenne ich nicht", ich bin auf mich alleine gestellt“.

Armut zwingt auf die Straße

Crisafulli versuchte bereits vor einigen Jahren, sie von der Straße zu holen und ihr Alternativen anzubieten. Der Argentinier lebt und arbeitet seit 23 Jahren in Afrika und kam auf Einladung der Hilfsorganisation Jugend Eine Welt kürzlich nach Österreich.

„Warum muss ein Mädchen seinen Körper verkaufen, um einmal am Tag etwas essen zu können? Die Jüngsten sind neun Jahre alt, und die Freier zahlen nur ein bis zwei Euro. Die Mädchen wären nicht auf der Straße, wenn die Armut sie nicht dazu zwingen würde. Manche der Mädchen arbeiten nachts als Prostituierte und am Morgen ziehen sie ihre Schuluniformen an und gehen in die Schule, es ist unglaublich“, sagt der Pater.

Pater Crisafulli mit Schützlingen

Salesianer Don Boscos

Pater Jorge Mario Crisafulli mit Schützlingen

Gewalt auch durch die Polizei

Die Zuhälter der Mädchen sind ihre Bezugspersonen, die Schutz vermitteln und ein Dach über dem Kopf. Eigentlich, so erzählt Aminata, ist es ein Loch, in dem es nachts von Ratten wimmelt. Doch wer sind die Freier dieser jungen Mädchen?

Alle Arten von Männern, sagt Pater Crisafulli: Alte und junge, reiche und arme, schwarze und weiße und viele Chinesen. "Viele von ihnen sind Seeleute, deren Schiffe in Freetown Station machen. Das Schlimme ist, dass die Polizei in Sierra Leone die Mädchen und nicht die Kunden und die Zuhälter verfolgt und einsperrt. Manchmal werden die Mädchen in der Nacht aufgegriffen und auf der Polizeistation vergewaltigt, berichtet Crisafulli. Quasi alle Mädchen würden an Krankheiten wie Hepatitis B leiden oder seien HIV-positiv.

Film über Lebensgeschichte

In einem Film, den die Salesianer Don Boscos mit der unterstützung von Jugend Eine Welt über die Kinderprostituierten gedreht haben, erzählen Kinderprostituierte ihre Geschichte und über die Arbeit der Salesianer. Die 1859 gegründete katholische Ordensgemeinschaft geht zurück auf den italienischen Priester Johannes Bosco, kurz „Don Bosco“ genannt. Bis heute ist der Ansatz der Einrichtungen unverändert: Bildung ist der Schlüssel aus der Armut.

Aminata, ein 17-jähriges Mädchen, das vier Jahre lang als Prostituierte gearbeitet hat

Salesianer Don Boscos

Aminata, ein 17-jähriges Mädchen, das nach vier Jahren den Weg weg von der Straße fand

„Wir ermöglichen ihnen, die Grundschule abzuschließen und auch eine weiterführende Schule zu besuchen. Oder sie machen eine Ausbildung als Friseurinnen oder Verkäuferinnen zum Beispiel. Manche erhalten durch einen kleinen Kredit dann die Chance, selbst ein kleines Geschäft aufzumachen, wie Aminata, deren Geschichte wir verfilmt haben“, so Crisafulli.

Die Zukunft in die Hand nehmen

Mehr als 100 Mädchen haben das Training der Salesianer Don Boscos seit dem Beginn des Programms im Jahr 2016 bereits abgeschlossen. Doch aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Sierra Leone meinen viele Jugendliche, im eigenen Land keine Zukunft zu haben. Sie begeben sich auf eine lebensgefährliche Flucht.

„Die Zukunft gestalten heißt, sich Bildung anzueignen und einen Platz hier in der Gesellschaft zu finden“, sagt Pater Crisafulli. „Ich sage ihnen immer: ihr werdet euer Land nicht zum Besseren verändern, wenn ihr aus dem Ausland Geld schickt. Euer Heimatland könnt ihr nur verändern, wenn ihr hier bleibt, gegen Korruption und für Gerechtigkeit kämpft. Mit euren Talenten, mit einer guten Ausbildung könnt ihr hier zu einer besseren Zukunft beitragen! Die Zukunft ist in deiner Hand, in deinem Herzen, in deinem Kopf.“

Maria Harmer, Nina Goldmann, religion.ORF.at

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