Menschen mit Kerzen bei Demonstration

ORF/ARD/MDR/BROADVIEW TV/Steffen Junghans

25 Jahre Mauerfall: Das Wunder von Leipzig

Die Dokumentation „Das Wunder von Leipzig“ zeichnet die Ereignisse des geschichtsträchtigen Herbstes 1989 nach, als sich ein Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche binnen Wochen zu Großdemonstrationen für mehr Freiheit und Demokratie auswuchs.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 4. November 2014
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 5. November 2014
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 6. November 2014
11.50 Uhr, ORF 2
Nur „Das Wunder von Leipzig“

Im Rahmen des ORF-Programmschwerpunkts „25 Jahre Berliner Mauerfall“ rekonstruiert die in HD produzierte Dokumentation „Das Wunder von Leipzig“, die „kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – am 4. November zeigt, die dramatischen Ereignisse im geschichtsträchtigen Herbst 1989, als sich in Leipzig durch Friedensgebete und „Montagsdemonstrationen“ der Sturz des DDR-Regimes abzeichnete. Zeitzeugen von beiden Seiten und Leipziger Bürger schildern im Film von Sebastian Dehnhardt und Matthias Schmidt, wie sie die entscheidende Woche erlebten.

Der Mut der Bürger, ihre Zivilcourage und ihr Einsatz für Demokratie legten den Grundstein für die erste friedliche Revolution der deutschen Geschichte, für das „Wunder von Leipzig“. Der Film kombiniert Interviews mit Archivmaterial und authentisch inszenierten Spielszenen. Die damals Beteiligten schildern die dramatischen Geschehnisse in Leipzig im Herbst ’89, ihre Ängste und Hoffnungen anhand persönlicher Erlebnisse.

Anschließend befasst sich Helmut Manningers Dokumentation „Ausgetreten!“ mit den Gründen, die verschiedene Prominente dazu bewogen haben, sich von ihren Kirchen zu verabschieden.

Das Wunder von Leipzig

Tausende DDR-Bürger gehen im Herbst 1989 auf die Straße. Sie demonstrieren für mehr Freiheit und mehr Bürgerrechte, für Demokratie und vor allem gegen einen Staat, der seine Bürger bespitzelt, unterdrückt und überwacht. Montag für Montag formiert sich unter den Augen der Staatsicherheit ein nicht zu stoppender, mutiger Protestzug, mit dem DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker ein für und alle Mal Schluss machen will.

Am Montag, dem 9. Oktober 1989, kommt es zur Entscheidung. Auf mehr als 70.000 ist die Zahl des Protestzuges angewachsen, der die Innenstadt einmal umrunden will. Die einzige Waffe der Demonstranten ist der friedliche Protest. Was im September 1989 in der Leipziger Nikolaikirche als Friedensgebet begann, entwickelte sich innerhalb weniger Wochen zu machtvollen „Montagsdemonstrationen“ für mehr Freiheit, für Reformen und freie Wahlen in der DDR.

Bereits am Montag, dem 4. September, hatten sich Leipziger Bürger nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche erstmals zu einem Demonstrationszug für mehr Freiheit und Rechte versammelt. Die mutige Aktion sorgt für Aufsehen bei der Leipziger Bevölkerung, und auch der DDR-Staatssicherheit bleibt die Aktion nicht verborgen: Mit aller Macht versucht sie, die Demonstration zu verhindern. Peinlicherweise gerät die Aktion ausgerechnet vor den Kameras des Westfernsehens zu einer Blamage.

Eine Woche später, am Montag, dem 11. September, ist man wesentlich besser vorbereitet. Friedliche Demonstranten werden verprügelt und „staatsfeindliche Kräfte“ sofort verhaftet. Am Machtanspruch der Staatsführung sollen nicht noch einmal Zweifel aufkommen. Doch längst ist eine Bewegung in Gang gekommen, die nicht mehr aufzuhalten ist. Immer mehr Bürger begehren gegen das marode System auf. Unterstützung finden sie in den Kirchen, wo Bürgerrechtler Büros einrichten und den Widerstand organisieren. Aber auch die Gegenseite rüstet für den bewaffneten Kampf auf der Straße auf: Kampfgruppen werden nach Leipzig verlegt, der Einsatz von Schlagstöcken und Wasserwerfern angeordnet. Aus Berlin kommt am 22. September ein Fernschreiben von Erich Honecker: „Mit der Konterrevolution ist ein für alle Mal Schluss zu machen!“

Am Montag, dem 2. Oktober, versammeln sich Tausende Leipziger auf dem Nikolaikirchplatz mit dem Ziel, einmal um den Leipziger Ring herum zu marschieren und den Protestzug an der Nikolaikirche wieder zu schließen. Aber so weit kommt es nicht. Auf halber Strecke wird die Demonstration am Hauptbahnhof von den Polizeikräften gestoppt. Es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit vielen Verletzten und Verhaftungen.

Für die Montagsdemo am 9. Oktober 1989 ist die Konfrontation erneut vorprogrammiert. Die blutigen Bilder vom Platz des Himmlischen Friedens in Peking sind noch in allen Köpfen, die Demonstranten fürchten die „chinesische Lösung“, die gewaltsame Niederschlagung des friedlichen Protests. Bereitschaftspolizei sowie Hundestaffeln werden in die Stadt kommandiert, am Stadtrand Pferdeställe für verhaftete Demonstranten „eingerichtet“, in den Kliniken Blutkonserven für Verletzte bereitgestellt. Einsatzpläne sehen die Besetzung der Nikolaikirche vor.

Sechs Prominente aus Leipzig verfassen in dieser angespannten Lage einen Appell, der von Gewandhauskapellmeister Kurt Masur verlesen wird. Die „Leipziger Sechs“ rufen zur Gewaltfreiheit auf. Erneut startet am 9. Oktober an der Nikolaikirche ein Demonstrationszug. Er ist so groß wie nie zuvor. Diesmal können die Demonstranten überraschend ungehindert am Bahnhof vorbeiziehen. Sie marschieren auf die gefürchtete Bastion der Staatsmacht zu, die berüchtigte „Runde Ecke“, das Leipziger Hauptquartier des Ministeriums für Staatssicherheit. Schwer bewaffnet haben dort die Sicherheitskräfte Stellung bezogen. Verzweifelt versuchen sie, Anweisungen aus Berlin zu bekommen. Sollen sie schießen, ja oder nein? In Berlin ist niemand zu erreichen. Keiner will für ein Blutbad in Leipzig die Verantwortung übernehmen. Der Staat kapituliert vor der Macht der friedlichen Demonstration.

Ein Film von Sebastian Dehnhardt und Matthias Schmidt
Bearbeitung: Gerhard Jelinek

Viktor Gernot im Gespräch mit Dompfarrer Toni Faber

ORF/Gloria Film

Viktor Gernot (r.) ist einer jener Prominenten, die in „Ausgetreten!“ erzählen, warum sie ihre Kirche verlassen haben

„Ausgetreten!“

Was haben Kabarettist Viktor Gernot, Fußballtrainer Peter Stöger und Ex-Innenminister Caspar Einem gemeinsam? Jeder ist eine V.I.P. und jeder war einmal römisch-katholisch oder evangelisch.

Jetzt sind sie o. B. – also ohne Bekenntnis. Jeder mit seiner ganz persönlichen Geschichte, was ihn an der Kirche stört und warum er ausgetreten ist. In der „kreuz und quer“-Dokumentation geht es aber nicht nur um prominente Outings. Konfessionslos ist nicht gleich gottlos. Helmut Manningers Doku zeigt Menschen, die aus Enttäuschung, nicht aus Gleichgültigkeit ausgetreten sind. Wie etwa Filmschauspielerin Julia Cencig, die mit dem katholischen „Männerverein“ nichts anfangen kann – ihre beiden Töchter aber hat taufen lassen. Dabei hat sie etwas Besonderes erlebt, was „von oben“ gewesen sein könnte. Ausgetreten ist sie wegen des Kirchenbeitrags. Ohne Bekenntnis zu sein gehöre in ihrem Künstlerkreis übrigens „zum guten Ton“.

2013 haben insgesamt 54.845 katholische Österreicherinnen und Österreicher der Kirche den Rücken gekehrt. Tendenz sinkend. Kein Wunder nach dem Austrittshype von 2010. 87.000 waren es damals, die sexuelle Missbrauchsfälle zum Anlass nahmen. Der Kirchenaustritt ist aber kein rein katholisches Phänomen. Beispiele dafür sind Exminister Caspar Einem und Gertraud Knoll-Lacina. Der Austritt der ehemaligen Superintendentin im Jahr 2008 ist jedenfalls einmalig in der Geschichte der evangelischen Kirche. Grund war ein Hirtenbrief, in dem Jörg Haider nach seinem Tod als „charismatischer und leidenschaftlicher Politiker mit Leib und Seele“ gewürdigt wurde.

Was stört an der Kirche? Und was kann einem ohne Kirche mitunter abgehen? Warum denken manche sogar an Wiedereintritt? Der Film zeigt auch unkonventionelle Strategien der Kirchen, verlorene Schäfchen wieder zurückzuholen, und warum Dompfarrer Toni Faber und ein Salzburger Benediktinerpater dabei besonders erfolgreich sind. Beim Versuch, Viktor Gernot zu bekehren, wird Toni Faber allerdings scheitern.

Ein Film von Helmut Manninger