Regisseurin Ruth Deutschmann zeigt einem alten Mann ein Buch

ORF/Posch TV/Ursula Merzeder

Lichtblicke – Leben mit Demenz

Etwa 100.000 Menschen gelten in Österreich als demenzkrank – fast drei Viertel von ihnen leiden an Alzheimer. Der Film „Lichtblicke – Leben mit Demenz“ begleitet drei Patienten in ihrem Alltag. „Nachdem der Tod uns scheidet“ zeigt den Umgang mit Partnerverlust und den Weg in eine neue Partnerschaft.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 16. September 2014
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 17. September 2014
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 18. September 2014
11.50 Uhr, ORF 2 (nur „Lichtblicke – Leben mit Demenz“)

Durch die steigende Lebenserwartung geht man davon aus, dass es im Jahr 2050 mehr als 200.000 Demenzkranke geben wird. Somit zählt Demenz zu den großen Bedrohungen der alternden Gesellschaft.

Trotz jahrelanger Forschung gibt es bisher weder einen Früherkennungsmarker noch wirksame Medikamente. Auch die Fragen nach den Ursachen der Erkrankung können bis heute nicht beantwortet werden. Und das, obwohl der deutsche Psychiater und Neuropathologe Alois Alzheimer (1864-1915), nach dem Morbus Alzheimer benannt ist, schon vor 108 Jahren über abgestorbene Nervenzellen im Gehirn seiner 1906 verstorbenen Patientin Auguste Deter referierte und auch die für die Demenzerkrankung typischen Eiweißablagerungen beschrieb, die sogenannten Plaques.

Für die HD-Dokumentation „Lichtblicke – Leben mit Demenz“, die „kreuz und quer“ – präsentiert von Christoph Riedl-Daser – am Dienstag, dem 16. September in ORF 2 zeigt, haben Filmemacherin Ruth Deutschmann und Kameramann Franz Posch drei an Demenz Erkrankte und deren Angehörige über einen längeren Zeitraum begleitet.

Der Tod eines Ehepartners ist ein tiefer Einschnitt im Leben der Hinterbliebenen – und hat Nachwirkungen für jede spätere Liebesbeziehung. Dem Schritt in eine neue Partnerschaft geht meist eine Phase des Alleinseins voraus, in der sich das Leben neu ordnet. Michael Cencigs in HD produzierter Dokumentarfilm „Nachdem der Tod uns scheidet“ erzählt um 23.20 Uhr in „kreuz und quer“ von Menschen unterschiedlicher spiritueller Orientierung, von ihren Erfahrungen mit dem Verlust ihrer Partner – und mit dem neuen Menschen an ihrer Seite.

„Lichtblicke – Leben mit Demenz“

Die filmische Dokumentation ist ein Rahmen, der in der Finsternis des Vergessens Augenblicken von Licht und Wärme nachspürt. Zu finden sind sie dort, wo Betroffene sich auf das noch Mögliche konzentrieren, statt dem Verlust an geistigen Fähigkeiten nachzutrauern. Dann wird deutlich, dass auch ein Leben mit Demenz es wert ist, gelebt zu werden.

Eine Erfahrung, von der im Film auch Arno Geiger berichtet, dessen preisgekröntes Buch „Der alte König in seinem Exil“ ein berührendes Bekenntnis zu seinem an Alzheimer erkrankten Vater ist. Für ihn ist es klar, dass wir, die „Gesunden“, verpflichtet sind, Brücken zu den Menschen zu bauen, die ihr Gedächtnis verlieren.

Ebenso zu Wort kommt Thomas Fuchs, Karl-Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie in Heidelberg. Er reflektiert über die Bedrohung durch die Demenzerkrankung und bringt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass ein Mensch seine Identität bewahrt, auch wenn er sein Gedächtnis verliert. An Demenz erkrankt zu sein und zu wissen, wahrscheinlich über kurz oder lang sich selbst abhanden zu kommen und völlig auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, bedeutet existenzielles Ausgesetztsein.

Das Leben mit schwindendem Bewusstsein muss nicht bedeuten, rettungslos in Trostlosigkeit und Dunkelheit zu versinken. Es kann auch eine Reise ins Licht sein. Zumindest für Augenblicke – für die Erkrankten und die, die sie begleiten.

Die Protagonisten der Dokumentation: Barbara, ehemals Volksschullehrerin in der Weststeiermark, war nur geringfügig älter als Auguste Deter, als ihre Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit abnahm. Ärzte vermuteten bei der Alleinstehenden anfangs eine Depression, später ein Burn-out bis schließlich Demenz vom Typ Morbus Alzheimer diagnostiziert wurde.

Seither sind mehr als vier Jahre vergangen. Den anfänglichen Schock über die niederschmetternde Diagnose hat Barbara überwunden. Sie sieht ihrer Zukunft gefasst entgegen und versucht sich mit dem Verlust ihres Gedächtnisses zu arrangieren. „Der Alzi hat wieder zugeschlagen“, ist eine stehende Redewendung der noch nicht einmal 60-Jährigen, wenn sie wieder einmal etwas vergisst.

Es ist der Galgenhumor, der ihr hilft, mit den Einschränkungen umzugehen, die die fortschreitende Demenz mit sich bringt. Was sie sich wünscht? Einmal noch möchte sie ans Meer, bevor ihr der „Alzi“ das Gedächtnis vollends raubt.

Anton lebt mit seiner Frau Anna Maria am Stadtrand von Graz. Er wird bald 85 Jahre alt und leidet seit etwa sechs Jahren an Alzheimer. Der ÖBB-Bedienstete in Pension hat immer viel Bewegung gemacht, weder geraucht noch getrunken und sich – dank seiner Frau Anna Maria – äußerst gesund ernährt.

Ohne dass es ihm bewusst war, hat er genauso gelebt, wie Experten heutzutage empfehlen, dass man leben soll, um das Risiko, an Demenz zu erkranken, möglichst zu minimieren. Warum er trotzdem an Alzheimer erkrankt ist? Niemand weiß es. Mittlerweile hat sich sein Zustand so verschlechtert, dass er ohne die „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ seiner Gattin nicht mehr leben könnte.

Anna Maria will auf keinen Fall, dass ihr Mann in ein Heim kommt, und möchte derzeit auch noch nicht auf eine 24-Stunden-Hilfe zurückgreifen. Der Preis dafür ist, dass sie immer öfter an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stößt. Was den beiden tief gläubigen Grazern guttut, sind die wöchentlichen Zwei-Tages-Aufenthalte von Anton im Demenz-Tages-Zentrum Elisa der Caritas Graz-Seckau.

Es hat lange gebraucht, bis sich beide dazu entschlossen haben. Vor allem Anna Maria hatte das Gefühl, ihren Mann im Stich zu lassen, wenn sie nicht in seiner Nähe ist, um ihn betreuen zu können. Aber mittlerweile weiß sie, dass sie ihm nur helfen kann, wenn es auch ihr gutgeht.

Alfred, etwas über 70 Jahre alt, ist an Vaskulärer Demenz erkrankt, der zweithäufigsten Demenzerkrankung nach Alzheimer. Er lebt im SeneCura-Pflegeheim Grafenwörth in Niederösterreich. Beim ehemaligen Briefträger ist die Erkrankung schon sehr weit fortgeschritten.

Er kann nicht mehr sprechen, und ob er seine Ehefrau Monika bei ihren täglichen Besuchen als solche wahrnimmt, weiß niemand. Monika hat ihn mehr als zwei Jahre daheim betreut, dann war sie am Ende ihrer Kräfte und unmittelbar vor einem Zusammenbruch. Sie musste Alfred 2009 im Heim unterbringen und kämpfte lange mit dem Gefühl, ihn verraten zu haben.

Doch das in Validation nach Naomi Feil ausgebildete Pflegeteam hat ihr geholfen, das schlechte Gewissen zu überwinden und einen neuen Zugang zu ihrem Mann zu finden, der mittlerweile in seiner eigenen Welt lebt. Der Schlüssel dazu ist, dass sie versucht, „in den Schuhen ihres Mannes“ zu gehen.

Auf diese Art kann sie einen Zugang zu ihm finden und neue Seiten an ihm – und in der Folge an sich selbst – entdecken. In dieser neuen Phase ihrer Ehe zählt nur der Augenblick. Und diese Augenblicke können voll von Licht sein. Alfred und der Vater von Schriftsteller Arno Geiger sind kurz nach den Dreharbeiten gestorben.

Ein Film von Ruth Deutschmann

Barbara Pachl-Eberhart und Ulrich Reinthaller

ORF/metafilm

Barbara Pachl-Eberhart und Ulrich Reinthaller

„Nachdem der Tod uns scheidet"

Eine glückliche Familie wird durch einen Verkehrsunfall zerstört. Nur die Mutter – Barbara Pachl-Eberhart – bleibt verschont. Sie stellt sich ihrem Schicksal mit einer Offenheit, die überrascht und berührt. Mutig wendet sie sich dem Leben zu und sagt vertrauensvoll Ja zu dem Weg, der vor ihr liegt. Ihre Erfahrungen auf dem Weg zurück ins Leben hat sie niedergeschrieben, ihr Buch „vier minus drei“ wurde zum Bestseller.

Das bedeutet auch, Ja zu sagen zu einer neuen Liebesbeziehung: „Die Tatsache, dass ich schon vier Monate nach dem Tod meiner Familie das Wagnis einer neuen Beziehung einging, ließ kaum jemanden in meiner Umgebung kalt. Viele wünschten mir alles Glück auf Erden: ‚Das ist genau das, was du jetzt brauchst!‘ Andere waren entsetzt. ’Es gibt schließlich Traditionen, die soll man nicht mit Füßen treten.

Trauerjahr ist Trauerjahr, die Toten wollen geehrt sein.’ Auch wenn sich die meisten eines Urteils enthielten, las ich doch in so manchem kritischen Blick eine Frage, vor der mich auch die kleine Stimme in meinem Kopf nicht ganz verschonen wollte. Kann das gutgehen? Ich wusste es selbst nicht.“

Neben Barbara Pachl-Eberhart kommt auch der 2012 verstorbene Schriftsteller Ernst Hinterberger zu Wort. Der Autor der Fernsehserien „Ein echter Wiener geht nicht unter“, „Kaisermühlen Blues“ und „Trautmann“ schildert in der Doku, wie er den Tod seiner ersten Frau in der Erzählung „Ein Abschied“ literarisch verarbeitet hat: „Ich bin ein alter Mann, und vor ein paar Tagen ist die Frau, mit der ich 44 Jahre verheiratet war, gestorben, obgleich weder sie noch ich an so etwas gedacht haben.

Natürlich wussten wir wie jeder, dass alles, was lebt, auch sterben muss und jedes Neugeborene bereits in die noch offene Schlinge springt, die sich eines Tages zuzieht und den Tod bringt. Das sind Gemeinplätze. Sie bleiben wie das meiste von dem, was wir denken, an der Oberfläche, sind aber jetzt für mich zu einer Realität geworden, die meine Stunden ausfüllt und der ich mich, selbst bereits am Rande des Todes, stellen muss.“

Ein Film von Michael Cencig