Die Zukunft des Alterns

ORF/Tausend Rosen Film

Die Zukunft des Alterns

Als eigene Lebensphase wurde das Alter – kulturgeschichtlich betrachtet – erst vor kurzem „entdeckt“. kreuz und quer zeigt die Doku „Die Zukunft des Alterns“ und präsentiert eine Diskussion über „Alter als letzte Gelegenheit“.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 23. Juni 2015
um 22.30 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 24. Juni 2015
um 20.15 Uhr, ORF III

Die Zukunft des Alterns

„Wenn ich mit meinen Studenten über das Alter rede, könnte ich genauso gut über den Mars reden,“ so der Gerontologe Franz Kolland. „Unser aktuelles Bild vom Alter hat immer nur mit Abhängigkeit und Krankheit zu tun.“ Diese negativen Vorstellungen seien im Kollektiv vorhanden und kämen in Form von Alzheimer-Witzen oder herablassendem Mitleid auch oft als Diskriminierung daher, so Kolland.

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung erreichen heute sehr viele Menschen ein hohes Lebensalter – ein relativ junges Phänomen; deshalb fehlen Konzepte für einen gesellschaftlich integrativen Umgang mit der inzwischen langen letzten Lebensphase. Wie werden wir in Zukunft im Alter Wohnen, Arbeiten, Leben und Lernen? Was geschieht, wenn Pflege notwendig ist und das selbstbestimmte Leben zu Ende geht? Welche Modelle gibt es, die schon jetzt mit den ablehnenden Vorstellungen des Altseins aufräumen und Alternativen für die Zukunft darstellen?

„Das Alter spielt nicht mehr so eine Rolle hier“, sagt die 75-jährige Christine Kitzweger, die seit einigen Jahren im generationenübergreifenden Wohnprojekt „POMALI“ in Wölbling/Niederösterreich wohnt. Hier leben 78 Menschen aller Altersstufen zusammen. Christine Kitzweger ist Leihoma für den siebenjährigen Joshua und entlastet so seine Eltern. Dass so auch für ältere Menschen ohne eigene Familie ein familienähnlicher Verband hergestellt werden kann bzw. die „Freundschaft“ im Alter ein zunehmend wichtiges Konzept sein wird, bemerkt Franz Kolland. „Gehörtwerden, das tut gut, da blüht man auf“, so Lilian Pardun, 72, ebenfalls Pomali-Bewohnerin.

Die Zukunft des Alterns

ORF/Tausend Rosen Film

Die Zeiten, in denen Oma und Opa noch im Kreise der Großfamilie ihren Lebensabend verbringen konnten sind vorbei - wie aber werden wir in Zukunft im Alter wohnen, arbeiten, lernen, leben?

Für die meisten Menschen endet das Gehörtwerden und Gebrauchtwerden allerdings abrupt bei Pensionseintritt – mit dem Resultat, dass Depressionen und psychosomatische Erkrankungen, aber auch die Fälle von Suizid in dieser Lebensphase ansteigen. Die heute 65-Jährigen sind eine durchwegs noch sehr fitte und leistungsfähige Personengruppe, die keinesfalls zum „alten Eisen“ gehören möchte. Franz Kolland plädiert nicht nur deshalb für eine altersintegrierte Gesellschaft, in der Ausbildung, Arbeit und Ruhestand/Freizeit schon zeitlebens wohldosiert parallel laufen und nicht abgehackt hintereinander wie dies heute meist üblich ist. Unterforderung und Langeweile sind oftmals die Hauptprobleme von Pensionierten, so Franz Kolland und nennt lebenslange Bildung, aber auch die Selbstüberwindung, immer wieder etwas Neues auszuprobieren und sich etwas zuzutrauen, als fundamental für Lebensqualität im Alter. Dazu gehört auch Bewegung: „10.000 Schritte am Tag senken das Demenzrisiko um 30 Prozent“, so der Uniprofessor, der selbst seit Jahren keinen Lift mehr nimmt.

Für den Philosophen Peter Heintel ist die Zeit des Alters, wenn Gesundheit und Geld stimmen, eigentlich auch die Zeit der größten Freiheit im Leben. Einziger Haken: Man weiß nicht, wie lang es noch dauert. Im Angesicht des Todes allerdings in einen panischen Aktionismus zu verfallen, hält er für falsch, denn ein erfülltes Leben sei nicht gleichzusetzen mit einem mit Aktivität vollgestopften Leben. Man müsse vorher schon „gelebt“ haben, am Ende lasse sich nichts mehr aufholen.

Wovor die meisten Menschen auch schon in jungen Jahren große Angst haben, ist Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit. Der Pflegebauernhof Ratheiser in Hinterberg/Kärtnen zeigt, wie positiv und gesundheitsfördernd ein familienintegriertes Leben in der Natur und mit Tieren sein kann, auch wenn man selber auf Hilfe angewiesen ist. Auch die vielgefürchtete „Endstation Pflegeheim“ ist, wie man am stark patientenorientierten Haus St. Bernadette in der Nähe von Breitenfurt sieht, bei näherer Betrachtung um einiges angenehmer und professioneller, als zu Hause von überforderten Verwandten gepflegt zu werden. Der allgemein große Wunsch vom „Sterben zu Hause“ hat laut Peter Heintel auch mit dem Wunsch zu tun, gerade in dieser Lebensphase solle sich nichts mehr verändern. Das erweise sich in jedem Fall als Illusion, denn Leiden und Tod veränderten alles, auch das traute Heim.

Ein Film von Thomas Grusch und Elisabeth Krimbacher

Die Zukunft des Alterns - Günter Kaindlstorfer

ORF

Günter Kaindlstorfer

Das Alter als letzte Gelegenheit

23.10 Uhr: „kreuz und quer“-Diskussion

Als eigene Lebensphase wurde das Alter – kulturgeschichtlich betrachtet – erst vor kurzem „entdeckt“: Die Lebenserwartung ist gestiegen, die Gesundheitsversorgung hat hohes Niveau. Dadurch sind agile Senioren auch zum Wirtschaftsfaktor geworden. Ist das Alter die „letzte Gelegenheit“, möglichst viel Aktivität in diese verbleibende Zeitspanne zu packen? Ist eine Antriebsfeder der umsatzfördernden Hektik auch der Transzendenzverlust in der Westlichen Welt, weil die Hoffnung über den Tod hinaus schwindet? Wie kann das drängendere Bewusstwerden von Grenzen, Krankheit und Vergänglichkeit zu Lebensweisheit reifen? Und welche Bedeutung hat dabei das Einüben in eine recht verstandene „Kunst des Sterbens“?
Darüber diskutieren die Schauspielerin Lotte Tobisch, die Erziehungswissenschafterin Marianne Gronemeyer, der Philosoph Franz Josef Wetz und die Gesundheits- und Pflegewissenschafterin Sabine Pleschberger. Die Diskussion leitet Günter Kaindlstorfer.