Diakonie: EU entweder sozial oder nicht mehr

„Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein.“ Damit richtete Diakonie-Direktor Michael Chalupka am Mittwoch einen Appell an die kommende österreichische EU-Rats-Präsidentschaft.

Das evangelische Hilfswerk fordert eine deutliche Stärkung der sozialen Dimension in der Europäischen Union. Chalupka regte in einer Pressekonferenz in Wien die Einberufung eines „Konvents für ein Soziales Europa“ an. Funktionieren könne die EU nur dann, „wenn beide Seiten gleichermaßen berücksichtigt werden - die wirtschaftliche und die soziale“. Grenzschutz und Sicherheitspolitik alleine seien zu wenig, so der Diakoniedirektor.

Michael Chalupka

APA/Herbert P. Oczeret

Diakonie-Direktor Michael Chalupka sieht für die EU nur Zukunft, wenn diese auch den sozialen Aspekt berücksichtigt

Erwartungen an Regierung

Von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 erhofft sich Chalupka ein beherztes Eintreten für eine „Gleichrangigkeit von Sozialschutz und sozialen Rechten mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes“, wie er sagte. Die im vergangenen November von Rat, Kommission und Europaparlament proklamierte Europäische Säule sozialer Rechte habe vor allem appellativen Charakter, gab Chalupka zu Bedenken.

Notwendig seien nun verbindliche Vereinbarungen, die das Recht auf angemessenen Sozialschutz, auf Gesundheit und Pflege, auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, auf eine gute Vermittlung im Fall von Arbeitslosigkeit und gleiche soziale Mindeststandards umfassen.

„Konvent für soziales Europa“

Die zukünftige Linie der Sozial- und Wirtschaftspolitik soll sich aus Sicht der Diakonie an einem breiteren volkswirtschaftlichen Verständnis orientieren. Zur besseren Zielsteuerung brauche es jenseits von wirtschaftlichen Kerndaten starke lebensweltliche Indikatoren zu Gesundheit, Aufstiegschancen, Qualität der Jobs und zur sozialen Entwicklung, aber auch zur Struktur von Steuern.

Chalupka regte hier die Einberufung eines „Konvents für ein Soziales Europa“ an, dessen Aufgabe es sei, Vorschläge zu entwickeln, wie in der EU Sozialschutz und soziale Rechte gestaltet, gesichert und zukunftsfähig weiter entwickelt werden können. Bei dem Konvent sollten organisierte Zivilgesellschaft, Bürger, Sozialpartner, Vertreter von Exekutive und Legislative der EU auf Augenhöhe beraten.

Sozial-Investitionen zahlen sich aus

Investitionen in soziale Dienstleistungen zahlten sich aus, betonte der Diakoniedirektor. „Wenn wir Geld in die Hand nehmen und in Kindergärten, Altenpflege, Integrationsmaßnahmen und Bildung investieren, kommt das nicht nur den Menschen zu Gute, die die Dienste brauchen, sondern es kommt für die gesamte Gesellschaft zurück.“

Chalupka verwies dazu einerseits auf Einnahmen in Form von Steuern und Sozialversicherungen, zum anderen auf geringere zukünftige Aufwendungen, schützen Bildung und Integrationsmaßnahmen doch vor Armut und Arbeitslosigkeit: „Durch Investition in soziale Dienstleistungen kann man Folgekosten niedrig halten.“

Soziale Dienstleistungen ausbauen

Die Beschäftigung im Sozialbereich sei auch insofern bedeutsam, da dieser Bereich in den letzten Jahren unaufhörlich gewachsen sei und so zum wirtschaftlichen Wohlstand Europas beitrage. Chalupka bezog sich auf Daten von Eurostat, wonach im vergangenen, von der Wirtschaftskrise geprägten Jahrzehnt die Beschäftigung im EU-Durchschnitt um 1,36 Prozent gestiegen ist, im Sozialsektor aber um knapp 16 Prozent.

In der Autoindustrie oder im Baugewerbe sei hingegen ein Fünftel der Jobs verloren gegangen. Das zeige, „dass der Sektor der sozialen Dienstleistungen ein krisensicherer Sektor ist, der Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität generiert“, so der Diakoniedirektor.

Geschützter Rahmen für für Sozialangebote

Soziale Dienste anzubieten, heiße auch, für die Schwächeren in der Gesellschaft einzutreten und die Stimme für die Betroffenen zu erheben. Dass Non-Profit-Organisationen wie die Diakonie jeden erwirtschafteten Euro wieder für neue soziale Dienstleistungen verwenden, zeige, wie notwendig es sei, einen geschützten Rahmen für solche Angebote zu schaffen.

In Österreich arbeiten laut den Angaben rund 234.000 Menschen oder rund sechs Prozent der unselbstständig Beschäftigten im so genannten Dritten Sektor, also im Non-Profit-Bereich. Der Beitrag dieses Sektors liegt bei etwa 2,3 Prozent des BIPs. Insofern müsse sich die EU stärker bemühen, das nicht-gewinnorientierte Engagement im sozialen Sektor zu stärken, forderte Chalupka.

EU-Rats-Präsidentschaft als Chance

Für eine Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte sprach sich bei dem Pressegespräch auch die Beauftragte der Diakonie Deutschland bei der EU, Katharina Wegner, aus. Die österreichische Ratspräsidentschaft sieht sie vor der Aufgabe, den schnellstmöglichen Beschluss des mehrjährigen EU-Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 zu forcieren. Inhaltlich wünscht sich Wegner u.a. eine „moderate Erhöhung“ der Beiträge der Mitgliedstaaten und eine Stärkung des Partnerschaftsprinzips im Europäischen Sozialfonds.

religion.ORF.at/KAP/epdÖ

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