Scheitern nicht vorgesehen

ORF/Tausend Rosen

Scheitern nicht vorgesehen

Wer sich scheiden lässt und mit einem neuen Partner zusammen sein möchte, hat in der Kirche einen schweren Stand. Die sakramental geschlossene Ehe gilt als unauflöslich, denn „was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen“.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 20. Oktober 2015
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholung:

Mittwoch, 21. Oktober 2015
um 20.15 Uhr, ORF III

Scheitern nicht vorgesehen

Die Katholische Kirche und ihre Wiederverheirateten

Dieser Tage beraten Bischöfe aus aller Welt bei der Bischofssynode in Rom über Ehe und Familie. Ein zentraler Punkt dabei: Wie soll die Kirche mit Geschiedenen Wiederverheirateten umgehen?

Wer sich scheiden lässt und mit einem neuen Partner zusammen sein möchte, hat in der Kirche einen schweren Stand. Die sakramental geschlossene Ehe gilt als unauflöslich, denn „was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen“. Die Ehe zwischen Mann und Frau gilt solange als geschlossen, bis dass der Tod die Ehepartner scheidet – alles andere ist nach Auffassung der offiziellen römisch-katholischen Kirche Ehebruch und somit eine schwere Sünde.

Jene, die als „Geschiedene Wiederverheiratete“ bezeichnet werden, sind zwar immer noch Mitglieder der Kirche, jedoch offiziell von den Sakramenten – insbesondere vom Eucharistie-Empfang – ausgeschlossen. Dabei handelt es sich nicht um eine kirchliche Strafe, sondern um eine theologische Konsequenz aus dem offensichtlichen „Verharren in schwerer Sünde“. Diese Regelung ist seit langem ein großer Streitpunkt und ein Problem für viele Seelsorgerinnen, TheologInnen, Priester, Bischöfe und auch Kardinäle.

Ausgangspunkt für die Dokumentation ist die Familiensynode, die derzeit in Rom stattfindet. Während sich Kirchenreformer endlich Bewegung in Richtung Liberalisierung in dieser Frage erwarten, empfinden andere dieses Problem als irrelevant im Vergleich zum drohenden Zerfall der klassischen Familienstrukturen an sich. Vertreter dieser Auffassung wünschen sich von der Synode keinesfalls eine Abweichung von der Lehre, sondern eine generelle Stärkung der Ehe zwischen Mann und Frau, eine Vertiefung des Glaubens und eine Unterstützung in der Seelsorge.

Michael und Elisabeth Kromer, beide in zweiter Ehe glücklich verheiratet, empfinden sich nicht als „gescheitert“. Die kirchlichen Angebote zur Rehabilitation, wie zum Beispiel eine Annullierung der Erst-Ehe, lehnen sie ab. Im Nachhinein zu untersuchen, ob ihre ersten Ehen „ungültig“ gewesen wären, erscheint den beiden, die jeweils über 20 Jahre verheiratet waren und je vier Kinder aus diesen Verbindung haben, als völlig absurd.

Ebenso absurd erscheint es ihnen, ihre jetzige Beziehung zu bereuen bzw. zu verleugnen. Die Kromers haben in ihrer Heimatpfarre Gersthof einen Seelsorger gefunden, der sie in ihrer Situation ernstnimmt und nicht ausgrenzt. Für ihre neue Verbindung hat er ihnen sogar den Segen erteilt. Für Pfarrer Norbert Roth zählt letztlich sein Gewissen mehr als das Gesetz, denn: Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht umgekehrt, argumentiert der Kirchenmann.

Aber ist eine Kirche ohne offizielle Regeln in der das persönliche Gewissen zum Maßstab wird, überhaupt zukunftsfähig? Was, wenn das Gewissen auch eine Dritt- und Viertehe vertreten kann? Für Familienbischof Klaus Küng ist eines ganz klar: Die Gläubigen, deren Ehen durch so viele äußere Einflüsse heute immer mehr ins Wanken geraten, brauchen eine Stärkung von innen. Dazu gehören natürlich auch klare Regeln und ein unerschütterlicher Glaube, der auch Beziehungen retten könne.

„Diese Dreiecksbeziehung – wir beide und Gott – ist wirklich zentral“, sagt Katharina Thonhauser über ihre Ehe. Seit 11 Jahren ist sie verheiratet und Mutter von fünf Kindern. In der Ehekrise helfe immer wieder das gemeinsame Gebet um alles zu überstehen. Gott gebe den beiden Ehepartnern auch „die Kraft, sich gegenseitig aus zuhalten“, erzählt das Ehepaar Thonhauser.

Die Frage, wie die Kirche mit Geschiedenen-Wiederverheirateten in ihren eigenen umgeht und umgehen soll, fordert heraus und wird wohl ein Streitpunkt innerhalb der römisch-katholischen Kirche bleiben. Ideal und Wirklichkeit nämlich driften oft auseinander.

Ein Film von Elisabeth Krimbacher und Thomas Grusch
Redaktion: Barbara Krenn

Kaindlstorfer

ORF/Hans Leitner

Sexuelle Revolution im Vatikan?

Wird Franziskus die Kirche verändern?

Die Sexualmoral der katholischen Kirche scheint vielen Menschen heute als lebensfremd. Andere wiederum sehen die Kirche als letzte Institution, die hohe Ideale von Ehe und Treue vertritt. Unterschiedliche Menschenbilder und Beziehungsideale prallen aufeinander.

Wieweit kann oder muss die Kirche ihre Lehre ändern? Ist es überhaupt möglich, für unterschiedliche Kulturkreise eine einzige verbindliche Antwort auf Fragen zu Sex, Beziehung und Ehe zu finden? Und wird die Familiensynode in Rom unter Papst Franziskus zur Zerreißprobe in einem Richtungskampf?

Darüber diskutieren: Marco Politi (Vatikan-Experte und Journalist), Helmut Prader (Bischofsvikar für Ehe und Familie, Diözese St. Pölten), Gerhard Marschütz (Professor für Theologische Ethik, Universität Wien), Elia Bragagna (Sexualtherapeutin) und Raphael Bonelli (Psychiater und Psychotherapeut). Die Diskussion leitet Günter Kaindlstorfer.

Redaktion: Helmut Tatzreiter