Kardinal zu Kommunionsstreit: Notbremse vor Abgrund

Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat das Machtwort des Papstes im deutschen Kommunionsstreit als zu spät kritisiert. „Hier wurde kurz vor dem Abgrund die Notbremse gezogen“, so Müller.

Der frühere Chef der mächtigen Glaubenskongregation, der dem konservativen Flügel in der deutschen katholischen Kirche angehört, sprach am Dienstag mit der Deutschen Presse-Agentur in Rom. „Entgleist ist der Zug trotzdem, weil Rom zu spät und zu zögerlich reagiert hat. Jetzt kommt es darauf an, den Zug sorgfältig wieder auf die Schienen zu setzen.“

„Handreichung“ laut Vatikan nicht „reif“

Das katholische Kirchenoberhaupt hatte am Montag den Vorstoß der deutschen Bischöfe zur Teilnahme protestantischer Ehepartner an der Kommunion fürs Erste gestoppt. Die dazu geplante „Handreichung“ der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung von Kardinal Reinhard Marx sei „nicht zur Veröffentlichung reif“, hatte die Glaubenskongregation in Abstimmung mit dem Papst mitgeteilt.

Der deutsche Kardinal Reinhard Müller

Reuters/Stefano Rellandini

Der deutsche Kardinal Reinhard Müller

„Nur wenn man den katholischen Glauben kennt, wird man diese römische Entscheidung theologisch und nicht kirchenpolitisch interpretieren“, sagte Müller. Die Darstellung, die Entscheidung aus Rom sei eine Niederlage für Kardinal Marx, sei falsch.

„Sieg über das machtstrategische Kalkül“

Vielmehr habe „die Wahrheit ... den Sieg über das machtstrategische Kalkül davongetragen“. Denn Nichtkatholiken zur Kommunion zuzulassen, würde, wie Müller sagte, den katholischen Glauben substanziell verändern. „Die Meinung, Glaubensfragen könnten unter der Hand mit dem Papst und irgendeinem seiner Vertrauensleute privat ausgehandelt werden, offenbaren eine erschreckende Überzeichnung des römischen Primates.“

Glaubensunterschiede zu groß

Nach katholischer Lehre ist eine gemeinsame Eucharistie mit den Evangelischen wegen vorhandener Glaubensunterschiede nicht möglich. Der Zugang der deutschen katholischen Bischöfe ist ein seelsorgerischer und pragmatischer, der Vatikan bleibt in seiner Entscheidung bei seiner Linie. In Deutschland leben annähernd so viele Protestanten wie Katholiken, was die Frage nach dem Umgang mit gemischtreligiösen Ehepaaren dringlicher macht als etwa in Österreich mit seinem vergleichsweise geringen Anteil an Evangelischen.

religion.ORF.at/dpa

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