Mann mit Bart hält goldene Kugel in der Hand

ORF/Metafilm/Julia Jenewein

Die Akte Galilei – Wissenschaft und Glaube

Am 15. Februar 1564 wurde Galileo Galilei geboren. Anlässlich seines 450 Geburtstags beschäftigt sich „kreuz und quer“ mit der historischen Figur Galilei, seinem Verhältnis zur katholischen Kirche und den unterschiedlichen Zugängen zur Wirklichkeit von Religion und Wissenschaft heute.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 11. Februar 2014
um 22.30 Uhr, ORF 2

Wiederholung:

Mittwoch, 12. Februar 2014
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 13. Februar 2014
um 11.50 Uhr, ORF 2
(nur „Die Akte Galilei“)

Vor 450 Jahren wurde Galileo Galilei geboren. Bis heute gilt er als „Märtyrer“ der freien Wissenschaft, der sich einer fortschrittsfeindlichen Kirche mutig entgegenstellte. Stimmt nicht, sagen jetzt Wissenschafter.

„kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – geht der Sache am 11. Februar 2014 in der Dokumentation „Die Akte Galilei – Wissenschaft und Glaube“ von Fritz Kalteis auf den Grund und fragt auch nach dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube heute.

Die anschließende „kreuz und quer“-Diskussion zeigt ab 23.20 Uhr die aktuellen Bruchlinien zwischen Religion und Naturwissenschaften und deren unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit: Welchen Stellenwert hat die Frage nach Wahrheit?

„Die Akte Galilei – Wissenschaft und Glaube“

„Galilei steht im allgemeinen Bewusstsein dafür, dass die katholische Kirche grundsätzlich in einer Gegnerschaft zur modernen Naturwissenschaft gestanden sei und eigentlich immer noch steht“, sagt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, um im selben Atemzug einzuschränken: „Die Wahrheit ist viel differenzierter.“

Wenn einer die historischen Fakten zum Fall Galilei kennt, dann Wolf. Er war der erste Wissenschafter, der das Archiv der heiligen Inquisition der römisch-katholischen Kirche erforschen konnte – noch lange, bevor es 1998 von Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., geöffnet wurde. Wolf hatte einen Plan: einen Bestseller über die prominentesten Opfer der Inquisition zu schreiben. Doch daraus ist nichts geworden: „Obwohl jeder erwartet, wenn Galileo auf dem Index der verbotenen Bücher steht, dann muss Darwin draufstehen, wenn Darwin draufsteht, dann Newton und Plank.“

Tun sie aber nicht. Der Grund: Die Inquisition warf nicht einfach alle Naturwissenschafter in den Kerker – im Gegenteil. „Solange ein Naturwissenschafter eine Hypothese vertritt, kann er diese vertreten. Aber sobald einer herging und diese naturwissenschaftliche Hypothese in einen Zusammenhang mit der Bibel brachte, dann wurde es ein Problem.“

Mann mit Bart schaut auf wissenschaftliche Aufzeichnungen

ORF/Metafilm/Julia Jenewein

Galileo Galilei - gespielt von Paul Matic

Theorie versus Wahrheit: Genau das brachte Galileo Galilei zu Fall. Der gläubige Christ konnte es nicht ertragen, dass seine Entdeckungen dem Wortlaut der Bibel offensichtlich widersprachen, und wollte die Kirche dazu bringen, ihre Auslegung der Heiligen Schrift auf die Höhe der Zeit zu bringen. Doch damit war Galilei, der kaum eine Gelegenheit zur Provokation seiner Gegner ausließ, zu weit gegangen. „Wenn jeder angefangen hätte, die Bibel neu auszulegen und damit erfolgreich gewesen wäre, hätte natürlich die Kirche die gesamte Autorität verloren.“

Tatsächlich war der katholischen Kirche die These des Kopernikus, wonach sich die Erde um die Sonne drehte und nicht umgekehrt, längst bekannt. Jesuitische Astronomen nutzten das kopernikanische Modell zur Neuberechnung des Kalenders. Galilei aber glaubte, dank des Teleskops Beweise für die Wahrheit dieser These gefunden zu haben. Doch noch war die Kirche nicht bereit zu akzeptieren, dass die Bibel nicht wortwörtlich zu verstehen ist.

Der Verlierer dieses Disputs ist die katholische Kirche. Ihr hängt seit dem Urteil gegen Galilei der Ruf einer grundsätzlich wissenschaftsfeindlichen Institution nach. Die Naturwissenschaften feierten einen Siegeszug – und wurden in der Zeit der Aufklärung selbst zu einer Art Religion hochstilisiert. „Es ist nicht Aufgabe der Kirche, rein physikalische Sachverhalte autoritativ zu entscheiden. Die Kirche musste das anerkennen“, sagt der Naturphilosoph Hans-Dieter Mutschler.

Dieser Prozess dauerte freilich Jahrhunderte. Erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil verordnete sich die römisch-katholische Kirche selbst eine Beschränkung ihrer Kompetenzen, so Kirchenhistoriker Hubert Wolf: „Die Kirche hat keine Kompetenz, naturwissenschaftliche Erkenntnisse als solche zu beurteilen oder einzuschränken. Sie hat Kompetenzen in dem Bereich, wo es um den Menschen geht, um sein Schicksal und seine Würde.“

Niemand darf alles, was er kann: Genau hier liegen heute die Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Glaube. Gemeinsam gilt es die Frage zu beantworten, wie weit Naturwissenschaft gehen darf, wo die Grenzen der Anwendung neuer Erkenntnisse liegen. Deshalb entscheiden über heikle Fragen heute oft Ethik-Kommissionen, in der auch Vertreter anerkannter Religionsgemeinschaften ihren Platz haben.

Alles eitel Wonne also zwischen Naturwissenschaft und Glaube? Nicht unbedingt, auch wenn heute kein seriöser Theologe mehr gegen Urknall- und Evolutionstheorie ankämpfen dürfte. Wenn aber Hirnforscher neuerdings selbst den menschlichen Geist und damit auch den freien Willen zu einem Nebenprodukt der Gehirnfunktionen erklären, ist eine Grenze überschritten: „Denn dann könne man alles vergessen“, wie es der Naturphilosoph Hans-Dieter Mutschler drastisch formuliert.

Ein Film von Fritz Kalteis

Diskussion: „Gott im Teleskop? – Glaube und Naturwissenschaften seit Galilei“

„Zwei Wahrheiten können sich nie widersprechen“, schrieb der italienische Philosoph, Mathematiker und Astronom Galileo Galilei und geriet dennoch mit seinen Thesen in scharfen Konflikt mit den kirchlichen Autoritäten. Galilei wurde vor 450 Jahren geboren – die katholische Kirche machte erst 1992 ihren späten Frieden mit dem unbequemen Denker durch die hochoffizielle Rehabilitierung Galileis.

Angesichts des 450. Geburtstags Galileis sendet „kreuz und quer“ eine Dikussion über die aktuellen Bruchlinien zwischen Religion und Naturwissenschaften und deren unterschiedlichen Zugänge zur Wirklichkeit. Unter der Leitung von Michael Hofer diskutieren der Astronom Franz Kerschbaum, der Theologe Franz Gruber, die Experimentalphysikerin und CERN-Forscherin Claudia-Elisabeth Wulz sowie der Kirchenhistoriker Thomas Prügl.