Flüchtlingsprobleme in Ungarn

APA/HERBERT P. OCZERET

Ungarn und die Kriegsflüchtlinge

Versagen die Kirchen? - Ungarn und die Kriegsflüchtlinge | Menschen auf der Flucht: Wie Österreich früher half | „Franziskus unter Wölfen“ – Der Papst, seine Reformen und deren Gegner | Signale für die Weltkirche – Christoph Schönborn 20 Jahre Erzbischof

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ORF

Sendungshinweis

„Orientierung“ am Sonntag,
13. September 2015, 12.30 Uhr, ORF 2
Wiederholung am 15. September 2015, 10.30 Uhr, ORF III

Versagen die Kirchen? - Ungarn und die Kriegsflüchtlinge

Angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingstragödie, so Papst Franziskus am vergangenen Sonntag, sei jede Pfarre, jede religiöse Gemeinschaft und jedes Kloster in Europa dazu aufgerufen, Flüchtlingsfamilien aufzunehmen.

Ein durchaus dramatischer Appell, der freilich nicht überall auf fruchtbaren Boden fällt. Vor allem in Ungarn, wo erst vor wenigen Tagen ein katholischer Bischof von „Schein-Flüchtlingen“ sprach, die eine ernste Bedrohung für die „christlichen universellen Werte“ Europas darstellten.

Der Papst, fügte er sinngemäß hinzu, habe davon wohl keine Ahnung. Anders scheint es „an der Basis“ auszusehen: Helfer der Caritas, von Pfarrgemeinden und anderen christlichen Organisationen sowie muslimische Gruppierungen versuchen, Schutzsuchende auf Bahnhöfen und in provisorischen Lagern zu betreuen.

Ungarns Religionsgemeinschaften seien wie auch die ungarische Bevölkerung im Blick auf die Hilfe für Flüchtlinge gespalten, beobachtet der Religionswissenschafter András Máté-Tóth. In diesem Zusammenhang müsste vor allem die römisch-katholische Kirche ihre Rolle als Stifterin nationaler Identität hinterfragen.

Bericht: Marcus Marschalek, Anna Stahleder; Länge: 6 Minuten

Menschen auf der Flucht: Wie Österreich früher half

Die aktuelle Notlage ist nicht die erste große Herausforderung für Österreich. Bereits früher wurde Menschen auf der Flucht geholfen. So zum Beispiel im Jahr 1956: Österreich hatte mit dem Staatsvertrag (1955) gerade seine volle Unabhängigkeit erreicht, da wurde das Land schon mit der ersten großen Flüchtlingsbewegung konfrontiert: Rund 200.000 Ungarn verließen ihre Heimat nach einem Aufstand gegen die kommunistische Herrschaft, der von Sowjet-Panzern niedergewalzt wurde.

Zwölf Jahre später in der damaligen ČSSR: Die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ – eine weitere Herausforderung, 160.000 Tschechen und Slowaken kamen nach Österreich. Schließlich 1992: die „Zerfallskriege“ im ehemaligen Jugoslawien – etwa 90.000 Menschen flüchteten vor dem Krieg nach Österreich.

Wie ging der Staat damals, in früheren Zeiten, mit diesen Krisensituationen um und wie reagierten die Kirchen? Antworten darauf geben der Migrationsexperte Bernhard Perchinig, der Theologe Martin Jäggle und die Pastoraltheologin Regina Polak.

Bericht: Klaus Ther, Länge: 8 Minuten

„Franziskus unter Wölfen“ – Der Papst, seine Reformen und deren Gegner

Der Vatikanexperte und Journalist Marco Politi zeichnet in seinem neuen Buch „Franziskus unter Wölfen – Der Papst und seine Feinde“ (Verlag Herder) bisherige Reformbestrebungen von Papst Franziskus nach und skizziert auch die Motive der Gegner, die Angst hätten, dass das „dogmatische Gebilde der Kirche zusammenfällt“.

Gegen die Zulassung zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene haben sich etwa der amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke, der italienische Kardinal Angelo Scola und auch der afrikanische Kardinal Robert Sarah ausgesprochen. Zahlenmäßig seien die offenen Kritiker des Papstes in der Minderheit. In Rom kursiere – so Politi – eine Statistik, nach der 20 Prozent engagiert die Reformbemühungen des Papstes mittragen würden, 10 Prozent dagegen seien, 70 Prozent würden allerdings „lavieren und abwarten“.

Politi nennt auch weltliche Feinde des Papstes außerhalb der römisch-katholischen Kirche, etwa die italienische Mafia. Im Blick auf die bevorstehende Familiensynode im Oktober und die offene Frage nach der Zulassung der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene meint Politi, dass „die Traditionalisten gegen eine Öffnung mobilisiert sind“. Möglich sei allerdings, dass ein Kompromiss ausgearbeitet werden könne, indem den Ortsbischöfen mehr Entscheidungsgewalt zugesprochen werde.

Bericht: Sandra Szabo, Länge: 7 Minuten

Signale für die Weltkirche – Christoph Schönborn 20 Jahre Erzbischof

Seit 20 Jahren ist er nun Erzbischof von Wien: Christoph Schönborn. Als Krisenmanager trat er am 14. September 1995 sein Amt als Erzbischof an, erste große Aufgabe war die Aufarbeitung der Missbrauchsaffäre um seinen Vorgänger Kardinal Hans Hermann Groer.

Reformforderungen, Kirchenvolksbegehren, viele Kirchenaustritte prägen diese erste Phase seiner Amtszeit, in den 2000er Jahren kommt die Pfarrerinitiative seines ehemaliges Generalvikars Helmut Schüller mit ihrem Aufruf zum Ungehorsam hinzu. Schönborn, Schüler Joseph Ratzingers, vertritt unzweideutig die römische Lehrmeinung, ohne das Gespräch mit den Kritikern abreißen zu lassen.

Im Laufe seiner Amtszeit zeigt sich eine Hinwendung zu einer offeneren Pastoral, die für viele einst Ausgegrenzte, wie etwa wiederverheiratete Geschiedene oder Homosexuelle, vorsichtig einen Platz in der römisch-katholischen Kirche sucht.

Damit und mit seiner Haltung in der Missbrauchs- und in der Flüchtlingsfrage setzt Schönborn Signale, die auch in der Weltkirche stark wahrgenommen werden.

Bericht: Peter Beringer, Länge: 4 Minuten

Moderation: Christoph Riedl-Daser
Redaktionsleitung: Norbert Steidl