Vatikan-Archive: Papst Pius XII. wusste von Holocaust

Aktenfunde im Vatikan zeigen, dass Papst Pius XII. persönlich über den Holocaust informiert war und dass die Kirche Informationen über die Schoah unterschlagen hat. Das berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrer aktuellen Ausgabe, die am Donnerstag erscheint.

Der damalige Papst war offenbar wesentlich präziser über den Holocaust informiert, als bisher bekannt, so „Die Zeit“ in einer Vorabmeldung am Mittwoch. Ein Forscherteam um den deutschen Kirchenhistoriker Hubert Wolf konnte jetzt mit Hilfe der vatikanischen Archive, die Anfang März geöffnet worden waren, rekonstruieren, dass der Papst persönlich am 27. September 1942 die brisanten Informationen erhielt.

Im September 1942 legten ihm seine Mitarbeiter einen Bericht des amerikanischen Botschafters beim Vatikan, Myron Charles Taylor, über die Gräueltaten der Deutschen vor. Das belegen die bisherigen Recherchen des Kirchenhistorikers.

Kein Protest des Papstes

Konkret ging es in dem Bericht an Pius XII. um die Liquidierung des Warschauer Ghettos und die Verschleppung Hunderttausender in Konzentrationslager. Das Kirchenoberhaupt erfuhr von Massenhinrichtungen und Massakern in Ostpolen sowie den besetzten russischen Gebieten. Dort sei „kein einziger Jude mehr am Leben“, so der Bericht.

Papst Pius XII., Eugenio Pacelli (1939-1958)

Public Domain/Wikipedia

Papst Pius XII., bürgerlich Eugenio Pacelli, hat laut neuen Forschungsergebnissen mehr über den Holocaust gewusst, als bisher bekannt war

Der US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt selbst hatte den Auftrag erteilt, den Papst zu informieren und um einen öffentlichen Protest zu bitten. Bisher kannte man nur Taylors Schreiben, das 1965 von Saul Friedländer in der „Zeit“ veröffentlicht wurde.

Informationen über Schoah unterschlagen

Wolf zeigt außerdem, dass der Vatikan eigene Informationen über die Schoah unterschlug, schreibt „Die Zeit“. Die Amerikaner hatten den Papst um Bestätigung der jüdischen Schreckensberichte gebeten. Obwohl der Vatikan zu diesem Zeitpunkt bereits aus eigener kirchlicher Quelle über die Judenvernichtung Bescheid wusste – der Erzbischof von Lemberg hatte im August 1942 von mehreren hunderttausend Ermordeten berichtet –, hielt Rom diese Informationen zurück.

Man befand außerdem, den Juden sei nicht zu trauen: In einer Stellungnahme von Angelo Dell’Acqua aus dem vatikanischen Staatssekretariat heißt es, es sei „erforderlich, sich zu versichern“, dass die Informationen über die Massenmorde „der Wahrheit entsprechen, weil es auch unter den Juden leicht zu Übertreibungen kommt“. Ein Protest des Papstes unterblieb.

religion.ORF.at

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