Pfingstmontag: Ein neues Fest für Maria

Der Tag nach Pfingsten, allgemein als Pfingstmontag bezeichnet, ist seit heuer unter dem Namen „Maria, Mutter der Kirche“ der Mutter Jesu Christi geweiht. Zur Frage der Bedeutung, die diese Würdigung Marias hat, gibt es unterschiedliche Positionen.

Papst Franziskus entschied im März dieses Jahres, die liturgische Feier für Maria als „Mutter der Kirche“, die es bereits seit den 1975er Jahren gibt, zum offiziellen allgemeinen Gedenktag für die gesamte Kirche zu machen. Da der neue Marienfeiertag ein Gedenktag („Memoria“) ist, wird offengelassen, ob die Feier begangen werden muss oder nicht. Eine liturgische Feier für Maria als „Mutter der Kirche“ gibt es schon länger, nun ist der Gedenktag offiziell.

Papst Franziskus vor einer Marienstatue in Santiago-Kathedrale in Chile

APA/AFP/Osservatore Romano/Handout

Papst Franziskus vor einer Marienstatue in der Santiago-Kathedrale in Chile

Dass Maria beim Pfingstereignis in Jerusalem zugegen war, lehrt das Lukas-Evangelium: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Mit dem neuen Fest versuche Franziskus, die Rolle der Frau in der Kirche über liturgische Neuerungen zu stärken, ist die deutsche Theologin Margit Eckholt überzeugt.

„Die gleiche Würde“ von Mann und Frau

Das neue Marienfest, das am kommenden Pfingstmontag zum ersten Mal weltkirchlich begangen wird, berge Chancen für eine theologische Weiterentwicklung der Frauenfrage in der Kirche, sagte die Osnabrücker Dogmatikprofessorin eine Woche vor dem Pfingstmontag im Interview mit Vatican News.

„Maria steht im Grunde für alle Menschen in der Nachfolge Jesu Christi, und das ist es, was wir heute herausarbeiten müssen. Wir haben die Möglichkeit, über den Blick auf Maria die Volk-Gottes-Ekklesiologie in einer partizipativen Weise weiter zu entfalten. Es geht um die gleiche Würde in der Nachfolge Jesu Christi von Mann und Frau“, so Eckholt. Weitere Neuerungen seien der Einschluss von Frauen in die Fußwaschung am Gründonnerstag, die Aufwertung des Gedenktags zu Maria Magdalena zum Fest sowie ihre Anrufung als „Apostelin der Apostel“.

Klassische Rollen nicht infrage gestellt

Für die Religionswissenschaftlerin Birgit Heller, die an der Universität Wien lehrt und forscht, stellt sich die Sache nicht so klar dar: Klassische Rollenzuschreibungen für Frauen würden durch die Marienverehrung jedenfalls nicht infrage gestellt, sagte Heller im Gespräch mit religion.ORF.at.

Meister des Salemer Heiligenaltars: Pfingstwunder, Sammlung Waldburg-Wolfegg auf Schloss Wolfegg, Ende 15. Jahrhundert

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Maria im Kreise der Apostel während des „Pfingstwunders“, Meister des Salemer Heiligenaltars, Ende 15. Jahrhundert

Maria als Quotenfrau?

Papst Franziskus, wie auch sein Vorgänger Johannes Paul II, den Heller als „sehr großen Marienverehrer“ bezeichnet, hat die Bedeutung, die Maria in seinen Augen für die Kirche hat, immer wieder hervorgehoben. So sagte er während einer Schweden-Reise im November 2016: „Wer ist wichtiger zu Pfingsten, die Apostel oder Maria? Maria! Die Kirche ist weiblich. Es heißt die Kirche.“ Allerdings sagte er das im Zusammenhang mit seiner Erklärung, er bleibe dabei, dass es in der römisch-katholischen Kirche kein Frauenpriestertum geben werde. Ist Maria also eine Art Trostpreis für gläubige Katholikinnen, die ewige Quotenfrau der Kirche?

Maria stehe für „Hingabe, Demut und Gehorsam“, sagte Heller. Dennoch habe sie eine „hervorgehobene Rolle“, etwa als einzige Frau, die in leiblicher Form in den Himmel aufgenommen wurde. Doch habe sich diese Bedeutung nie auf die „normalen“ Frauen umlegen lassen, gibt die Religionswissenschaftlerin zu bedenken. Marias Position als Jungfrau und Mutter sei auf real existierende Frauen einfach nicht übertragbar.

Die Göttin des Christentums

Unbestreitbar sei jedoch die übergroße Bedeutung, die die Mutter Jesu über die Jahrhunderte hinweg gewann - diese sei im Mittelalter „explodiert“, so Heller. Durch die Verehrung als „Mittlerin und Miterlöserin“ entwickelte sich Maria immer stärker zu einer relevanten Heilsfigur. Hier sieht die Religionswissenschaftlerin eindeutige Bezüge auf ältere Muttergöttinnen, allen voran Isis.

Der ursprünglich ägyptischen, auch als „Himmelskönigin“ titulierten Isis waren bis ins vierte Jahrhundert hinein in großen Teilen Europas Tempel gewidmet. Isis, die den göttlichen Horusknaben stillt, ist das künstlerische Vorbild der stillenden Gottesmutter Maria. Darüber hinaus wurden viele heutige Marienheiligtümer über Kultstätten verschiedenster Göttinnen errichtet.

Zu der in Lateinamerika, der Heimat des derzeitigen Papstes, weitverbreiteten Marienverehrung erwähnt die Religionswissenschaftlerin auch die Anden-Göttin Pachamama, die Mutter Erde, „eine noch immer sehr vitale, archaische Göttin, die auch in spirituellen und ökosozialen Erneuerungsbewegungen eine wichtige Rolle spielt“. Auch sie habe sozusagen den Boden für die „christliche Göttin“ Maria bereitet. Denn de facto habe Maria die Rolle einer Göttin im Christentum übernommen.

Vorbild für Gläubige

Die Dogmatikerin Eckhart sagte im Interview mit Vatican-News, das neue Marienfest erinnere an eine „starke große kreative Frau, die ganz aus dem Vertrauen auf Gottes Wort gelebt hat und die von dort her auch von Gott erwählt worden ist, Mutter Gottes zu werden“. Damit sei Maria aber auch „Mutter der Kirche, Vorbild für alle, die sich auf diesen Weg der Nachfolge machen“, geworden.

Als „beispielhafte Gläubige“ könne man Maria auf jeden Fall sehen, meinte Religionswissenschaftlerin Heller. Sie sei unter anderem ein Symbol dafür, dass auch die Frau in der Nachfolge Christi stehe. Doch sei die Marienverehrung auch ungemein ambivalent: „Auch der Dominikanermönch, der den ’Hexenhammer‘ verfasst hat, war ein glühender Verehrer Marias.“

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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