Marias Mantel und der Prager Fenstersturz

Der Sturz zweier kaiserlicher Statthalter und eines Sekretärs aus dem Fenster der Prager Burg hat den Dreißigjährigen Krieg eingeläutet. Dass die drei Männer überlebten, schrieben die Katholiken dem Wirken der Himmelsmutter zu.

Die vorwiegend protestantischen Stände Böhmens hatten dem deutschen habsburgischen Kaiser Matthias und dem König von Böhmen, Erzherzog Ferdinand, die Beschneidung ihrer religiösen Recht vorgeworfen, die ihnen 1609 von Kaiser Rudolf II. von Habsburg zugestanden worden waren. Daraufhin löste Matthias die Ständeversammlung auf - ein Aufstand folgte.

Votivbild im Auftrag von Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg zum Anlass seiner Rettung durch die Himmelmutter Maria nach dem Prager Fenstersturz im Jahr 1618, Künstler unbekannt

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Zu Feier seiner Rettung gab Wilhelm Slavata von Chlum und Koschumberg dieses Votivbild in Auftrag (Künstler unbekannt)

Misthaufen vs. göttliches Eingreifen

Am Vormittag des 23. Mai 1618 wurden die beiden Statthalter, die Grafen Jaroslav Borsita von Martinitz und Wilhelm Slavata von Chlum und Koschumberg, sowie der Kanzleisekretär Philipp Fabricius nach einem improvisierten Schauprozess vor rund 200 Vertretern der böhmischen Stände kurzerhand aus dem Fenster des Wladislaw-Saales der Prager Burg geworfen. Das Ereignis ging als Zweiter Prager Fenstersturz in die Geschichte ein.

Wie durch ein Wunder überlebten alle drei Männer den Sturz aus 17 Meter Höhe sowie die nachfolgenden Schüsse. Dass tatsächlich ein Wunder vorlag, stand für viele damals fest. Zwar behaupteten die Protestanten später, ein profaner Misthaufen im Burggraben habe den Sturz der drei aufgefangen, die Katholiken hingegen waren überzeugt: Die Mutter Gottes hatte ihre schützenden Hände im Spiel.

„Jesus, Maria!“

Wie der Autor Peter H. Wilson in seinem Buch „Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie“ zitiert, hatte Martinitz laut Slavatas Lebenserinnerungen im Fallen unaufhörlich „Jesus, Maria!“ gerufen. Ulrich von Kinsky, einer der protestantischen Verschwörer, soll ihm höhnisch nachgerufen haben: „Wir wollen sehen, ob ihm seine Maria helfen wird!“ Beim Anblick des sich im Graben aufrappelnden Martinitz habe Kinsky dann „oben am Fenster ausgestoßen: ‚Ich schwöre zu Gott, dass ihm seine Maria geholfen hat!‘“

Der Prager Fenstersturz auf einem zeitgenössischen Flugblatt, 1618

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Darstellung des Prager Fenstersturzes auf einem zeitgenössischen Flugblatt

Der Mantel der Himmelskönigin

Daraus sei dann die Legende entstanden, Maria habe ihren Mantel schützend unter den Fallenden ausgebreitet, „was die Identifizierung der Katholiken mit ihrer ‚Himmelskönigin‘ - ob in Schlachtrufen oder auf Mariensäulen, die oft zum Dank für einen Sieg errichtet wurden - noch verstärkte“, so Wilson.

In Wahrheit dürften ihre eigenen schweren, dicken Mäntel, die die drei Gestürzten trugen, sehr viel dazu beigetragen haben, dass sie überlebten. Es war ein kalter Mai, und die sparsamen habsburgischen Beamten hatten an der Heizung der Burg gespart. Auch die Neigung der Burgmauern nach außen spielte wohl eine Rolle.

Bild: Rettung mittels „Fallschirm“

Die drei Männer konnten sich in das Palais des damaligen Oberstkanzlers Lobkowitz retten, wo sie Zuflucht bei der katholischen Adeligen Polyxena von Lobkowitz fanden. Slavata drückte seine Dankbarkeit für die Mutter Gottes später mit der Bestellung eines prachtvollen Votivbildes über das Ereignis aus.

Buchhinweis

Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie. Theiss, 1.160 Seiten, 51,40 Euro.

Das Gemälde, das heute in der Burg Jindrichuv Hradec in Südtschechien hängt, zeigt die Rettung der drei Gestürzten mit Hilfe in zeitgemäße Tracht gekleideter Engel und Gerätschaften, die an Fallschirme erinnern.

Slavata, der später selbst Oberstkanzler von Böhmen wurde, ließ zu Ehren Marias auch noch einen Obelisken auf dem Hradschin errichten. Der Prager Fenstersturz, der, ob nun durch ein Wunder oder nicht, so glimpflich für die drei Männer endete, war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die furchtbaren Grausamkeiten, die der Dreißigjährige Krieg für Europa brachte.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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