Irland entscheidet in Referendum über Abtreibung

Die irische Bevölkerung entscheidet am Freitag, ob die Verfassung ihres Landes weiterhin das Lebensrecht eines ungeborenes Kindes dem der Mutter gleichstellt. Die Kirche befürchtet einen „Dammbruch“ beim Lebensschutz.

In einem landesweiten Referendum stimmt Irland darüber ab, ob der Anfang der 1980er Jahre nach einer Volksabstimmung eingeführte entsprechende achte Verfassungszusatz, auf dem strenge Abtreibungsgesetze fußen, gestrichen werden soll. Umfrageinstitute sahen lange einen deutlichen Vorsprung für die Befürworter einer Legalisierung von Abtreibungen, der zuletzt aber schmolz.

Kirchenvertreter warben in den vergangenen Wochen massiv für eine Beibehaltung des Verfassungszusatzes. „Sollte das Lebensrecht des ungeborenen Kindes mit dem Verfassungszusatz weggestrichen werden, würde das ungeborene Kind ohne jede konstitutionelle Rechte zurückbleiben“, warnte der nordirische Erzbischof Eamon Martin - er ist Vorsitzender der katholischen Irischen Bischofskonferenz, der sowohl die Bischöfe in der Republik Irland wie auch in Nordirland angehören - zuletzt im Interview mit dem Nachrichtenportal „Vatican News“. Die Abstimmung sei daher für Irland ein entscheidender Moment.

Erzbischof: Kein rein christliches Thema

„Interessanterweise ist diese besondere Diskussion nicht einfach eine katholisches oder christliches Thema“, ortete Martin in der aktuell geführten Debatte um die Abtreibung eine „große Koalition von Menschen“ in Irland, die ob des Referendums „sehr besorgt“ seien. „Der Wert, dass jedes menschliche Lebens kostbar und dass unschuldiges menschliches Leben immer geschützt werden sollte, entstammt unserer gemeinsamen Menschlichkeit“, sagte der Erzbischof.

Öffentlich seine Nein-Stimme begründete kurz vor der Abstimmung auch noch einmal der Dubliner Erzbischof Diarmuid Martin: Es sei widersinnig, den Verfassungsschutz für das ungeborene Kind in einer Zeit „wegzuwerfen“, in der man durch medizinischen Fortschritt mehr als je zuvor über die Entwicklung des Babys im Mutterleib und „dessen Originalität und einzigartige Identität“ wisse. Auch der Primas der anglikanischen Kirche von Irland, Richard Clarke, nannte die Abschaffung des Zusatzartikels „ethisch nicht tragbar“.

Regierung für Abtreibungen „sicher, legal und selten“

Regierungschef Varadkar setzt sich hingegen offen für eine Verfassungsänderung ein, damit Abtreibungen „sicher, legal und selten“ werden. Das Referendum versteht der Regierungschef, der selbst als Arzt gearbeitet hat, als einen wichtigen Schritt zum „Erwachsenwerden Irlands“. Vertreter der Befürworter argumentieren, dass Frauen das Recht haben sollten, über ihren Körper zu entscheiden. Die Gegener würden ihre Augen vor der Realität verschließen: Der Verfassungszusatz verhindere Abtreibungen nicht, sondern fördere vielmehr „Abtreibungstourismus“.

Abtreibungsgegner warnen dagegen vor einem leichtfertigen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen. Die katholische Kirche befürchtet einen „Dammbruch“ in Sachen Lebensschutz. Die Gesellschaft dürfe nicht akzeptieren, „dass ein Mensch das Recht habe, das Leben eines anderen zu beenden“, so der Vorsitzende der Bioethik-Kommission der Irischen Bischofskonferenz, Bischof Kevin Doran von Elphin, in einem Hirtenbrief.

Bischöfe: „Kinder sind unschuldig“

In einer gemeinsamen Stellungnahme vom März ermutigte die Bischofskonferenz alle Katholiken, sich „im Namen von Gleichheit, Fairness und Mitgefühl für jedermann“ für das „Recht auf die Wahrung des Lebens“ einzusetzen und „das Leben zu wählen“. Auch nach Vergewaltigungen und bei schweren Behinderungen des Embryos dürfe man nicht vergessen: „Diese Kinder sind unschuldig und haben Anspruch auf die beste Unterstützung und Fürsorge.“

Bis dato hat Irland eines der strengsten Abtreibungsgesetze der Welt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist auch nach einer Vergewaltigung, Inzest oder bei einer schweren Missbildung des Fötus nicht erlaubt. Seit 2014 sind Schwangerschaftsabbrüche erlaubt, wenn das Leben der Mutter bedroht ist.

Sollte die Bevölkerung für eine Streichung des Verfassungszusatzes votieren, will die Regierung in Dublin dem Parlament ein Gesetz vorschlagen, das eine Freigabe von Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche vorsieht. Wie das Gesetz genau aussehen würde, steht aber nicht fest. Ministerpräsident Leo Varadkar führt eine Minderheitsregierung, die im Parlament von der Oppositionspartei Fianna Fail gestützt wird. Deren Abgeordnete aber sind beim Thema Abtreibung in verschiedene Lager gespalten.

religion.ORF.at/KAP

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